Aktiv auf Asphalt
Im Sommer wie im Winter betreiben die Thannhauser Stockschützen ihren Sport. Unser Autor hat es ausprobiert und dabei auch von einem 83-Jährigen noch etwas lernen können
Thannhausen Der Name verwirrt. Auf einem Schild vor dem Vereinsheim prangen die Worte „Eisstockschützen Thannhausen 1972 e.V.“. Doch von Eis und Schnee ist an diesem Herbsttag auf dem Gelände im Süden Thannhausens nichts zu sehen. Stattdessen hört der Besucher schon von Weitem ein lang gezogenes Scharren, gefolgt von einem lauten „Klack“. Ein Blick hinter den Flachbau neben dem Mindelstadion verrät, woher die Geräusche kommen.
Gut 20 Meter lange Asphaltbahnen liegen dort, auf denen eine Gruppe von Männern ihre kegelförmigen Sportgeräte über den Boden schlittern lassen. Scharrend rutschen sie über den Asphalt und treffen („klack“) auf einen anderen Kegel. Willkommen bei den Thannhauser Stockschützen!
Es sieht einfach aus, was die Männer des ESC da auf die Bahn bringen. Zwei Mannschaften versuchen abwechselnd, die Stöcke möglichst nahe an die sogenannte Daube auf der anderen Seite der Bahn zu platzieren. Wer am nächsten dran ist, gewinnt. Klingt einfach. Der Hobbysportler kennt das Prinzip etwa vom Boccia im heimischen Garten. Aber weit gefehlt.
Wer den klobigen Stock zum ersten Mal in der Hand hält, merkt schnell, dass er wenig mit den leichten Boccia-Kugeln zu tun hat. Mehr als drei Kilogramm wiegt das Sportgerät. Und es gezielt ans andere Ende der Bahn zu bringen, ist alles andere als einfach. Fußstellung, Bahnmarkierung, Bewegungsablauf, Armschwung, es gibt vieles zu beachten.
Mein erster Versuch verhungert kläglich auf halbem Weg. Vereinsvorsitzender Bernd Pessinger weiß Rat. Mit wenigen Handgriffen wechselt er die sogenannte Laufsohle aus. Sie besteht aus Kunststoff und ist in verschiedenen Härtegraden verfügbar. Je härter die Sohle, desto besser gleitet der Stock und desto weniger Kraft braucht der Spieler. Genau das Richtige für einen Anfänger, der erst einmal lernen muss, unfallfrei geradeaus zu schießen. Bei den Laufsohlen liegt auch der Unterschied zwischen der Sommerund der Wintervariante des Sports. Wird in der kalten Jahreszeit auf Eis gespielt, kommen einfach Gummisohlen an den Stock. Mit ein paar wenigen Handgriffen sind Stiel und Stockkörper auseinandergeschraubt und genauso schnell ist die Sohle gewechselt.
Ist das Eis im Winter dick genug, gehen die Thannhauser auf dem Edelstetter Weiher ihrem Hobby nach. Einmal, berichtet Pessinger, hätte man versucht, die Bahn zu vereisen. „Die ganze Nacht hat unser Platzwart das Wasser verspritzt. Aber die viele Arbeit lohnt sich eigentlich nicht.“
Zurück zum Selbstversuch: Von den geschmeidigen, fließenden Bewegungen, mit denen etwa Sportwart Andreas Hörmann seinen Stock präzise und sogar in einer Kurvenflugbahn vorwärtsbringt, bin ich noch weit entfernt. Amüsiert kommentiert werden meine Bemühungen vom „Stammtisch“des ESC Thannhausen. Einige altgediente Mitglieder sitzen im Schatten des Vereinsheims auf einer Bierbank und sehen dem Treiben auf den Bahnen zu. Schließlich steht Max Schmid auf und kommt herüber, um mir den richtigen Wurf persönlich zeigen. Der 83-Jährige ist Gründungsmitglied des Vereins und hat nichts verlernt. „Weich aufsetzen und alles aus einer einzigen Bewegung heraus“, erklärt er und macht es gleich vor. Keine Frage, diesen Sport kann man auch noch im hohen Alter betreiben.
Doch will der Verein auf Dauer bestehen, braucht es Nachwuchs. Einige Jüngere gibt es noch im Verein, sie bilden die erste Mannschaft, die im Sommer in der Landesliga antritt. Eine Reserve gibt es noch, sie spielt in der Bezirksoberliga. Das war’s. „Vor sieben, acht Jahren hatten wir noch insgesamt zehn Mannschaften und an die 50 aktiven Mitglieder. Jetzt sind es nur noch 20. Dabei hat unser Sport doch den großen Vorteil, dass man ihn das ganze Jahr über draußen machen kann“, sagt Bernd Pessinger. Stefan Herold ist eines der verbliebenen aktiven Mitglieder. Der Vorsitzende der TSG Thannhausen ist seit zwei Jahren bei den Stockschützen dabei. Ein schöner Ausgleich zu seiner sonstigen Tätigkeit sei es, sagt der leidenschaftliche Tischtennisspieler. Und die Kameradschaft beim ESC sei groß. Tatsächlich wirken die alten Recken des ESC sehr vertraut miteinander. Unzählige Pokale in der holzvertäfelten Gaststube des Vereinsheims zeugen davon, was die Stockschützen schon alles zusammen erlebt haben.
Das Nachwuchsproblem, merkt Vorsitzender Pessinger an, hänge auch damit zusammen, dass Stockschießen kaum öffentliche Aufmerksamkeit bekomme. Andererseits sei es bei der Schwestersportart Curling, immerhin Disziplin bei olympischen Winterspielen, ähnzu lich. Für eine eigene Stockschützenausrüstung muss man zudem schon etwas tiefer in die Tasche greifen. Zwischen 350 und 400 Euro kostet ein neuer Stockkörper, den Stiel gibt es ab 50 Euro. Eine Sohle kostet 40 Euro aufwärts, wer den Stocksport mit etwas Ehrgeiz betreibt, holt sich gleich mehrere in verschiedenen Härtegraden. Und doch, mit ein wenig Übung macht das Stockschießen dann auch großen Spaß. Als ich zum ersten Mal mit einem lauten „Klack“einen anderen Stock treffe, gibt es auch von der Zuschauerbank anerkennendes Raunen.