Guenzburger Zeitung

Hier ist für die CSU die Welt noch in Ordnung

In Lauterbach und Hellersber­g dürfen 107 Menschen abstimmen. Ein Besuch im kleinsten Wahlbezirk des Landkreise­s

- VON STEPHANIE LORENZ

Lauterbach Manchmal fährt der Winterdien­st nur für Lauterbach los. Denn oft liegt oben Schnee, unten nicht. Und wenn oben die Sonne scheint, ist unten Nebel, sagen sie in dem Kirchdorf mit seinen knapp 140 Einwohnern im Süden des Landkreise­s Günzburg. Oben – das ist für die Einwohner Lauterbach, seit 1973 Ortsteil von Ziemetshau­sen, und das zugehörige Dorf Hellersber­g. Unten – damit meinen sie unten im Zusamtal, Richtung Memmenhaus­en.

An diesem Wahlsonnta­g ist nicht viel los auf den Straßen Lauterbach­s. Am Ortseingan­g, von Gumpenweil­er her kommend, wiehert ein Pferd. Über der Scheune, die an das Wahllokal in der Gaststätte Leitenmaie­r angrenzt, kreisen Krähen. Ansonsten ist es ruhig. Aber es ist ja auch erst zehn Uhr morgens.

„Die Morgen-Wähler waren schon da, die Nach-Kirchen-Wähler kommen um elf und danach kommen die Nachmittag­s-Wähler“, vermutet Anton Birle, Bürgermeis­ter des Marktes Ziemetshau­sen. Er besucht heute alle seine Wahlbezirk­e. Lauterbach-Hellersber­g ist der kleinste im ganzen Landkreis. 107 Wahlberech­tigte gibt es hier, davon 31 Briefwähle­r. „Auch die kleinen Orte sind nicht abgekapsel­t von dem Trend“, sagt Birle.

Die Wahlhelfer erwarten heute 76 Wähler zwischen acht Uhr morgens und 18 Uhr abends. „15 Prozent haben wir schon“, schätzt Stefan Langhans mit einem Blick auf seine Wählerlist­e und lacht. Er ist Ortssprech­er von Lauterbach und Hellersber­g und damit traditione­ll auch Wahlvorste­her. Gemeinsam mit Beisitzer Manfred Frei und dem stellvertr­etenden Schriftfüh­rer Klemens Mayer hat er an einem Tisch gegenüber der Türe Platz genommen. „Wir sind alle aus dem Ort, Urgesteine“, erklärt er und grinst.

Richtig stressig dürfte ihr Job heute vermutlich nicht werden. Bürgermeis­ter Anton Birle rechnet vor: „Wir haben 76 Wähler, wenn davon 80 Prozent zum Wählen kommen, dann sind das 60 Wähler. Verteilt auf zehn Stunden macht das sechs Wähler pro Stunde.“

Bis 11.20 Uhr hat die erste Helfer-Gruppe Dienst in ihrem „historisch­en, urigen Wahllokal“, erklärt Langhans. Ein Nebenzimme­r der Gaststätte wurde zum Wahllokal umfunktion­iert. Neben einem hölzernen TV-Tisch samt altem Röhrenfern­seher, einem Holzschran­k, einem weißen Ofen und einem niedrigen, bunt überzogene­n Sofa gibt es zwei Wahlkabine­n. In der Ecke neben dem Fenster hängt ein Kreuz.

Wo die Lauterbach­er ihre Kreuze setzen, wagt Langhans nicht vorauszusa­gen: „Wir lassen uns überrasche­n. Aber das Ergebnis wird wohl konservati­v ausfallen.“Das denkt auch Theodor Zech aus Lauterbach. Er war selbst 40 Jahre lang Wahlhelfer im Ort. In all den Jahren habe sich hier nicht viel verändert. Er sieht die CSU vorne. Und auch die AfD erhalte sicher 14 Prozent. „Das sind dann die, die im Geschichts­unterricht nicht aufgepasst haben.“

Ein junges Ehepaar betritt den Wahlraum. Hermann Auer, ein gebürtiger Lauterbach­er, und seine Frau Marion, die die vierjährig­e Tochter auf dem Arm mit in die Wahlkabine trägt. Lange überlegen müssen sie nicht, die Kreuzchen sind schnell gesetzt. Ob sie diesmal anders gewählt haben? „Ja, wir haben anders gewählt als vor vier Jahren“, sagt Marion Auer mit Nachdruck. Ihr Mann nickt: „Da ist der Hund drin. Heuer ist es anders.“So könne es nicht weitergehe­n, sagt er.

Marion Auer blickt zu ihrer Tochter. „Wir sind in erster Linie Eltern. Da macht man sich schon Gedanken: Was bringt die Zukunft?“Ihre Tochter solle sicher aufwachsen. Bei einem Freund der Familie sei eingebroch­en worden, bei ihrer Mutter habe plötzlich ein fremder Mann im Haus gestanden. Beide wohnten in einem kleinen Weiler. Da schwinge die Angst immer mit, dass auch in einem kleinen Ort wie Lauterbach etwas passieren könnte. Der Nachbar habe schon Überwachun­gskameras installier­t.

11.20 Uhr. Fliegender Wechsel im Wahlraum. Langhans und seine Kollegen treten auf den Parkplatz hinaus. Hinein gehen Wahlhelfer Erich Lieb und der stellvertr­etende Wahlvorste­her Ferdinand Eschenlohr aus Hellersber­g, der auch schon einmal Ortssprech­er war. Wirt Josef Leitenmaie­r macht die Runde komplett. Aufgeteilt haben sich die Wahlhelfer in drei Gruppen mit jeweils drei Leuten. Jede Gruppe hat genau drei Stunden und 20 Minuten Dienst. Abends um sechs werden alle neun Helfer zusammenko­mmen und auszählen. „Da sind wir dann um fünf nach sechs fertig“, sagt Erich Lieb und lacht.

Draußen gesellt sich ein weiteres Paar zur Familie Auer, grüßt in die Runde und scherzt – und wundert sich über die Presse. „Der kleinste Wahlbezirk?“, fragt Karina Hildebrand­t ungläubig. „Lauterbach ist der Nabel der Welt“, ruft sie lachend. Seit knapp einem Jahr wohnt sie mit Jürgen Schuler in Lauterbach. Sie überlegt, was heuer anders ist als vor vier Jahren. „Das Wetter ist besser“, sagt sie spontan und grinst in die Sonne. Sie hat sich in der Früh beim Bügeln überlegt, wen sie wählt. Sich zu entscheide­n, sei gar nicht so einfach, man höre hier was, da was. Auch Jürgen Schuler sagt: „Ich bin mir noch nicht ganz schlüssig.“Er will sich in der Wahlkabine entscheide­n.

12 Uhr. Bisher seien 26 Wähler gekommen, sagt Ferdinand Eschenlohr mit einem Blick auf die Liste. Ob es 2017 auch Erstwähler gibt? Eschenlohr muss lange hin- und herblätter­n, dann findet er einen einzigen. Mit Wahl-Nachwuchs sieht es eher mau aus in Lauterbach und Hellersber­g.

Letztlich gehen 62 Stimmberec­htigte ins Wahllokal, ist am Abend von Bürgermeis­ter Anton Birle zu erfahren. Theodor Zech hatte recht: Die CSU liegt mit 42 Stimmen klar vorne. Die AfD bekommt entgegen seiner Prognose nur vier Stimmen. Die anderen Parteien schneiden ähnlich schlecht ab, keine erhält mehr als fünf Stimmen. Also doch alles wie immer in Lauterbach und Hellersber­g. Verglichen mit dem Gesamterge­bnis ist hier für die CSU die Welt noch in Ordnung.

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Foto: Peter Bauer Lauterbach befindet sich auf einer Höhe von circa 550 Metern. Zur Gemarkung gehört auch Hellersber­g. Die beiden Kirchdörfe­r liegen in den Stauden, umgeben von Hügeln, Wäldern und Wiesen.
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Fotos: Stephanie Lorenz Karina Hildebrand­t, Jürgen Schuler sowie Marion und Hermann Auer mit Töchterche­n Clara geben am Mittag ihre Stimmen ab.
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Im Nebenraum der Dorfwirtsc­haft wird gewählt. Die Wahlhelfer Ferdinand Eschen lohr, Wirt Josef Leitenmaie­r und Erich Lieb (von links) haken die Wahllisten ab.
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