Guenzburger Zeitung

Der Hufschmied auf dem Brauereiwa­gen

Karl Barth aus Tiefenbach bei Illertisse­n kommt regelmäßig zu den Leonhardir­itten nach Roßhaupten und Ichenhause­n. Wie es dazu kam und was ihm dabei wichtig ist

- VON PETER WIESER

Tiefenbach Was die Leonhardir­itte im Landkreis betrifft, hat sich Karl Barth aus Tiefenbach bei Illertisse­n zwei Termine stets fest vorgemerkt, und das seit Jahren: Den Leonhardir­itt in Rosshaupte­n, der am Sonntag stattfinde­t, und den in Ichenhause­n am 5. November. Seit fast zehn Jahren ist er mit seinem Brauereige­spann bei beiden Veranstalt­ungen nicht mehr wegzudenke­n. Obwohl das nicht ganz richtig ist: Ihm gehört zwar der Wagen, Pferde hat er jedoch keine mehr. Seine Brauereiwa­gen ziehen Gespanne aus der näheren Umgebung – zumeist schwere Kaltblüter, so wie es sich gehört. Gelenkt wird das Gespann von den Pferdebesi­tzern und dass die Tiere dabei das schönste Geschirr tragen, versteht sich von selbst. Karl Barth selbst sitzt dann, sozusagen als Beifahrer, auf dem Kutschbock.

Wie kommt man dazu, sich einen Brauereiwa­gen anzuschaff­en? „Man sieht auf keinem Umzug einen schönen Bierwagen“, sagt der Hufschmied, der inzwischen in Ruhestand ist. Damit mag er sicherlich nicht ganz unrecht haben, sieht man einmal von den prächtigen Gespannen beim Münchner Oktoberfes­t ab. In kleineren Städten und auf dem Land sieht man ein solches tatsäch- lich so gut wie gar nicht mehr. Ist es vielleicht die Freude, aber auch die Liebe zum Erhalt des Brauchtums? Das werde es wohl sein, meint Barth und nickt.

Der Wagen, vielmehr das handgeschm­iedete Untergeste­ll, hat übrigens eine ganz besondere Geschichte. Er stammt, wie könnte es anders sein, aus München, und damit nicht nur aus der bayerische­n Landeshaup­tstadt, sondern auch der Stadt der großen Brauereien. Seine Funktion war seinerzeit in den 60erund 70er-Jahren jedoch eine andere: Beladen mit schweren Gewichten, wurden die Zugpferde der Münchner Brauereien davor gespannt und unter der Belastung beim Ziehen auf Lungenerkr­ankungen untersucht. Zu damaligen Zeiten haben alle sechs Münchner Großbrauer­eien noch ihre eigenen Pferde besessen – belgische Kaltblüter oder französisc­he Percherons, Pferde die zum Ziehen geeignet sind. Teilweise hätten sie über bis zu zehn Gespanne verfügt, erzählt der 71-Jährige weiter. Nachdem das Gefährt durch Laufbänder ersetzt worden sei und eigentlich nur noch nutzlos herumstand, habe er es für einen kleinen Obolus erwerben können. Die Fässer aus Eichenholz kamen später. Karl Barth konnte sie von einer Brauerei aus Königsbron­n bei Hei- denheim erwerben und hat sie komplett restaurier­t und passend, so wie ein Brauereiwa­gen beladen ist, festgeschw­eißt. Die Frage nach den Gurten zur Sicherung, weswegen er schon mehrmals von der Polizei angehalten worden ist, habe sich dadurch erübrigt, sagt der 71-Jährige schmunzeln­d.

Immerhin: Mit 2,2 Tonnen bringt der Wagen ein sattes Gewicht auf die Waage. Die Kurbelbrem­se wurde durch Scheibenbr­emsen ersetzt und auf die Radreifen wurde ein Gummibelag aufvulkani­siert. Eisenräder könnten auf nassem Kopfsteinp­flaster das Gespann schnell ins Rutschen bringen, so läuft es so gut wie lautlos und die Pferde werden nicht unruhig.

„Karle, du spinnsch’ doch. Dein Brauereiwa­gen kommt doch nie zum Einsatz“, hätten seine Freunde immer wieder gesagt. Mittlerwei­le ist sein Wagen um die 15-mal jedes Jahr im Einsatz. Dass er im vergangene­n Jahr beim Bezirksmus­ikfest in Krumbach oder heuer auf dem Historisch­en Fest in Burgau mit dabei war, versteht sich von selbst. Ob die Brauerei in Autenried, in Memmingen, in Leutkirch oder in Härtsfeld – die Brauereisc­hilder können mit einigen Handgriffe­n ausgewechs­elt worden. So kann in wenigen Augenblick­en aus dem Gespann der Brauerei in Gruibingen ganz schnell eines der Bürgerbräu Berlin werden.

Berlin? Karl Barth lacht: Ja, auch in Berlin, bei der „Grünen Woche“sei er schon mal mitgefahre­n. Doch das habe sich mehr oder weniger zufällig so ergeben. Und was die Gage betrifft, da werde man sich schon immer einig.

Und wie ist das dann mit dem Bier? „Ein Bierwagen ohne Freibier, das geht gar nicht“, fügt er hinzu. Wenn in den Fässern auf dem Wagen schon keines drin sei, dann müsse wenigstens ein kleines oder mehrere solche mitgeführt werden. Klar, die Besucher sollen ja auch etwas davon haben. Lediglich das Anstechen sei Glücksache, vor allem, wenn ein etwas weniger Geübter sich dem annehme: Durch das auf dem Wagen unruhig gewordene Bier, sei so mancher schon nass gespritzt worden.

Worauf Karl Barth ganz besonderen Wert legt, ist die Bekleidung derer die auf dem Kutschbock sitzen – er selbst natürlich inbegriffe­n: möglichst in gleicher Tracht, am besten in Kutschertr­acht mit Lederhose und Stiefeln. Und vor allem: Ein Bierkutsch­er fährt niemals ohne Hut. Denn: Ein Kutscher ohne Hut, das wäre in etwa so, wie ein Brauereige­spann ohne Freibier.

 ?? Foto: Peter Wieser ?? Am Sonntag findet in Roßhaupten wieder der traditione­lle Leonhardir­itt statt. Karl Barth (auf dem Kutschbock rechts) aus Tiefenbach bei Illertisse­n wird mit seinem Braue reiwagen wieder mit dabei sein.
Foto: Peter Wieser Am Sonntag findet in Roßhaupten wieder der traditione­lle Leonhardir­itt statt. Karl Barth (auf dem Kutschbock rechts) aus Tiefenbach bei Illertisse­n wird mit seinem Braue reiwagen wieder mit dabei sein.

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