Lenin nimmt Anlauf. Oder: Vom Oktober im November
Im Westen zeigt sich die neue Weltmacht erstmals an der Front – und entblößt ihre ewige innere Gespaltenheit: Am 21. Oktober 1917 nämlich greifen US-Soldaten auf französischer Seite in die Kämpfe an der Mosel in Lothringen ein. Und am 26. Oktober brechen schwere Unruhen in einem Ausbildungslager für künftige Fronteinsätze aus, noch auf heimischem Boden, im Camp Mills in Long Island an der Ostküste. Hier treffen farbige Armeeangehörige aus New York auf Regimenter aus Alabama, ausschließlich mit weißen Soldaten besetzt. Ein Ende der Auseinandersetzungen kann erst erzwungen werden, als andere Einheiten das Lager umstellen…
Im Osten kündigt sich währenddessen der Beginn einer Weltrevolution an – was daraus wird, ist jedenfalls für die andere künftige Weltmacht der Umsturz. Seit 21. Oktober ist Lenin zurück in Petrograd, und bereits am 25. Oktober bricht auf sein Drängen hin die „Oktoberrevolution“los – aber dazwischen ist mehr Zeit, als es scheint. Denn der Revolutionstag ist eigentlich der 7. November, liegt bloß im noch in der Zeitrechnung des julianischen Kalenders zurückliegenden russischen Reich noch im Oktober. In jenen gregorianisch letzten Tagen des Vormonats also passierte Folgendes: Die Spannungen zwischen Trotzkis Bolschewiki und der Provisorischen Regierung nehmen so zu ( 20. Oktober), dass Kerenski und Co. beschließen, die Hauptstadt ins weniger revolutionär geprägte Moskau zu verlegen ( 21. Oktober). Nach Lenins Rückkehr findet am 23. Oktober der Zweite Allrussische Kongress statt – und in der Geheimsitzung des Zentralkomitees setzt der sich durch mit seinem Terminvorschlag des 25. Oktober (also 7. November). Das Geheimnis bleibt nicht lange eines, auch die Regierung Kerenski erfährt davon, riegelt die Innenstadt Petrograds ab, die Bolschewiki tauchen unter, bereiten sich vor… Im Februar 1918 werden sie, regierend, auch den russischen Kalender ins gregorianische Zeitalter führen.