Die sanfte Wasserkraft
Bayern ist das Land der Wasserkraft. Aber auch die ist nicht immer umweltfreundlich. Forscher arbeiten nun an einer verträglichen Alternative
Fast der ganze Strom, der in Bayern verbraucht wird, stammt aus Wasserkraftwerken. Rund 11900 Anlagen sind am Netz und machen das Land zu einem Pionier der Ökostrom-Gewinnung. Eine Vision für die Zukunft? Bayern im Jahr 2020? Nein, so war das einmal, Mitte der 1920er Jahre, als übrigens auch noch die Pfalz zu Bayern gehörte und bei dieser Statistik mitgezählt wurde. Zumindest Letzteres ist wohl endgültig Geschichte. Die Wasserkraft soll aber, wenn es nach der Bayerischen Staatsregierung geht, bis zum Jahr 2025 immerhin wieder ein Viertel zur Bruttostromerzeugung im Freistaat beitragen. Das schafft allerdings auch eine ganze Reihe von Umweltkonflikten.
Platz und Akzeptanz für neue Großprojekte gibt es kaum noch. Und schon heute haben die tiefen Eingriffe durch viele Staustufen, etwa im Lech, dazu geführt, dass der Fluss sich immer tiefer in sein Bett gräbt. Dadurch ändert sich der Charakter des Gewässers und viele Pflanzen und Tiere verschwinden. Forscher des Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg arbeiten darum an einer Alternative zu teuren und umweltschädlichen Kraftwerken: sanfte Wasser- kraft, wenn man so will. Die neue Technik macht sich den altbekannten Venturi-Effekt zunutze: Fließt eine Flüssigkeit durch ein Rohr, das in der Mitte verengt ist, entsteht an dieser Stelle ein Unterdruck. Bei einer sogenannten Venturi-Düse, sitzt an dieser Verengung im Rohr noch ein Zufluss. Strömt nun im Hauptrohr Wasser, werden durch den Unterdruck Flüssigkeiten oder Wasser aus dem Zufluss mit eingesaugt. Die Würzburger Forscher haben dieses Zuflussrohr mit einer hauchdünnen, extrem dehnbaren Folie aus Silikon verschlossen. Die Folie ist beidseitig mit einer elastischen leitfähigen Schicht sowie einer isolierenden Schutzschicht versehen und funktioniert als Ganzes wie ein Kondensator.
Mit dem durchströmenden Wasser entsteht ein Unterdruck, der die Elastomerfolie nach innen wölbt. Durch das Anlegen einer hohen elektrischen Spannung wird die Folie beim Dehnen geladen. Die höhere elektrische Energie wird über eine Schaltung quasi abgesaugt. Anschließend wird der Unterdruck durch das Öffnen eines Belüftungsventils ausgeglichen. Die Elastomerfolie ist wieder in ihrem Ausgangszustand, bereit für einen neuen Zyklus. Dieser Kreisprozess aus Spannung und Entspannung erfolgt ein Mal pro Sekunde. Der Clou dabei: Das Ventil ist selbststeuernd, es öffnet und schließt sich selbsttätig ohne den Einfluss von Elektronik und Strom. Die mechanische Bewegungsenergie des Wassers wird direkt in elektrische Energie umgewandelt.
Ein weiterer Vorteil dieser neuen Art von Kleinkraftwerken wäre, dass sie keine großen Wassertiefen voraussetzen. Die sogenannten Elastomergeneratoren eignen sich vor allem für kleine Flüsse. Sie funktionieren schon bei Fließgeschwindigkeiten ab 0,5 Meter pro Sekunde und bei Wassertiefen von einem halben Meter, so die Würzburger Forscher. „In Bayern gibt es kleinste Flüsse mit einer Gesamtlänge von 30 000 Kilometern, in denen sich unser von Wind und Sonne unabhängiges System optimal einsetzen ließe. Würden wir 1000 unserer Anlagen installieren, könnte eine Gesamtleistung von 876 MWh pro Jahr in das Netz eingespeist werden“, so Dr. Bernhard Brunner, der zuständige Projektleiter, in einer Mitteilung des Instituts. Auch Österreich und die Schweiz mit ihren kleinen Gebirgswasserläufen sowie Entwicklungsländer könnten von dem neuartigen mechanischen Anregungskonzept profitieren.
Schon heute sind die allermeisten der gut 4200 Wasserkraftwerke in Bayern Kleinstkraftwerke mit weniger als 100 kW Leistung. 80 Prozent aller Anlagen liefern nur drei Prozent der Strommenge. Meist sind sie in der Hand von kleinen oder mittleren Unternehmen. Nur zwei Prozent der Anlagen liefern im Gegensatz dazu rund zwei Drittel der Jahresarbeit. Diese gehören in der Regel den großen Energiekonzernen.
Die neuen Würzburger Elastomergeneratoren sind so ausgelegt, dass sie in flachen und kleinen Gewässern ohne Querbauwerke geräuschlos betrieben werden können. Interessant sind sie damit für dezentrale Stromversorgung etwa von Campingplätzen oder abgelegenen Siedlungen, die direkt an Fließgewässern liegen. Aber interessante Perspektiven gäbe es auch für Entwicklungsländer. Erste Freilandtests mit Prototypen laufen bislang an der Wern und der Tauber. Ziel ist es, 100 Watt pro Kraftwerk kontinuierlich zu erzeugen.
Interessant auch für Entwicklungsländer