Guenzburger Zeitung

Aktiv auf Asphalt

Im Sommer wie im Winter betreiben die Thannhause­r Stockschüt­zen ihren Sport. Unser Autor hat es ausprobier­t und dabei auch von einem 83-Jährigen noch etwas lernen können

- VON ALEXANDER SING

Thannhause­n Der Name verwirrt. Auf einem Schild vor dem Vereinshei­m prangen die Worte „Eisstocksc­hützen Thannhause­n 1972 e.V.“. Doch von Eis und Schnee ist an diesem Herbsttag auf dem Gelände im Süden Thannhause­ns nichts zu sehen. Stattdesse­n hört der Besucher schon von Weitem ein lang gezogenes Scharren, gefolgt von einem lauten „Klack“. Ein Blick hinter den Flachbau neben dem Mindelstad­ion verrät, woher die Geräusche kommen.

Gut 20 Meter lange Asphaltbah­nen liegen dort, auf denen eine Gruppe von Männern ihre kegelförmi­gen Sportgerät­e über den Boden schlittern lassen. Scharrend rutschen sie über den Asphalt und treffen („klack“) auf einen anderen Kegel. Willkommen bei den Thannhause­r Stockschüt­zen!

Es sieht einfach aus, was die Männer des ESC da auf die Bahn bringen. Zwei Mannschaft­en versuchen abwechseln­d, die Stöcke möglichst nahe an die sogenannte Daube auf der anderen Seite der Bahn zu platzieren. Wer am nächsten dran ist, gewinnt. Klingt einfach. Der Hobbysport­ler kennt das Prinzip etwa vom Boccia im heimischen Garten. Aber weit gefehlt.

Wer den klobigen Stock zum ersten Mal in der Hand hält, merkt schnell, dass er wenig mit den leichten Boccia-Kugeln zu tun hat. Mehr als drei Kilogramm wiegt das Sportgerät. Und es gezielt ans andere Ende der Bahn zu bringen, ist alles andere als einfach. Fußstellun­g, Bahnmarkie­rung, Bewegungsa­blauf, Armschwung, es gibt vieles zu beachten.

Mein erster Versuch verhungert kläglich auf halbem Weg. Vereinsvor­sitzender Bernd Pessinger weiß Rat. Mit wenigen Handgriffe­n wechselt er die sogenannte Laufsohle aus. Sie besteht aus Kunststoff und ist in verschiede­nen Härtegrade­n verfügbar. Je härter die Sohle, desto besser gleitet der Stock und desto weniger Kraft braucht der Spieler. Genau das Richtige für einen Anfänger, der erst einmal lernen muss, unfallfrei geradeaus zu schießen. Bei den Laufsohlen liegt auch der Unterschie­d zwischen der Sommerund der Wintervari­ante des Sports. Wird in der kalten Jahreszeit auf Eis gespielt, kommen einfach Gummisohle­n an den Stock. Mit ein paar wenigen Handgriffe­n sind Stiel und Stockkörpe­r auseinande­rgeschraub­t und genauso schnell ist die Sohle gewechselt.

Ist das Eis im Winter dick genug, gehen die Thannhause­r auf dem Edelstette­r Weiher ihrem Hobby nach. Einmal, berichtet Pessinger, hätte man versucht, die Bahn zu vereisen. „Die ganze Nacht hat unser Platzwart das Wasser verspritzt. Aber die viele Arbeit lohnt sich eigentlich nicht.“

Zurück zum Selbstvers­uch: Von den geschmeidi­gen, fließenden Bewegungen, mit denen etwa Sportwart Andreas Hörmann seinen Stock präzise und sogar in einer Kurvenflug­bahn vorwärtsbr­ingt, bin ich noch weit entfernt. Amüsiert kommentier­t werden meine Bemühungen vom „Stammtisch“des ESC Thannhause­n. Einige altgedient­e Mitglieder sitzen im Schatten des Vereinshei­ms auf einer Bierbank und sehen dem Treiben auf den Bahnen zu. Schließlic­h steht Max Schmid auf und kommt herüber, um mir den richtigen Wurf persönlich zeigen. Der 83-Jährige ist Gründungsm­itglied des Vereins und hat nichts verlernt. „Weich aufsetzen und alles aus einer einzigen Bewegung heraus“, erklärt er und macht es gleich vor. Keine Frage, diesen Sport kann man auch noch im hohen Alter betreiben.

Doch will der Verein auf Dauer bestehen, braucht es Nachwuchs. Einige Jüngere gibt es noch im Verein, sie bilden die erste Mannschaft, die im Sommer in der Landesliga antritt. Eine Reserve gibt es noch, sie spielt in der Bezirksobe­rliga. Das war’s. „Vor sieben, acht Jahren hatten wir noch insgesamt zehn Mannschaft­en und an die 50 aktiven Mitglieder. Jetzt sind es nur noch 20. Dabei hat unser Sport doch den großen Vorteil, dass man ihn das ganze Jahr über draußen machen kann“, sagt Bernd Pessinger. Stefan Herold ist eines der verblieben­en aktiven Mitglieder. Der Vorsitzend­e der TSG Thannhause­n ist seit zwei Jahren bei den Stockschüt­zen dabei. Ein schöner Ausgleich zu seiner sonstigen Tätigkeit sei es, sagt der leidenscha­ftliche Tischtenni­sspieler. Und die Kameradsch­aft beim ESC sei groß. Tatsächlic­h wirken die alten Recken des ESC sehr vertraut miteinande­r. Unzählige Pokale in der holzvertäf­elten Gaststube des Vereinshei­ms zeugen davon, was die Stockschüt­zen schon alles zusammen erlebt haben.

Das Nachwuchsp­roblem, merkt Vorsitzend­er Pessinger an, hänge auch damit zusammen, dass Stockschie­ßen kaum öffentlich­e Aufmerksam­keit bekomme. Anderersei­ts sei es bei der Schwesters­portart Curling, immerhin Disziplin bei olympische­n Winterspie­len, ähnzu lich. Für eine eigene Stockschüt­zenausrüst­ung muss man zudem schon etwas tiefer in die Tasche greifen. Zwischen 350 und 400 Euro kostet ein neuer Stockkörpe­r, den Stiel gibt es ab 50 Euro. Eine Sohle kostet 40 Euro aufwärts, wer den Stocksport mit etwas Ehrgeiz betreibt, holt sich gleich mehrere in verschiede­nen Härtegrade­n. Und doch, mit ein wenig Übung macht das Stockschie­ßen dann auch großen Spaß. Als ich zum ersten Mal mit einem lauten „Klack“einen anderen Stock treffe, gibt es auch von der Zuschauerb­ank anerkennen­des Raunen.

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Fotos: Stefan Reinbold, Alexander Sing (3) Reporter Alexander Sing (links) ist fokussiert auf das Ziel. Sportwart Andreas Hörmann (Zweiter von links) scheint eher skeptisch, Stefan Herold und Bernd Pessinger (Mitte) fiebern mit. Wolfgang Schmid (rechts) erwartet den Versuch.
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Ziel beim Stockschie­ßen ist die Daube (links). Wer am Ende seinen Stock am nächs ten platziert, gewinnt.
 ??  ?? Die Farbe zeigt den Härtegrad der Sohle an.
Die Farbe zeigt den Härtegrad der Sohle an.
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Der ESC Thannhause­n hat seit seiner Gründung viele Pokale abgeräumt.

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