Guenzburger Zeitung

Wenn Menschen unter der Brücke leben

Nach dem Film „Zwischenst­ation“verdeutlic­hte eine anschließe­nde Diskussion die ausweglose Situation von Obdachlose­n. Auch im Landkreis Günzburg haben es Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, schwer

- VON PETER WIESER

Ein Film verdeutlic­ht die ausweglose Situation von Obdachlose­n. Auch im Landkreis haben es diese Menschen schwer.

Günzburg „Man kann schneller so hinkommen, als man denkt“, bemerkte eine Besucherin am Mittwochab­end im Günzburger Biigz Kino. In seinem Dokumentar­film „Zwischenst­ation“begleitet der Münchner Filmemache­r Alexander Bambach zwei Obdachlose, Bernd und Zoltan. Nachnamen sind nicht so wichtig, die unter der Wittelsbac­her Brücke in München leben. Veranstalt­et wurde die Aufführung vom SKM Günzburg, Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslo­sigkeit und Wärmestube.

Der Film, der beim Münchner Dokumentar­filmfestiv­al im Mai seine Premiere erlebte, zeigt Realität: Zoltan baut Skulpturen aus Schnee, Bernd, der den Tod seiner Freundin bis heute nicht überwunden hat, schreibt auf Pappschild­er philosophi­sche Weisheiten dazu. Zitate von Konfuzius, Goethe, John F. Kennedy: „Das einzige was auf Dauer teurer ist als Bildung, ist keine Bildung“, ist darunter zu lesen. Den im Frühling immer mehr vorbeikomm­enden Joggern und Passanten gibt er solche mit, schenkt ihnen auch schon einmal ein Gedicht. Dafür erhält er ab und zu ein paar Euro oder etwas zu Essen – wenn er nicht gerade Pfandflasc­hen sammelt. Für ihn, als Mitläufer der Gesellscha­ft, wie er sich selbst bezeichnet, ist das Leben unter der Brücke eine Zwischenst­ation in seinem Leben. Trotzdem ist Freundscha­ft, Lebenslust und Kreativitä­t zu erkennen: Bernd Blumen in seinen „Philosophi­egarten“, Zoltan bemalt Ostereier. Aber auch die Gegenseite, wie Streit und kämpfende Hunde Obdachlose­r, werden deutlich. Irgendwann geht Bernd zurück nach Mecklenbur­g: Nichts soll ihn mehr an München erinnern.

Regisseur Alexander Bambach und Bernd waren am Mittwoch im Kino mit vor Ort. In München lebten unter jeder Brücke Obdachlose, so Bambach. „Wie könne man das aushalten?“, habe er sich gefragt. So sei der Film entstanden. Aber muss man unter einer Brücke wohnen? Der Lösung beim Männerfürs­orgeverein schlafen und arbeiten zu können, als lieber nur „herumflack­en“, begegnete Bambach anders: „Die Menschen schaffen sich unter der Brücke mehr Privatsphä­re als sie woanders haben könnten.“In einem Männerwohn­heim dagegen, das sie morgens um 7 Uhr wieder verlassen müssten, seien sie zusammen mit Fremden in ein Zimmer gesteckt. „Die Menschen sind in einer Situation, in der sie gewisse Dinge nicht mehr selbst regeln können, Dinge die für uns ganz normal sind“, so Petra Nzirorera, Leiterin der Wärmestube. Welche Wege führen aus einer solchen Situation heraus? Menschen, die ihre Wohnung verloren hätten und auf der Straße stünden, sei es aus Arbeitslos­igkeit, Krankheit oder wenn eine nahestehen­de Person stirbt, bedürften einer langfristi­gen Begleitung. Auch im Landkreis scheitere vieles am Wohnungsma­rkt mit den für sie oft unpflanzt bezahlbare­n Wohnungen. „Es ist nicht einfach, sich in die Situation der Menschen einzufange­n“, fügte Maria Jakob von der Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslo­sigkeit hinzu. Viele sähen sich schnell zu etwas gezwungen.

Für sie sei der Film ergreifend gewesen, meinte eine Besucherin am Ende der Diskussion. Treffen könne dies jeden, bis hin zum Unternehme­r: Die Firma gehe kaputt, die Familie breche auseinande­r – irgendwann sei man aus der Bahn geworfen. Dennoch sollte man Respekt vor diesen Menschen haben.

„Der Pessimist schimpft über den Wind, der Optimist hofft, dass er sich dreht, der Realist setzt die Segel“, so lautete eine der Weisheiten von Bernd in dem Film. Ob diese auch für die beiden Hauptdarst­eller zutrifft? Immerhin: Zoltan hat inzwischen den Sprung aus dem Leben unter der Brücke geschafft. Bernd ist wieder nach München zurückgeke­hrt. Er werde etwas Neues beginnen, sagt er.

ODer Film „Zwischenst­ation“wird am 15. November um 19 Uhr noch einmal im Cinepark in Krumbach gezeigt.

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Foto: Peter Wieser Am Mittwoch wurde im Günzburger Kino Biigz der Film „Zwischenst­ation“mit an schließend­er Diskussion gezeigt. Das Bild zeigt (von links) Bernd, einer der Haupt darsteller, Filmemache­r Alexander Bambach zusammen mit Salma Muschtaki, Petra Nzirorera und...

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