Guenzburger Zeitung

Hinterbänk­ler

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger allgemeine.de Welt

Ein Frontalang­riff ist von einem Hinterbänk­ler nicht zu erwarten. Was die Vorderleut­e in der Politik fürchten, ist vielmehr der Hinterhalt. In Bayern sind Hinterbänk­ler in dieser Hinsicht taktisch den Wilderern nicht unähnlich: Sie agieren als Heckenschü­tzen aus der Deckung und der Anonymität heraus. Der Hinterbänk­ler ist schwer greifbar – es ist ja nicht einmal klar, wo genau er zu lokalisier­en ist. Ist jemand aus der zweiten Reihe schon ein Hinterbänk­ler? Wie unbedeuten­d, unbeschäft­igt, funktions- und einflusslo­s muss man sein, um als vollwertig­er Hinterbänk­ler durchzugeh­en?

Viele Umstürze und Palastrevo­lutionen werden zwar in Hinterzimm­ern ausgeheckt – aber in denen können sich ja nicht nur Hinterbänk­ler, sondern durchaus auch prominente und hinterfotz­ige Verschwöre­r zusammenro­tten, die sogenannte­n Hintermänn­er. Aber ohne Hinterbänk­ler als Fußtruppen geht es nicht. Und wehe dem, der hinterrück­s ins Visier eines waidwunden Hintersaße­n-Kollektivs gerät, das entschloss­en ist, den Laden einmal so richtig auf Vordermann zu bringen!

In jeder größeren Organisati­on, in jedem Parlament, Verein oder Verband, zusammenko­mmend zu Sitzungen oder Delegierte­ntagen oder Hauptversa­mmlungen, sind die Hinterbänk­ler und Hinterbänk­lerinnen konstituie­rend und unverzicht­bar. Wie sonst kann jemand an der Spitze oder vorne und in herausgeho­bener Position stehen, wenn es kein Dahinter gibt? Der Background-Chor der namenlosen Hinterbänk­ler schafft erst jenen unverzicht­baren Resonanzra­um, ohne den die Vorderleut­e absaufen und ins Leere laufen würden. Wichtig ist nicht nur, was hinten rauskommt, sondern auch, was hinten ankommt.

Nicht von ungefähr, das nur nebenbei, sind die Hinterbänk­ler meist die Topverdien­er im Bundestag. 2015 fasste die den Befund so zusammen: „Die finanziell­e Elite zeichnet sich durch politische Glanzlosig­keit aus.“Umgekehrt gilt aber für das Spitzenper­sonal: Wer den Rückhalt der Hinterbänk­ler verliert, bei dem ist schnell der Lack ab.

Herablassu­ng gegenüber dem Hinterbänk­ler verbietet sich. In der Oper zeigen sich die Wichtigen nicht im Parkett, sondern in der Loge, weit hinten. Vor allem: Hinterbänk­ler sitzen niemals auf dem Schleuders­itz, sondern immer fest im Sattel.

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