Hinterbänkler
Ein Frontalangriff ist von einem Hinterbänkler nicht zu erwarten. Was die Vorderleute in der Politik fürchten, ist vielmehr der Hinterhalt. In Bayern sind Hinterbänkler in dieser Hinsicht taktisch den Wilderern nicht unähnlich: Sie agieren als Heckenschützen aus der Deckung und der Anonymität heraus. Der Hinterbänkler ist schwer greifbar – es ist ja nicht einmal klar, wo genau er zu lokalisieren ist. Ist jemand aus der zweiten Reihe schon ein Hinterbänkler? Wie unbedeutend, unbeschäftigt, funktions- und einflusslos muss man sein, um als vollwertiger Hinterbänkler durchzugehen?
Viele Umstürze und Palastrevolutionen werden zwar in Hinterzimmern ausgeheckt – aber in denen können sich ja nicht nur Hinterbänkler, sondern durchaus auch prominente und hinterfotzige Verschwörer zusammenrotten, die sogenannten Hintermänner. Aber ohne Hinterbänkler als Fußtruppen geht es nicht. Und wehe dem, der hinterrücks ins Visier eines waidwunden Hintersaßen-Kollektivs gerät, das entschlossen ist, den Laden einmal so richtig auf Vordermann zu bringen!
In jeder größeren Organisation, in jedem Parlament, Verein oder Verband, zusammenkommend zu Sitzungen oder Delegiertentagen oder Hauptversammlungen, sind die Hinterbänkler und Hinterbänklerinnen konstituierend und unverzichtbar. Wie sonst kann jemand an der Spitze oder vorne und in herausgehobener Position stehen, wenn es kein Dahinter gibt? Der Background-Chor der namenlosen Hinterbänkler schafft erst jenen unverzichtbaren Resonanzraum, ohne den die Vorderleute absaufen und ins Leere laufen würden. Wichtig ist nicht nur, was hinten rauskommt, sondern auch, was hinten ankommt.
Nicht von ungefähr, das nur nebenbei, sind die Hinterbänkler meist die Topverdiener im Bundestag. 2015 fasste die den Befund so zusammen: „Die finanzielle Elite zeichnet sich durch politische Glanzlosigkeit aus.“Umgekehrt gilt aber für das Spitzenpersonal: Wer den Rückhalt der Hinterbänkler verliert, bei dem ist schnell der Lack ab.
Herablassung gegenüber dem Hinterbänkler verbietet sich. In der Oper zeigen sich die Wichtigen nicht im Parkett, sondern in der Loge, weit hinten. Vor allem: Hinterbänkler sitzen niemals auf dem Schleudersitz, sondern immer fest im Sattel.