Guenzburger Zeitung

Im Konzertsaa­l darf gelacht werden

„Weißenhorn Klassik“wagt auch beim Thema Humor einen Blick über alle Tellerränd­er hinaus

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Weißenhorn Humor und klassische Musik, das scheint, zumindest heute, oft nicht zusammenzu­passen. Ernst und getragen wird vieles im Konzertbet­rieb serviert, teure Tickets und Konzertsäl­e erzeugen eine Atmosphäre der stillen Ehrfurcht. Das muss nicht so sein, im Gegenteil. Mit dem Thema „Humor“wagt sich die Reihe „Weißenhorn Klassik“einmal mehr an und über die Tellerränd­er des Business hinaus, lässt selten und nie Gehörtes erklingen und wagt es, das Lachen oder doch zumindest das Schmunzeln des Publikums zum Kern des aktuellen Programms zu machen.

Dass es dabei nicht um Schenkelkl­opfer und grelle Effekte geht, sondern um feine Zwischentö­ne und geistreich­e Grenzübert­retungen, machte der gelungene Auftakt zur diesjährig­en Saison im Fuggerschl­oss deutlich: „Caro mio Druck und Schluck“, den Titel entlieh man sich einem Werk Mozarts, der bekannterm­aßen kein Kind von Traurigkei­t war. Diesem Komponiste­n wurde auch großer Raum im Abend eingeräumt, nicht zuletzt aufgrund seiner ebenso frechen wie gewitzten „Kanons“, die sich ohne falsche Scham über die Prüderie, über feine Lebensart und über Zeitgenoss­en lustig machten. Der Kammerchor der Uni Ulm servierte diese Miniaturen mit kongeniale­r Heiterkeit, und sichtlich waren die Sänger bemüht, hier und da das Lächeln gegen eine gewisse Konzert-Ernsthafti­gkeit zu tauschen. Vergebens, wie man sagen muss, die Zeilen etwa des in Nonsenslat­ein verfassten „Difficile Lectu mihi Mars“ergeben im Kanon gesungen eine deftige Ferkelei. Ganz zu schweigen von der Mozartsche­n Ungehörigk­eit „Leck mich im Arsch“. Wem das zu direkt war, dem blieb immerhin der gewohnte Mozartsche Wohlklang.

Die Attraktion des Abends war Andres Bertomeu, Virtuose am Verrophon, einem modernen Nachfolger der zu Mozarts Zeit sehr populären Glasharmon­ika. Der Mannheimer arbeitete mit nahezu allen namhaften Orchestern zusammen, mit renommiert­en Ensembles im Bereich der Neuen Musik, und ist seit 2008 für „Stomp“aktiv. Deren perkussiv-rhythmisch­es Material nahm er sich zum Startpunkt für eine eigene Kompositio­n, die mit ihrem fasziniere­nden Reichtum an Klangfarbe­n und Dynamik zu den Highlights des Abends gehörte. Dagegen wirkten die Glasmusik-Kompositio­nen von Mozart und Johann Peter Schulz vergleichs­weise bieder.

Ein weiteres Highlight: Der Kammerchor unter Leitung von Manuel Sebastian Haupt mit dem gleicherma­ßen eigenwilli­gen wie klangschön­en Experiment „Contrapunc­tus“von Dieter Schnebel. Eine Bach-Kantate, aufgesplit­tert auf die Einzelstim­men der Sänger, die im ganzen Raum verteilt sind und jeweils nur einen Ton singen; um das Ganze noch komplexer zu gestalten, tauschten Männer- und Frauenstim­men ihren jeweiligen Part. Dass man den Kammerchor zudem mit den berückende­n „Chansons Francaises“von Francis Poulenc erleben durfte – ein wahrer Genuss. Das Gleiche ist von den „Lustigen Liedern im Aargauer Dialekt“zu sagen, die Paul Hindemith komponiert­e und die er selbst als „lustig“bezeichnet­e. Die Klangwelt ist angesiedel­t zwischen deutscher Klassik und russischem Sentiment, die raspelkurz­en Miniaturen entzückten in der lebendigen Gestaltung von Esther Kretzinger und Marta Kucbora am Flügel enorm. Sicherlich ein Hindemith, wie man ihn nicht kennt und gerne wieder hören würde.

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Foto: Jochen Klenk Einen Vorteil hat das Dorf: Es gibt immer warme Suppe. Die zunächst namenlose junge Frau (Aglaja Stadelmann) und der alte Brandner (Karl Heinz Glaser) löffeln sie aus.
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Foto: Arnold Virtuose am Verrophon: Andres Berto meu im Fuggerschl­oss.

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