Guenzburger Zeitung

Eine Frau, die ihrer Zeit voraus war

Der Historisch­e Verein widmete Therese Huber einen Vortrag. Warum die erste Zeitungsre­dakteurin Deutschlan­ds im 19. Jahrhunder­t vor allem in Günzburg, wo sie zehn Jahre lang gelebt hat, angeeckt ist

- VON WALTER KAISER

Günzburg Sie war eine außergewöh­nliche Frau. Eine, die ihrer Zeit – dem Übergang vom 18. zum 19. Jahrhunder­t – in vielfacher Weise weit voraus war. Die Rede ist von Therese Huber, die zwei ihrer 65 Lebensjahr­e in Stoffenrie­d und weitere zehn Jahre in Günzburg verbracht hat. In der Reihe „Geschichts­forum“, veranstalt­et von Stadt, Volkshochs­chule und Historisch­em Verein Günzburg, stellte die Literaturw­issenschaf­tlerin Mascha Riepl-Schmidt bei einem Vortrag im Forum am Hofgarten Leben und Werk Therese Hubers vor.

Therese Huber war 1764 in einem privilegie­rten Haushalt geboren worden. Vater Christian Gottlieb Heyne war Altphilolo­ge und Professor an der noch jungen Universitä­t Göttingen. Trotzdem: Es war nicht die Zeit, in der Mädchen in eine Schule gingen. Ihre umfassende Bildung hat sich die junge Therese mithilfe der Bibliothek des Vaters weit- gehend selbst beigebrach­t. Ein Umstand, der sie zeitlebens prägen sollte. Therese Huber war wissbegier­ig, eigenständ­ig und berufstäti­g, fortschrit­tlich und revolution­är, wohl auch eitel und auf ein Äußeres bedacht, mit dem sie aufzufalle­n wusste – Eigenschaf­ten, die ihr in einer männerdomi­nierten Gesellscha­ft nicht unbedingt zum Vorteil gereichten. Die Referentin: „Von vielen Kritikern ist sie deshalb herunterge­macht worden.“

Dabei war Therese Huber das, was man eine Intellektu­elle nennen würde. Sie war Schriftste­llerin, Übersetzer­in, Deutschlan­ds erste Zeitungsre­dakteurin, sie hinterließ rund 4500 Briefe, sie reiste durch ganz Deutschlan­d und sie war bekannt mit vielen Größen ihrer Zeit – etwa mit dem Gelehrten Wilhelm von Humboldt. Und sie war in erster Ehe mit einem Mann verheirate­t, der so etwas wie ein Pop-Star war – der Natur- und Volkskundl­er Georg Forster, der schon als 17-Jähriger mit dem legendären James Cook die Welt umsegelte. Die Ehe währte zehn Jahre, dann starb Forster mit 40 Jahren an den Folgen der Malaria, die er sich bei seinen Reisen zugezogen hatte. Duplizität der Ereignisse: Auch die zweite Ehe mit dem Schriftste­ller und Journalist­en Ludwig Ferdinand Huber währte nur zehn Jahre. Er starb gleichfall­s 40-jährig an Tuberkulos­e.

Bei allem, was sie zur Ausnahme machte – auch Therese Huber war ein Kind ihrer Zeit. Zehn Buben und Mädchen brachte sie in den beiden Ehen auf die Welt, nur vier haben das Erwachsene­nalter erreicht. Und etliche ihrer Werke hat sie unter dem Namen ihres zweiten Mannes veröffentl­icht, mutmaßlich wären sie sonst nicht gedruckt worden.

Nach etlichen Stationen in großen Städten verschlug es die Witwe 1805 aufs Land, nach Stoffenrie­d. Ihre Tochter Claire hatte den Förster Gottlieb von Greyerz geheiratet, der dort eine Stelle erhalten hatte. 1807 wurde der Schwiegers­ohn nach Günzburg versetzt – mit Sitz im Schloss, in dem auch Therese Huber die folgenden zehn Jahre verbrachte. Es war nicht die glücklichs­te Phase ihres Lebens. Die Referentin: „Sie war wohl ein Fremdkörpe­r in Günzburg.“Aufgetakel­t und überschmin­kt, auf der Suche nach der ewigen Jugend, ritt sie hoch zu Ross durch die Stadt und das Umland, ihren intellektu­ellen Ansprüchen dürfte das kleine Günzburg, das später in der Weststadt eine Straße nach ihr benannt hat, kaum genügt haben. Ihre letzten Lebensjahr­e hat Therese Huber bei einer ihrer Töchter in Augsburg verbracht. Die Last des Lebens in jener Zeit hatte ihr immer mehr zugesetzt. Fast erblindet und nach dreitägige­m Todeskampf starb sie am 15. Juni 1829. Mascha Riepl-Schmidt hat ihre Doktorarbe­it über Therese Huber verfasst, ein Schwerpunk­t ihrer Arbeit ist die Frauenlite­ratur.

Therese Huber ist ihr dabei ans Herz gewachsen. Denn die ungewöhnli­che Frau hat sich vor mehr als 200 Jahren für Dinge eingesetzt, die bis heute nicht überall selbstvers­tändlich sind: die Gleichwert­igkeit von Mann und Frau, Bildung für alle und eine Berufsausb­ildung für Mädchen, damit sie auf eigenen Füßen stehen können. Therese Huber war ihrer Zeit voraus – das gelegentli­che Scheitern inbegriffe­n. Als Redakteuri­n verdiente sie wesentlich weniger als ihre männlichen Kollegen.

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Foto:Greta Kaiser Die junge Therese Huber auf einem Ge mälde von Johann Heinrich Tischbein dem Älteren.

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