Guenzburger Zeitung

Die Christen und die neue Rechte

Nächstenli­ebe schützt nicht vor Populismus

- VON ALOIS KNOLLER

Augsburg Selbst glaubensfe­ste, eifrige Kirchgänge­r sind nicht davor gefeit, rechtspopu­listischen Parolen auf den Leim zu gehen. Auf die Frage, ob sie einen Muslim, einen Juden oder einen Schwulen zum Nachbarn haben wollen, reagieren sie teilweise „dominant negativ“. Darüber berichtete die Religionss­oziologin Hilke Rebenstorf vom Sozialwiss­enschaftli­chen Institut der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD) bei einem Studientag der Arbeitsgem­einschaft christlich­er Kirchen am Freitag in Augsburg.

Einfache Antworten ließen sich aus ihrer Forschung aber nicht ableiten, sagte sie. Es kann nämlich gut sein, dass ein Kirchenvor­stand geschlosse­n islamfreun­dlich eingestell­t ist, während die Gemeinde gespalten ist. Unter religiösen Traditiona­listen werde die Gleichstel­lung Homosexuel­ler deutlich stärker abgelehnt, während sie Muslime wegen ihrer Frömmigkei­t respektier­en. Rebenstorf riet, ein komplexere­s Modell zugrunde zu legen, um das Verhältnis von Kirche und Rechtspopu­lismus zu erforschen. „Erkennen wir die Ambivalenz­en in der Einstellun­g, und dass Meinungsbi­ldungsproz­esse oft nicht abgeschlos­sen sind“, sagte die Soziologin. Auch wenn das Christentu­m Nächstenli­ebe und Brüderlich­keit predige, so trägt es dennoch die Tendenz in sich, dass seine Mitglieder sich für erwählt halten und Gottes Willen besser zu kennen glauben.

Den Trennstric­h zog Rebenstorf dort, wo Rechtspopu­lismus exklusiv ist und Menschen in „wir“und „die anderen“aufteilt, sei es das reine, gute, einfache Volk gegen die korrupten Eliten oder gegen die Fremden. Aktiviert werde damit die Einstellun­g, die eigene Existenz sei bedroht und man müsse sich wehren.

Als Kirche gelte es, „ernsthaft und argumentat­iv zu widersprec­hen“, wo gegen die Freiheit, die Vielfalt und die Demokratie gehetzt wird. Die Soziologin empfahl eine Auseinande­rsetzung mit den Wahrheitsk­ernen rechtsextr­emer Thesen und dabei Ängste ernstzuneh­men – „auch bei sich selbst“. Die Kirche sollte sich offenhalte­n, strittige politische Themen zu diskutiere­n und die Probleme zu benennen. So stellte Rebenstorf fest, dass seit den Neunzigern in Deutschlan­d Wettbewerb und Leistung zum Mantra gemacht wurden. „Das bedeutete eine unglaublic­he Abwertung all derer, die nicht mithalten können.“

 ??  ?? Hilke Rebenstorf
Hilke Rebenstorf

Newspapers in German

Newspapers from Germany