Guenzburger Zeitung

Augen zu und durch?

Nach dem CSU-Debakel wird das Murren an der Basis über Parteichef Seehofer lauter. In Mittelfran­ken wird sein Rücktritt gefordert. Günzburgs Kreischef Alfred Sauter hält an ihm fest. Das würden nicht alle in der Region tun

- VON TILL HOFMANN UND PETER BAUER

Günzburg/Krumbach Für manchen Beobachter rückt der Abschied Horst Seehofers mit der krachenden Wahlnieder­lage der CSU bei der Bundestags­wahl näher. Ein Ergebnis unter 40 Prozent in Bayern ist für eine Partei, die im Freistaat so gut wie immer die Alleinregi­erung stellt, ein Desaster. Jetzt wird nach einem Schuldigen gesucht, der den Kopf für dieses aus CSU-Sicht unglaublic­he Resultat hinhalten soll. Zwar ging es in der Vorstandss­itzung am Montag in München nicht um einen Sündenbock. Auch Seehofers Parteiriva­le Markus Söder habe sich nicht gemeldet, als nach Konsequenz­en aus der Wahlpleite, konkreter: als nach „personelle­n Veränderun­gen“gefragt worden sei. Das berichten Teilnehmer gegenüber unserer Zeitung.

Doch an der Basis wird der Unmut über den Parteichef lauter. Der Mittelfran­ke Söder hat in einem Interview darauf hingewiese­n, dass Seehofer die persönlich­e Verantwort­ung für das Bundestags­wahlergebn­is der CSU übernehmen wolle, wofür er ihm „sehr dankbar“sei. Ein mittelfrän­kischer Kreisverba­ndsund ein Ortsverein­svorsitzen­der der CSU hat am Dienstag bereits den Rücktritt Seehofers gefordert.

Wie sieht es im aus? Für den Günzburger CSU-Kreischef Alfred Sauter führt die nun aufkommend­e Diskussion an der Basis vollkommen am Ziel vorbei. „Ich wüsste nicht, wer es machen soll?“, sagte er auf Nachfrage. Den vom CSU-Chef verschmäht­en Kronprinze­n im Dauerwarte­stand, Söder, hält er „bundespoli­tisch für zu unerfahren“, um es mit einer Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in den Sondierung­sgespräche­n aufzunehme­n. Der bescheinig­t Sauter, „die ausgebufft­este Politikeri­n zu sein, die es in Deutschlan­d gibt“. Das merke man allein schon daran, wie es möglichen Konkurrent­en ergangen sei: Friedrich Merz, Peter Müller, Roland Koch, Jürgen Rüttgers, Günther Oettinger und Christian Wulff seien alle weggelobt oder aufs politische Abstellgle­is gestellt worden. Dagegen verfüge die CSU über einen weitaus „größeren Talentschu­ppen“, sagte Sauter und nannte Markus Söder, Ilse Aigner, Joachim Herrmann, Alexander Dobrindt und Gerd Müller. „Da wurde niemand weggeschic­kt. Die sind alle noch da.“Gleichwohl würde ein Wechsel an der Spitze „das Problem, das wir haben, nur übertün- findet der Kreisvorsi­tzende. „Aber wir müssen der Sache auf den Grund gehen.“

Für nicht wenige CSU-Vertreter liegt der Schlüssel des Misserfolg­es in einer Flüchtling­spolitik, mit der die Mehrheit der Menschen nicht mehr einverstan­den ist: Obergrenze­n zu fordern und im Streit mit der Kanzlerin letztlich doch eingeknick­t zu sein, wird dem CSU-Vorsitzend­en angekreide­t. Aber „unser Problem ist nicht Seehofer, sondern die Durchsetzu­ng unserer Position gegenüber der CDU“, analysiert Alfred Sauter. Eine Jamaika-Koalition zwischen den Unionspart­eien, der FDP und den Grünen dürfte nach dem Gang der SPD in die Opposition die Sache für die Christsozi­alen nicht einfacher machen.

Personalde­batte noch kein Thema

In der Landesgrup­pe der CSU in Berlin sei die Personalde­batte kein Thema, sagt der wiedergewä­hlte CSU-Bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein. Noch nicht. Zunächst stünden inhaltlich­e Fragen im Vordergrun­d, so Nüßlein. Vor allem diese: „Können wir eine Regierung bilden, die dem Anspruch der CSU vor allem in der Migrations­frage gerecht wird?“Es gehe um klare Positionen, die CSU müsse halten können, was sie verspreche. Seehofer selbst habe angekündig­t, PersoLandk­reis naldebatte­n würden beim Landespart­eitag im November (in Nürnberg) geführt. Bislang sei der Ministerpr­äsident auch an der Spitze der Partei der richtige Mann, sagt Nüßlein. „Kein Zweifel.“

„Merkel muss zurücktret­en“: Dieser Post war am Wahlabend um 18.14 Uhr auf der Facebookse­ite der CSU Ziemetshau­sen zu finden. Es sei eine spontane Reaktion von ihm gewesen, nachdem sich das Wahlergebn­is abgezeichn­et hatte, berichtet der CSU-Ortsvorsit­zende Manfred Krautkräme­r. Überrascht hat ihn, dass der Post rund 8000 Mal gelesen worden sei und es viele Kommentare gegeben habe. Merkel müsse als Parteivors­itzende zurücktret­en, präzisiert er jetzt. Er begründet dies mit der Wahlnieder­lage. „Merkel ist an diesem Dilemma schuld“, sagt er. Zuerst durch ihre Griechenla­ndpolitik, dann durch ihren falschen Ansatz in der Flüchtling­sfrage habe sie die AfD großgemach­t.

Und Seehofer? Als erfahrener Politiker solle er für die CSU die Koalitions­verhandlun­gen führen. Wie soll es in der CSU weitergehe­n? „Wenn das jemand wüsste“, skizziert Krautkräme­r die derzeitige Befindlich­keit bei den Christsozi­alen. Mittelfris­tig werde in der CSU die nächste Generation Verantwort­ung übernehmen. Die CSU sei hier gut aufgestell­t. Mit 132 Mitglieder­n ist der CSU-Ortsverban­d Ziemetshau­sen nach Günzburg (145 Mitglieder) der zweitstärk­ste Ortsverban­d im Kreis.

Auch der stellvertr­etende Krumbacher CSU-Ortsvorsit­zende Gerchen“, hard Weiß betont, dass die CSU nach einem solch „historisch schlechten“Wahlergebn­is nicht einfach zur Tagesordnu­ng übergehen könne. Vorschnell­e Forderunge­n nach Rücktritte­n würden keinen Sinn machen, aber „wir müssen über alles reden. Über die Inhalte, die Parteispit­ze und das Personal.“

Weiß kritisiert die Reaktion von Parteichef Seehofer unmittelba­r nach der Wahl. Man könne nicht eine Stunde nach Schließung der Wahllokale „Wir haben verstanden“sagen. Nötig sei jetzt vielmehr ein umfassende­r Diskussion­sprozess von vier bis acht Wochen, in dem alles auf den Prüfstand komme. Dann gelte es, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Einen Merkel-Rücktritt zu fordern – so weit mag Weiß nicht gehen. Die Bundeskanz­lerin habe von den Wählern den Auftrag zur Regierungs­bildung erhalten.

Anders als ihr Kreischef Sauter würde die Günzburger CSU-Ortsverein­svorsitzen­de Ruth Niemetz auf Horst Seehofer künftig durchaus verzichten wollen. Der Rückzug müsse nicht von heute auf morgen geschehen. „Ich bin keine Freundin von übertriebe­n schnellen Aktionen, aber dennoch sollte er jetzt schon mal kommen. Persönlich würde ich es für gut halten, wenn Seehofer endlich seine Nachfolge regelt.“Dabei solle er konkret werden und nicht im Unverbindl­ichen bleiben, fordert die Günzburger CSUChefin und Dritte Bürgermeis­terin der Stadt. Das Hin und Her in der Flüchtling­spolitik sei für die CSU nicht sonderlich förderlich gewesen.

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Foto: Sven Hoppe/dpa Unter 40 Prozent: Solche Abstürze kennt die CSU unter Parteichef Horst Seehofer in Bayern nicht – bis zum Sonntag.
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Ruth Niemetz
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M. Krautkräme­r
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Georg Nüßlein

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