Österreich geht gegen deutsche Pkw Maut vor
Werden Ausländer diskriminiert? Die Regierung in Wien zieht vor Gericht
Augsburg Der Konflikt um die PkwMaut geht in eine neue Runde. Obwohl die EU-Kommission die Pläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im Frühjahr bereits abgesegnet hat, will Österreich die umstrittene Abgabe mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof noch zu Fall bringen. Da mit ihr faktisch nur ausländische Autofahrer zur Kasse gebeten werden, sieht die Regierung in Wien den Grundsatz der Gleichberechtigung in der EU verletzt. „Deutsche zahlen nicht, weil sie Deutsche sind“, kritisiert der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried. „Österreicher zahlen, weil sie Österreicher sind.“Ähnlich argumentieren die Niederlande, die sich nach den Worten eines Regierungssprechers der Klage vermutlich anschließen.
Der verkehrspolitische Sprecher der Union, der Nördlinger Abgeordnete Ulrich Lange, wies die Kritik als „durchschaubares Wahlkampfmanöver“vor der Parlamentswahl am Sonntag in Österreich zurück. Sollte die Maut tatsächlich vor Gericht fallen, betonte der CSU-Europapolitiker Markus Ferber, „fallen andere Mautsysteme in Europa auch“. Deutschland habe mit der EU-Kommission einen fairen Kompromiss gefunden. Dobrindt hatte dazu unter anderem flexiblere Tarife für Kurzzeit-Vignetten und höhere Steuerrabatte für besonders abgasarme Autos zugesagt.
Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens wollen die Grünen die Pkw-Maut auch in den Gesprächen über eine so genannte Jamaika-Koalition mit der Union und der FDP noch einmal zum Thema machen. „Verantwortlich für dieses Desaster ist Alexander Dobrindt“, kritisierte der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter gegenüber unserer Zeitung. „Die Klage war erwartbar.“Ein Sprecher des Verkehrsministeriums dagegen betonte unter Berufung auf die Entscheidung der EUKommission: „Die Ausschreibungen für das Mautsystem laufen. Die Maut kommt.“Nach dem Prinzip „Wer nutzt, der zahlt – und keiner zahlt doppelt“werde mit ihr Gerechtigkeit auf deutschen Straßen geschaffen. Geplant ist die Einführung der Maut für das Jahr 2019.
Bisher hat die Bundesregierung gut zwölf Millionen Euro für Beraterhonorare, Gutachten und ähnliche Vorarbeiten ausgegeben. Mehrere Abgeordnete von Grünen und SPD plädieren deshalb dafür, die laufende Ausschreibung auszusetzen. Mit der Klage Österreichs müsse nun ein Stopp der weiteren Vorbereitungen für die Maut einhergehen, verlangte der SPD-Verkehrsexperte Martin Burkert gegenüber unserer Zeitung. „Sonst werden womöglich Millionen Steuergelder in den Sand gesetzt.“Neben dem Vorwurf der Diskriminierung, so Burkert weiter, stehe auch noch der Beweis der Wirtschaftlichkeit aus. Leidtragende der Pkw-Maut dürften vor allem die Grenzregionen sein. Damit erweise Dobrindt gerade Bayern „einen Bärendienst“.
Mit dem Streit um die Maut beschäftigt sich auch der Kommentar. Wie es jetzt weitergehen könnte, lesen Sie in der
Augsburg/Berlin Alexander Dobrindt war gewarnt. Am Mittwoch, erzählt Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried, habe er den Kollegen in Berlin angerufen und über die Klage gegen die deutsche Pkw-Maut informiert, die Österreich gestern beim Europäischen Gerichtshof eingereicht hat. Die Vorbereitungen für das Vorhaben laufen davon unbeeindruckt weiter.
Warum will sich Wien nicht mit der Maut abfinden? Die EU-Kommission hat sie nach einigen Korrekturen ja akzeptiert und ihr Verfahren gegen Deutschland eingestellt.
„Die deutsche Maut ist eine Ausländermaut“, sagt Leichtfried. Da faktisch alle Autofahrer von ihr befreit sind, deren Pkw in Deutschland zugelassen ist, handle es sich um eine „indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit“. Aus Wiener Sicht spricht im Prinzip nichts gegen eine Maut, schließlich verlangt Österreich auf seinen Straßen selbst eine ähnliche Abgabe. Dass sie in Deutschland aber nur Ausländer bezahlten, sei mit den Grundwerten der EU nicht vereinbar. Dobrindts Ministerium dagegen hält die Maut für rechtmäßig und beruft sich ausdrücklich auf die EU-Kommission. Die habe der Bundesregierung schließlich grünes Licht gegeben. Leichtfried wiederum hält das für eine Vorzugsbehandlung des größten EU-Landes. Die Kommission habe Deutschland zuliebe beide Augen fest zugedrückt. „Dabei riecht man zehn Meter gegen den Wind, dass hier diskriminiert wird.“In Deutschland sollen Pkw-Fahrer zwar formell die Maut bezahlen, sie bekommen ihr Geld über einen Nachlass bei der Kfz– steuer aber praktisch wieder zurück.
Im Moment laufen die Ausschreibungen für die Einführung der Pkw-Maut. Müssen sie jetzt gestoppt werden, bis der Europäische Gerichtshof entschieden hat?
Nein. Die Klage Österreichs hat keine aufschiebende Wirkung. Leichtfeld hofft jedoch, dass das Verfahren vor dem EuGH abgeschlossen ist, ehe die Maut in Deutschland starten soll – also Anfang 2019. Sicher ist das nicht: Der Europarechtler Walter Obwexer, der für die Regierung in Wien ein entsprechendes Gutachten verfasst hat, rechnet mit einem Urteil erst in den ersten Monaten des Jahres 2019. Bisher hat das Verkehrsministerium nach eigenen Angaben gut zwölf Millionen Euro für die Vorbereitung der Maut ausgegeben. Mit der Klage Österreichs, fordert der SPD-Verkehrsexperte Martin Burkert, müsse daher ein Stopp aller weiteren Vorbereitungen einhergehen. „Sonst werden womöglich Millionen Steuergelder in den Sand gesetzt.“Das bedeute auch, dass die laufenden Ausschreibungen ausgesetzt werden müssten.
Mit den Grünen und der FDP verhandeln nun zwei Parteien über eine Koalition mit der Union, die Dobrindts Maut bisher abgelehnt haben. Scheitert sie am Ende nicht an einer österreichischen Klage, sondern an deutschen Rivalitäten?
Vor den ersten Sondierungsgesprächen in der kommenden Woche halten sich alle Teilnehmer noch bedeckt. Ginge es um die Sache alleine, um den Aufwand, den Ertrag und die rechtlichen Probleme zum Beispiel, dann wäre die Maut schnell beerdigt – auch die CDU hat die Pläne der CSU ja nur halbherzig mitgetragen. Auf der anderen Seite wird Horst Seehofer darauf bestehen, dass einmal Verabredetes und bereits in Gesetze Gegossenes nicht wieder infrage gestellt wird. Würde Angela Merkel die Pkw-Maut jetzt zum Abschuss freigeben, wäre das auch ein Affront in Richtung der Schwesterpartei.