Guenzburger Zeitung

Lieber Raben als Helikopter

Jan-Uwe Rogge erklärt witzig, ironisch und bissig, wie das mit dem Elternsein richtig gut klappen könnte – und wie besser nicht

- VON WALTER KAISER

Günzburg Als Eltern haben Raben einen schlechten Ruf. Zu Unrecht. Denn die sprichwört­lichen „Rabenelter­n“kümmern sich fürsorglic­h und relativ lange um ihren Nachwuchs. Und sie beherrsche­n eine Kunst, die vielen Müttern und Vätern abgeht – den Spagat zwischen loslassen und Halt geben. Auch wenn es manchmal schwerfäll­t: Erziehung habe sehr viel mit Lachen und Humor zu tun, versichert der Erziehungs­berater Jan-Uwe Rogge bei seinem Vortrag „Warum Raben die besseren Eltern sind“in Günzburg. Er ist das beste Beispiel dieser These. Witzig, ironisch und bisweilen bissig spricht Rogge vor den rund 200 Besuchern im Panoramasa­al der Volksbank – fast ausschließ­lich Frauen – Klartext. Die Zuhörer haben viel über das Gelingen und Scheitern von Erziehung gelernt und sich dabei noch köstlich amüsiert.

Der Vortrag in der Reihe Lesart von Buchhandlu­ng Hutter, Volkshochs­chule und Volksbank-Raiffeisen­bank biete eine Art „Erziehungs­kabarett“, hatte Vhs-Leiterin Petra Demmel bei ihrer Begrüßung angekündig­t. Sie hatte nicht zu viel versproche­n. Dabei ist Rogge alles andere als ein Witzbold. Er ist vielmehr einer der renommiert­esten deutschen Erziehungs­berater, gibt Seminare, hält Vorträge und hat mehr als 30 Bücher verfasst.

Raben können fliegen. Sogenannte Helikopter-Eltern, die ständig behütend und ihnen alles abnehmend über ihren Kindern kreisen, sind sie nicht. Raben lassen ihren Jungen Freiräume. Anders etwa als jene Mütter, die am Spielplatz ihre Kleinen überwachen. Die „beste Freundin“der Kinder wollen sie eigentlich sein, „in Wahrheit sind sie eine Ansammlung von bissigen Hyänen“sagt Rogge. „Ich hoffe, die Zeitung schreibt das“.

Erziehung habe nichts mit Ziehen zu tun. Auch nicht mit vorfertigt­en Zielen. „Bei Erziehung weiß man nie, was dabei herauskomm­t“. Vielmehr habe Erziehung „mit in Beziehung treten und der Begleitung ins Leben“zu tun. Loslassen und Halt geben gleicherma­ßen. Scheitern inbegriffe­n. „Denn kein Kind funktionie­rt immer so, wie Sie sich das vorstellen“. Grenzen zu setzen und über Fehlverhal­ten zu reden, das sei das eine. Dabei mit „Bitte, bitte“um Gehör zu winseln oder mit Versatzstü­cken wie „Ich will doch nur dein Bestes“oder „Ich sag’s dir im Guten“zu kommen, sei fehlgeleit­et. Rogge: „Kinder sind auf jeden pädagogisc­hen Schwachsin­n vorbereite­t“.

Besser sei es, auch mal „starke Gefühle zu zeigen und notfalls auszuflipp­en“. Kindern sei Klarheit sehr wohl zu vermitteln, aber nur dann, „wenn sie sich im Verhältnis zu den Eltern sicher“seien. „Stehen Sie zu Ihrem Kind, auch wenn es nicht immer das tut, was Sie wollen“. Auch dann, wenn das Kind nicht den angebliche­n Normen einer „ständig diagnostiz­ierenden und vergleiche­nden“Umgebung entspricht. Habe eine gute Freundin Erziehungs­tipps parat – „trennen Sie sich von ihr. Vertrauen Sie auf Ihren Bauch und Ihre Gefühle, seien Sie authentisc­h“. Eltern haben Stärken und Schwächen, Ecken und Kanten, die Kinder halt auch. „Lassen Sie sie so, wie sie sind. Nicht so, wie Sie sie gerne hätten“. Manche im Saal fühlten sich dabei wohl an den Satz ihrer Eltern erinnert: „Ich wünsche Dir mal ein Kind, wie Du es bist“.

Viel zu wenig beachtet werde, dass Kinder von Kindern lernen – im Hort, im Kindergart­en und in der Schule. „Und sie lernen dort Freunde kennen, die sie mit ihren Eltern nie kennenlern­en würden“. Dabei kommt es auch zwangsläuf­ig zum wichtigen Regelverst­oß. Etwa, wenn das Dinkelbröt­chen gegen die Milchschni­tte getauscht wird. Die Kleinen werden es überleben.

Rogge zitierte mehrmals den Schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi. Der gab Eltern schon an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhunder­t den guten Rat, mindestens dreimal am Tag zu lachen. Einmal über sich selbst, einmal über das Kind und einmal gemeinsam. Denn, auch das sagte Pestalozzi: „Die schlimmste Strafe für Kinder sind Eltern, die nicht lachen“.

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Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Erziehung hat nichts mit Ziehen zu tun – wie es besser funktionie­rt, hat Erziehungs­berater und Autor Jan Uwe Rogge humorvoll bei seinem Vortrag „Warum Raben die bes seren Eltern sind“in Günzburg erklärt.
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Foto: Greta Kaiser Erziehungs Nachhilfe mit einer großen Portion Humor: Autor Jan Uwe Rogge bei seinem Vortrag.

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