Wenn der Leitwolf schwächelt…
Bayerischer Machtkampf. Sucht Seehofer die offene Feldschlacht oder einen Abschied in Würde? So oder so geht die CSU schweren Zeiten entgegen
Vor drei Jahren hat der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Seehofer einen „geordneten GenerationenÜbergang“angekündigt. Er stand im Zenit seiner Macht und wollte als jener Regierungschef in die Geschichte eingehen, der aus freien Stücken loslässt und seine Nachfolge regelt. Nun ja, daraus ist nichts geworden – sei es, weil sich Seehofer letztlich für unentbehrlich hielt, sei es, weil er den Aufstieg seines Intimfeindes Söder partout verhindern wollte. Die Partei hat damals Seehofers Volte, bei der Landtagswahl 2018 noch einmal anzutreten, wohlwollend abgenickt – schließlich schien der populäre Mann für einen weiteren Sieg gut. Dann jedoch kam die Flüchtlingskrise und das Gemetzel um die „Obergrenze“. Seehofer keilte so heftig gegen die Kanzlerin, dass deren anschließen- de Kür zur Spitzenkandidatin zur Posse und zum Zeichen der Schwäche geriet. Und dann kam die Bundestagswahl mit jenem grandiosen Absturz, der Seehofers Führungsautorität im Nu pulverisierte.
Die CDU ist über die massiven Verluste, die in erster Linie Merkels Politik der offenen Grenzen und dem dadurch ausgelösten Vertrauensverlust geschuldet sind, locker hinweggegangen – man kann ja weiter die Kanzlerin stellen, wozu auch ein miserables Ergebnis reicht. Mehr als ein paar Sticheleien bekam die Wahlverliererin Merkel bisher nicht zu hören, obwohl sie die Niederlage schöngeredet und „keinen Fehler“(!) erkannt hat.
In der CSU hingegen ist seither Feuer unterm Dach und Seehofers Ruf, er könne die rechte AfD kleinhalten und die absolute Mehrheit in Bayern retten, arg ramponiert. Seine Rechnung, die Palastrevolte erst mal auszusitzen und Rückenfreiheit für die Koalitionsverhandlungen einzufordern, geht nicht auf. Zu groß ist die Angst vor dem Verlust der Alleinregierung in Bayern, als dass sich die von Söderianern geschürte Personaldebatte stoppen ließe. Und wie das so ist in der Politik: Kaum schwächelt der Leitwolf, beginnt die Hatz und geraten selbst Getreue ins Wanken. Machtkämpfe entfalten erfahrungsgemäß eine unberechenbare Dynamik. Noch scheut Söder den Frontalangriff, noch halten starke Bataillone zu Seehofer – es steht ja nirgendwo geschrieben, dass einer wie Söder in Berlin mehr herausholen und die Landtagswahl eher gewinnen kann. Aber man sieht nicht, wie sich Seehofer aus dieser Lage befreien und die Herrschaft über den Diskurs zurückgewinnen könnte. Ein brutaler Sturz Seehofers bekäme der CSU, wie der Fall Stoiber zeigte, allerdings ebenso schlecht wie eine quälend lange Hängepartie. Niemand weiß zur Stunde, ob Seehofer zur offenen Feldschlacht bereit ist. Strebt er hingegen nach einem Ab- schied in Würde, so wären die nach einem neuen Gesicht rufenden Truppen Söders gut beraten, Druck aus dem Kessel zu nehmen.
So oder so geht die Union schweren Zeiten entgegen. Angela Merkel, die den Höhepunkt ihrer Macht überschritten und ihre Partei trotzdem noch fest im Griff hat, macht keine Anstalten, das in ihrer Ära verblasste konservative Profil der Union wieder zu schärfen und so Stammwähler zurückzugewinnen. Sie flirtet auch mit der linken Mitte; die CSU will die Union MitteRechts verorten. Eine Lösung dieses strategischen Konflikts ist, erst recht in jamaikanischen Zeiten, nicht in Sicht. Und was passiert, wenn sich der Unionskompromiss zur Zuwanderung im Koalitionsvertrag nur partiell wiederfindet und die versprochene strikte Begrenzung der Zuwanderung ausbleibt? Dann ist nicht nur die Hoffnung dahin, AfD-Wähler rasch zurückzuholen. Dann gerät die CSU erst recht in Aufruhr – inklusive einer existenziellen Debatte darüber, ob die CSU „Jamaika“mitmacht oder sich von Merkels CDU abkoppelt.
In der CDU nur ein paar Sticheleien gegen Merkel