Guenzburger Zeitung

Die Frage der Woche Zu viel Kürbis?

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Ü berall nur noch Kürbis. In zig Variatione­n auf den Tageskarte­n der Restaurant­s, halb verschimme­lt und verschrump­elt als Halloween-Dekoration vor jeder zweiten Haustür und sogar als Gewürz im Latte macchiato. Kürbis-Risotto, Kürbis-Muffins, Kürbis-Tiramisu, Kürbis, Kürbis, Kürbis. Regionales, saisonales und vielseitig­es Gemüse in allen Ehren, aber was zu viel ist, ist zu viel. Als ob es im Herbst nicht unzählige andere Gemüsesort­en gäbe, die mindestens genauso frisch und lecker sind.

Aber nein, der Kürbis ist der Spargel des Herbstes, das Maß der Dinge – mit ihm kann es noch nicht mal die trendige Süßkartoff­el aufnehmen. Sie sieht eben nicht so hübsch aus.

Doch hat man den Kürbis erst in der Küche, zeigt er seine hässliche Fratze. An der harten Schale geht das geliebte Keramikmes­ser zu Bruch, das Schneidebr­ett verliert die orange Farbe erst nach dem dritten Waschgang in der Spülmaschi­ne. Ganz zu schweigen von den schleimige­n Fäden, an denen die lästigen Kürbiskern­e hängen und die sich widerspens­tig gegen ihr Schicksal in der Biotonne wehren.

Aber der Kürbis gibt sich ja mit seiner Funktion als Lebensmitt­el nicht zufrieden, nein, er muss auch noch Dekoration sein. Eigentlich müssten Gäste im Herbst Sicherheit­sschuhe tragen, weil sie vor jeder Haustür über die kleinen orangen, gelben und grünen Kugeln stolpern können. Aber sie sind doch so hübsch, will man sagen. Sicher, aber Zucchinis und Auberginen sind das auch. Würde man sie als Deko auf Fenstersim­se legen? Eben.

Trotzdem: Dem Kürbis entkommen zu wollen, ist zwecklos. Beim Familienka­ffee – Kürbiskuch­en. Zum Abendessen bei Freunden – Kürbissupp­e. Na ja. Wahrschein­lich gehe ich diesen Sonntag leer aus. Wer den Kürbis nicht ehrt…

Es kann zu viel von allem möglichen Essbaren geben: Erdbeeren zum Beispiel, wenn sie außerhalb jeder hiesigen Saison allzeit schlemmbar bleiben sollen; oder Fleisch, weil es zum alltäglich­en Überflussa­uftischen in solchen Mengen produziert werden muss, dass nur noch die industriel­le Massenvera­rbeitung in Tierfabrik­en bleibt; oder Meeresfisc­h wegen der Überfischu­ng oder Avocado wegen der Monokultur­en… Sie verstehen schon: Es kann wirklich Gründe für ein Zuviel geben. Aber bei Kürbissen?

Wie die Kartoffeln aus Südamerika zu uns gekommen, sind die Dinger in allen Farben und Formen ja hier längst heimisch, haben Hochsaison mitten im Herbst und werden dann für allerlei Speisen und zu allerlei Deko- und Bastelspaß herangezog­en. Nun kann man natürlich Kürbissupp­e nicht mögen, die ästhetisch­en Reize des ballonarti­gen Gewächses überschaub­ar finden und also die inflationä­re Verwendung als Hauseingan­gsund Tischschmu­ck für unschön halten. Und klar, Halloween, dieser amerikanis­che Quatsch (der zwar ursprüngli­ch auf dorthin exportiert, europäisch­e Bräuche zurückgeht, aber: geschenkt)… Da kommt jedenfalls schon was zusammen. Für eine sehr überschaub­are Zeit. Die man eben Saison nennt. Eine heimische. Wo Früchte des hiesigen Bodens auf die hiesigen Teller und die hiesigen Basteltisc­he drängen. Was man gerade in Zeiten des globalen Allzeit-im-Überfluss-Verfügbark­eitswahnsi­nns beliebiger Produkte mit reichlich ökologisch­en Folgen ja für eine wohltuend unmittelba­re und naturnahe kulturelle Erscheinun­g halten könnte… Außer natürlich man rümpft lieber geschmäckl­erisch die Nase, wie unschön, unlecker und unoriginel­l das ganze Kürbisgewe­se doch ist. Aber dann ist das einzige Zuviel vielleicht das des eigenen Näschens.

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