Der Hufschmied auf dem Brauereiwagen
Karl Barth aus Tiefenbach bei Illertissen kommt regelmäßig zu den Leonhardiritten nach Roßhaupten und Ichenhausen. Wie es dazu kam und was ihm dabei wichtig ist
Tiefenbach Was die Leonhardiritte im Landkreis betrifft, hat sich Karl Barth aus Tiefenbach bei Illertissen zwei Termine stets fest vorgemerkt, und das seit Jahren: Den Leonhardiritt in Rosshaupten, der am Sonntag stattfindet, und den in Ichenhausen am 5. November. Seit fast zehn Jahren ist er mit seinem Brauereigespann bei beiden Veranstaltungen nicht mehr wegzudenken. Obwohl das nicht ganz richtig ist: Ihm gehört zwar der Wagen, Pferde hat er jedoch keine mehr. Seine Brauereiwagen ziehen Gespanne aus der näheren Umgebung – zumeist schwere Kaltblüter, so wie es sich gehört. Gelenkt wird das Gespann von den Pferdebesitzern und dass die Tiere dabei das schönste Geschirr tragen, versteht sich von selbst. Karl Barth selbst sitzt dann, sozusagen als Beifahrer, auf dem Kutschbock.
Wie kommt man dazu, sich einen Brauereiwagen anzuschaffen? „Man sieht auf keinem Umzug einen schönen Bierwagen“, sagt der Hufschmied, der inzwischen in Ruhestand ist. Damit mag er sicherlich nicht ganz unrecht haben, sieht man einmal von den prächtigen Gespannen beim Münchner Oktoberfest ab. In kleineren Städten und auf dem Land sieht man ein solches tatsäch- lich so gut wie gar nicht mehr. Ist es vielleicht die Freude, aber auch die Liebe zum Erhalt des Brauchtums? Das werde es wohl sein, meint Barth und nickt.
Der Wagen, vielmehr das handgeschmiedete Untergestell, hat übrigens eine ganz besondere Geschichte. Er stammt, wie könnte es anders sein, aus München, und damit nicht nur aus der bayerischen Landeshauptstadt, sondern auch der Stadt der großen Brauereien. Seine Funktion war seinerzeit in den 60erund 70er-Jahren jedoch eine andere: Beladen mit schweren Gewichten, wurden die Zugpferde der Münchner Brauereien davor gespannt und unter der Belastung beim Ziehen auf Lungenerkrankungen untersucht. Zu damaligen Zeiten haben alle sechs Münchner Großbrauereien noch ihre eigenen Pferde besessen – belgische Kaltblüter oder französische Percherons, Pferde die zum Ziehen geeignet sind. Teilweise hätten sie über bis zu zehn Gespanne verfügt, erzählt der 71-Jährige weiter. Nachdem das Gefährt durch Laufbänder ersetzt worden sei und eigentlich nur noch nutzlos herumstand, habe er es für einen kleinen Obolus erwerben können. Die Fässer aus Eichenholz kamen später. Karl Barth konnte sie von einer Brauerei aus Königsbronn bei Hei- denheim erwerben und hat sie komplett restauriert und passend, so wie ein Brauereiwagen beladen ist, festgeschweißt. Die Frage nach den Gurten zur Sicherung, weswegen er schon mehrmals von der Polizei angehalten worden ist, habe sich dadurch erübrigt, sagt der 71-Jährige schmunzelnd.
Immerhin: Mit 2,2 Tonnen bringt der Wagen ein sattes Gewicht auf die Waage. Die Kurbelbremse wurde durch Scheibenbremsen ersetzt und auf die Radreifen wurde ein Gummibelag aufvulkanisiert. Eisenräder könnten auf nassem Kopfsteinpflaster das Gespann schnell ins Rutschen bringen, so läuft es so gut wie lautlos und die Pferde werden nicht unruhig.
„Karle, du spinnsch’ doch. Dein Brauereiwagen kommt doch nie zum Einsatz“, hätten seine Freunde immer wieder gesagt. Mittlerweile ist sein Wagen um die 15-mal jedes Jahr im Einsatz. Dass er im vergangenen Jahr beim Bezirksmusikfest in Krumbach oder heuer auf dem Historischen Fest in Burgau mit dabei war, versteht sich von selbst. Ob die Brauerei in Autenried, in Memmingen, in Leutkirch oder in Härtsfeld – die Brauereischilder können mit einigen Handgriffen ausgewechselt worden. So kann in wenigen Augenblicken aus dem Gespann der Brauerei in Gruibingen ganz schnell eines der Bürgerbräu Berlin werden.
Berlin? Karl Barth lacht: Ja, auch in Berlin, bei der „Grünen Woche“sei er schon mal mitgefahren. Doch das habe sich mehr oder weniger zufällig so ergeben. Und was die Gage betrifft, da werde man sich schon immer einig.
Und wie ist das dann mit dem Bier? „Ein Bierwagen ohne Freibier, das geht gar nicht“, fügt er hinzu. Wenn in den Fässern auf dem Wagen schon keines drin sei, dann müsse wenigstens ein kleines oder mehrere solche mitgeführt werden. Klar, die Besucher sollen ja auch etwas davon haben. Lediglich das Anstechen sei Glücksache, vor allem, wenn ein etwas weniger Geübter sich dem annehme: Durch das auf dem Wagen unruhig gewordene Bier, sei so mancher schon nass gespritzt worden.
Worauf Karl Barth ganz besonderen Wert legt, ist die Bekleidung derer die auf dem Kutschbock sitzen – er selbst natürlich inbegriffen: möglichst in gleicher Tracht, am besten in Kutschertracht mit Lederhose und Stiefeln. Und vor allem: Ein Bierkutscher fährt niemals ohne Hut. Denn: Ein Kutscher ohne Hut, das wäre in etwa so, wie ein Brauereigespann ohne Freibier.