„Jamaika kann eine Chance sein“
CSU-Vize Manfred Weber warnt vor einem internen Machtkampf und fordert seine Partei auf, offen zu sein für Veränderungen. Denn nur so könne die CSU Volkspartei bleiben
Herr Weber, in Ihrer Partei herrscht nach den massiven Stimmenverlusten bei der Bundestagswahl einige Unruhe. Der Kompromiss mit der CDU im Streit um eine Obergrenze bei der Zuwanderung wird an der Basis zwar mehrheitlich begrüßt, doch es gibt jede Menge Zweifel, wie viel davon in den Koalitionsverhandlungen mit FDP und Grünen übrig bleiben wird. Muss Parteichef Horst Seehofer in dieser Frage hart bleiben oder gibt es noch Spielraum?
Manfred Weber: Unsere Position ist glasklar: Wir wollen eine garantierte Begrenzung der Zuwanderung. Das hat die CSU gegenüber der CDU durchgesetzt, sogar mit einer festen Zahl. Und bei den anstehenden Koalitionsgesprächen werden wir genauso klar sein. Die CSU steht in der Flüchtlingspolitik für Humanität, aber alles mit Maß und Ziel. Das bedeutet mit festen Kontingenten, kontrollierten EU-Außengrenzen und einem konsequenten Kurs der Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern. Wir wollen eine europäische Lösung, weil nur so die Binnengrenzkontrollen mittelfristig wieder wegfallen und die Migrationsströme wirklich in den Griff bekommen werden können.
Einige in Ihrer Partei fordern vehement, die CSU müsse die „rechte Flanke“schließen. Sie dagegen sind immer dafür eingetreten, dass die CSU die ganze Breite einer Volkspartei abbilden müsse. Was ist aus Ihrer Sicht jetzt zu tun?
Weber: Die CSU ist und bleibt die Partei der Mitte und der demokratischen Rechten. Bei uns finden sich christliche und konservative Strömungen, genauso wie liberale und soziale. Ich kann nicht erkennen, dass unser CSU-Bayernplan zur Bundestagswahl irgendwo eine Schlagseite gehabt hätte. Die CSU darf die Rechtspopulisten niemals kopieren, dann würden wir uns verraten. Es geht jetzt um etwas anderes. Die Menschen haben uns teilweise nicht mehr geglaubt, dass wir unsere Positionen auch durchsetzen können. Die CSU muss deshalb wieder für Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit stehen. Und es dürfen nicht Umfragen entscheiden, was Politik tut, sondern die innere Haltung. Unsere Überzeugungen müssen uns leiten.
Wie sollte eine Jamaika-Koalition aussehen, damit die CSU mitmachen kann?
Weber: Ein Jamaika-Bündnis ist bestimmt keine Wunschkonstellation. Aber wir stehen, im Unterschied zur SPD, zu unserer Verantwortung, für Deutschland eine stabile Regierung zu bilden. Daraus sollten wir etwas Gutes machen. Begriffe wie links oder rechts stimmen nicht mehr so wie einst, was sich etwa an der Nähe von Linkspartei und AfD zeigt. Eindeutig ist aber die wachsende bürgerliche Orientierung in der Gesellschaft. Jamaika kann deshalb eine Chance sein, dass wir eine aufgeschlossene und moderne bürgerliche Agenda durchsetzen. Zum Beispiel bei der Umsetzung der Energiewende oder bei der Mobilität, Stichwort E-Autos. Gerade weil Grüne und FDP Klientelparteien sind, braucht Deutschland eine starke CSU nicht nur bei der inneren Sicherheit und Migration, sondern auch als Anwalt für die kleinen Leute im sozialen Bereich. Die CSU muss den Anspruch haben, diese mögliche Koalition zu prägen.
Denken Sie, dass ein solches Projekt in der CSU mehrheitsfähig ist?
Weber: Die Konservativen müssen an der Spitze des Fortschritts marschieren. Das sagte Franz Josef Strauß schon 1968. Ich habe Lust auf Neues. Wir können als CSU nur Volkspartei sein, wenn wir uns ständig verändern. Das zeigt sich beispielsweise an der wachsenden Stärke der CSU in den Städten und unter bayerischen Neubürgern. Wir müssen offen für Veränderungen sein, die Chancen nutzen, aber ohne unseren Kern aufzugeben. Eine Zustimmung der CSU wird davon abhängen, ob wir uns in einem möglichen Koalitionsvertrag wiederfinden. Ich rate jedenfalls dazu, nicht gleich zu Beginn der Gespräche alles zu zerreden, wie manche es in den beteiligten Parteien tun.
Wer mit Mandatsträgern Ihrer Partei spricht, erkennt schnell, dass es einige Spannungen gibt zwischen den Abgeordneten in Brüssel und Berlin auf der einen und in München auf der anderen Seite. Die Landtagsabgeordneten sind ein Jahr vor der Landtagswahl besonders nervös. Einige haben bereits öffentlich gefordert, Seehofer solle auf eine erneute Spitzenkandidatur in Bayern verzichten. Der erklärte Wunschkandidat ist Finanzminister Markus Söder. Ist das die Lösung? Weber: Die Landtagskollegen haben im Bundestagswahlkampf stark mitgearbeitet. Das ist gut, wir helfen uns gegenseitig. Wir werden nur dann Erfolg haben, wenn wir zusammenstehen – von den Kommunen bis nach Europa. Ich habe des- halb kein Verständnis, wenn jetzt einige mehr an sich selbst als an das Team denken. Alle sind jetzt wichtig, um die Menschen zu überzeugen. Wenn einer fehlt, sind wir schwächer. Wir wollen uns bei den Verhandlungen in Berlin durchsetzen, und dann müssen wir umgehend ein Zukunftsprogramm für Bayern auflegen. Die Landespolitik, die größte Stärke der CSU, muss wieder in den Mittelpunkt gerückt werden. Wir gewinnen, wenn die Leute spüren, dass wir das Ohr bei den Menschen haben und für unsere Heimat Bayern brennen.
Glauben Sie, dass sich ein Machtkampf auf Dauer vermeiden lässt? Weber: Noch mal, nicht die eigene Karriere ist wichtig, sondern unser Land. Und Personalfragen werden am Parteitag geklärt, so wie wir es im Parteivorstand vereinbart haben. Ein offener Machtkampf würde die CSU unwiderruflich beschädigen. An der Parteibasis fragen viele, wie ein Generationswechsel aussehen kann. Ich sage: Jetzt müssen alle zusammenstehen, kämpfen, um die Wahlen 2018 zu bestehen. Und danach bleibt genug Zeit, um über die Zukunftsaufstellung zu sprechen. Die ständigen inszenierten Attacken, wie jetzt aus München, sind jedenfalls Grundlage dafür, dass wir bei der Landtagswahl scheitern können. Das Team gewinnt, nicht das Ego.
Manfred Weber ist CSU Vize und Chef der EVP Fraktion (Europäische Volkspartei) im Europäi schen Parlament.