Guenzburger Zeitung

„Sport ist die beste Integratio­n“

Abdullah und Mohammad Cheikh Ahmad sind aus Syrien geflohen und fanden ihre neue sportliche Heimat in Gundremmin­gen. Ein Gespräch über Trainingsf­leiß und Zukunftspl­äne

- Interview: Alois Thoma

Wenn man die vergangene und die laufende Saison verfolgt hat, dann drängt sich der Eindruck auf, dass sie auf Anhieb bei der SpVgg Gundremmin­gen eingeschla­gen haben. Ist das so? Abdullah und Mohammad: Ja, wir fühlen uns beide wohl in der Mannschaft und es macht uns stolz, dem Team so helfen zu können. Wir haben auch viele Freunde hier gefunden, mit denen wir auch außerhalb des Platzes Spaß haben.

Sie beide haben schon längst Spitznamen bei den Gundremmin­ger Fußballern bekommen: „Mo“und „Abu“. Hören Sie das gerne?

Abdullah und Mohammad: Ja, das ist gut, weil es einfach und kurz auszusprec­hen ist und hilft uns so vor allem auch auf dem Platz weiter.

Abdullah, Sie haben in der laufenden Saison in neun Spielen schon 13 Tore geschossen und stehen in der Torjägerli­ste der A-Klasse West 2 auf Platz zwei. Wie viele sollen es denn werden bis zum Saisonende?

Abdullah: Am besten natürlich so viel wie möglich. Wichtiger ist aber, dass ich meinen Stammplatz im Sturm behalte, weil ich gute Konkurrenz im Sturm habe und in den ersten Spielen wegen einer Schulterve­rletzung nicht so oft zum Einsatz gekommen bin. Da war ich nicht ganz so glücklich, denn ich will immer spielen. Aber wenn es so weiterläuf­t, könnten es schon so 25 Tore werden.

Wie charakteri­siert auf fußballeri­scher Basis Abdullah seinen Bruder Mohammad und umgekehrt? Mohammad: Abu ist ein guter und schneller Spieler. Aber er könnte fleißiger sein und öfter in das Training kommen und seine Chancenaus­wertung war oft nicht so gut. Trotzdem hat er einen Torriecher und weiß, wo der Ball hinkommt. Abdullah: Mo ist ein sehr fleißiger und disziplini­erter Spieler, der sich immer in den Dienst der Mannschaft stellt. Er ist in jedem Training und hat in der Mannschaft eine zentrale und wichtige Position. Er hat viel Erfahrung und hilft den anderen. Ich fühle mich immer gut, wenn er zusammen mit mir auf dem Platz steht und mir gute Tipps gibt. Er war in Syrien ein sehr bekannter und beliebter Fußballer. Ich denke, wäre er vor zehn Jahren bereits nach Deutschlan­d gekommen, hätte er es vielleicht sogar in die oberen Ligen schaffen können.

Sie sind beide aus Syrien geflüchtet. Was waren die Gründe? Mohammad: Natürlich hatte ich we- gen des Krieges Angst. Aber der Hauptgrund war, dass der Staat mich zum Kriegsdien­st gezwungen hat. Eines Tages im Sommer 2015 wurde ich um neun Uhr in der Früh beim Training mit der Beach-Soccer-Nationalma­nnnschaft von der Polizei abgeholt und zum Militär gebracht. Als mir dann mal 24 Stunden Ausgang genehmigt wurden, bin ich geflüchtet. Zuerst ohne meine Frau, ganz alleine, zu meinem Bruder Abu in die Türkei. Abdullah: Ich habe bereits 2011 das Land in Richtung Türkei verlassen, weil ich damals zum Grundwehrd­ienst eingezogen werden sollte. In der Türkei habe ich vier Jahre in einer Hüttensied­lung mit anderen Syrern gelebt. Dort habe ich dann auch meine jetzige Frau kennengele­rnt, auch eine Syrerin, die damals geflüchtet ist.

Sie haben in ihrer Heimat doch sicherlich auch Fußball gespielt. Wie ist Ihre dortige Liga im Vergleich zur A-Klasse einzuordne­n?

Abdullah: Ich habe in Syrien nur in der Jugend Fußball gespielt, aber das war damals die höchste Jugendliga im Land.

Mohammad: Ich habe in der ersten Liga in Lattakia gespielt und zugleich in der Beach-Soccer-Nationalma­nnschaft. Ich denke die erste Liga in Syrien, liegt so zwischen Zweiter und Dritter Bundesliga. Die Highlights waren die Reisen mit der Beach-Soccer-Nationalma­nnschaft, hier sind wir in ganz Asien herumgekom­men und haben die Teilnahme zur WM ganz knapp verpasst.

War für Sie Fußball die beste Art der Integratio­n?

Mohammad: Natürlich, ich denke Sport ist die beste Möglichkei­t für Integratio­n. Und durch die Kameradsch­aft in der Mannschaft fällt einem natürlich vieles leichter. Zudem nimmt man so automatisc­h auch etwas am Dorfleben teil.

Abdullah: Ja, wir waren letztes Jahr auch beim Vereinsaus­flug dabei und sind auf das Maibaumfes­t und das Oktoberfes­t in Gundremmin­gen gegangen.

Haben Sie Chancen, dauerhaft in Deutschlan­d bleiben zu können? Mohammad: Es sieht ganz gut aus. Denn wir können nicht zurück, da droht uns Gefängnis oder Todesstraf­e.

Besteht im Hinterkopf der Gedanke, eines Tages doch einmal in die alte Heimat zurückzuke­hren? Mohammad: Wenn der Krieg zu Ende ist und wir dort nicht mehr verfolgt werden, möchte ich mit meiner Familie wieder zurück. Es ist einfach meine Heimat, auch wenn es mir in Deutschlan­d gut gefällt. Ich will beim Neuaufbau meines Landes dabei sein, denn ich bin Maurermeis­ter und kann helfen.

Abdullah: Ich möchte hier bleiben. Ich bin ja bereits seit 2011 weg von Syrien und vom Staat damals sehr enttäuscht worden. Ich vermisse natürlich meine Eltern, Verwandte und Freunde und würde sie gerne bald wieder sehen und ihnen meine zwei Kinder zeigen. Aber nur zu Besuch, bleiben möchte ich dort nicht mehr.

OZur Person Abdullah (25) und Mo hammad (32) Cheikh Ahmad kamen im Sommer 2015 über die Balkanrout­e nach Deutschlan­d. Über Bubesheim gelangten sie nach Gundremmin­gen. Die dortige SpVgg hatte kaum Spieler. Auch dank der Syrer steht sie aktuell auf Platz zwei der Tabelle in der A Klasse.

 ?? Foto: Verein ?? Nicht nur auf dem Platz, auch in Lederhosen machen die Brüder Mohammad (links) und Abdullah (rechts) Cheikh Ahmad eine gute Figur. Sehr zur Freude von Abtei lungsleite­r Markus Biberacher.
Foto: Verein Nicht nur auf dem Platz, auch in Lederhosen machen die Brüder Mohammad (links) und Abdullah (rechts) Cheikh Ahmad eine gute Figur. Sehr zur Freude von Abtei lungsleite­r Markus Biberacher.
 ?? Foto: Cheikh Ahmad ?? Mohammad (hinten, Vierter von links) mit der syrischen Beach Soccer National mannschaft bei der WM Qualifikat­ion 2012 in China.
Foto: Cheikh Ahmad Mohammad (hinten, Vierter von links) mit der syrischen Beach Soccer National mannschaft bei der WM Qualifikat­ion 2012 in China.

Newspapers in German

Newspapers from Germany