Guenzburger Zeitung

Würden Sie eine Robbe essen?

Ein kleines Restaurant in Toronto hat einen Proteststu­rm ausgelöst. Denn es bietet ein Tatar aus dem Fleisch der Säugetiere an. Der Streit darum nimmt immer größere Ausmaße an

- VON GERD BRAUNE

Toronto Chefkoch Joseph Shawana ist bekannt für seine traditione­lle Küche, die er im Restaurant „Kukum Kitchen“in Toronto anbietet. Es sind die Speisen der Ureinwohne­r Kanadas, die „jedem, der in unser Restaurant kommt, helfen, sich mit unserer Kultur, der indigenen Kultur, zu identifizi­eren“, sagt er.

Shawana bietet deshalb ein Tatar aus Robbenflei­sch, das einst Grundnahru­ngsmittel der indigenen Völker war, an. Und steht damit im Zentrum eines Proteststu­rms – Gegner der Robbenjagd machen gegen ihn, sein Restaurant und das Tatar auf seiner Speisekart­e mobil. Shawanas Unterstütz­er sehen in den Protesten einen Ausdruck von Respektlos­igkeit gegenüber der indige- nen Kultur – und halten die Diskussion­en für Heuchelei.

Joseph Shawana selbst zeigt sich im Gespräch mit unserer Zeitung gestern unnachgieb­ig: Das Tatar aus Robbenflei­sch bleibe auf der Speisekart­e, sagt er.

Der Streit hat in Kanada inzwischen eine neue Dimension erreicht. Auf eine Online-Petition, die gegen ihn gestartet wurde, folgte eine Gegen-Petition, die zur Solidaritä­t mit dem „Ku-kum Kitchen“aufruft. Beide Petitionen hatten gestern um die 5000 Unterstütz­er. Ein Ende des Streits ist nicht in Sicht.

Shawana hatte sein Restaurant, das maximal 30 Gästen Platz bietet, im Sommer eröffnet. „Ku-kum“ist ein Wort aus der Sprache der Cree, ein nordamerik­anisches Indianervo­lk. Es bedeutet „Großmutter“. Shawana, der zum Indianerst­amm der Wikwemikon­g zählt und in Ontario, einer Provinz im Südosten Kanadas, aufwuchs, lernte von seiner Großmutter das Kochen. Und so serviert er seinen Gästen Gerichte aus Mais, Bohnen und Kürbis, Kiefernnad­eln- und Zitronenso­rbet, Wildgerich­te wie Fasan oder Wapitihirs­ch – und eben Robbenflei­schTatar mit Bannock, einem Brot der Ureinwohne­r, und Wachtelei.

Anfang Oktober berichtete ein Gastronomi­emagazin darüber. Und schnell gab es die Petition, die von Shawana fordert, das Gericht von der Karte zu nehmen. Denn das Robbenflei­sch stamme nicht aus indigener, sondern aus kommerziel­ler Robbenjagd – und diese sei „gewalttäti­g, traumatisi­erend und unnötig“, kritisiert­e Jennifer Matos, Initiato- rin der Petition. Auf Internetse­iten wurde das Restaurant negativ bewertet.

Shawanas Unterstütz­er fürchten dagegen um Kultur und Traditione­n der Ureinwohne­r; Verteidige­r der Robbenjagd argumentie­ren, dass viele Menschen völlig bedenkenlo­s Kalbfleisc­h verzehrten – und nie einen Schlachtho­f besucht hätten. Shawana sagt, er habe sich seinen Robbenflei­sch-Lieferante­n sehr sorgfältig ausgesucht. Die Jagd auf Robben sei heute auch nicht mehr das, was sie vor einigen Jahrzehnte­n war – sie werde von den Behörden reguliert. Und: Das „Ku-kum“sei in den nächsten zwei Wochen ausgebucht. Robbenflei­sch ist übrigens sehr mager und soll einen ganz eigenen, intensiven Geschmack haben. Weder nach Fisch noch nach Huhn.

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Foto: imago Eine junge Sattelrobb­e. Die Tiere dürfen in Kanada gejagt werden – es gibt aber eine staatlich zugelassen­e Quote und strenge Auflagen.

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