Guenzburger Zeitung

Die Bäcker stecken in einer Krise

Die Bäckerei Gaisbauer in Ichenhause­n öffnet am Freitag zum letzten Mal. Warum auch der Traditions­betrieb Kraus in Burtenbach Ende des Jahres schließen will und eine ganze Sparte mit Problemen kämpft

- VON HEIKE SCHREIBER

Die Bäckerei Gaisbauer in Ichenhause­n schließt am Freitag, eine weitere Ende des Jahres. Die Sparte hat große Probleme.

Ichenhause­n/Burtenbach Nicht einmal zwei Jahre wären es noch gewesen, dann hätte Werner Gaisbauer großes Jubiläum feiern können: 30 Jahre lang hätte er seine Bäckerei und Konditorei in Ichenhause­n geleitet. Aber soweit kommt es nicht. Gaisbauer, 61 Jahre alt, hat vor ein paar Tagen „spontan“und für Kunden und auch Mitarbeite­r ziemlich überrasche­nd beschlosse­n: Am kommenden Freitag wird er zum letzten Mal Brezen und Brote backen, danach schließt er seinen Betrieb für immer. In seine Fußstapfen will niemand treten. „Wieder ein Traditions­bäcker, der wegfällt“, bedauert Günther Weindl, Obermeiste­r der Bäckerinnu­ng GünzburgKr­umbach. Womit die ganze Sparte zu kämpfen hat: „Wir haben ganz klar Nachwuchsp­robleme.“

Seinen drei Kindern hat es Werner Gaisbauer vollkommen freigestel­lt, was sie einmal werden wollen. Dass sich alle gegen das Backhandwe­rk und für ein Studium entschiede­n haben, nimmt er ihnen nicht übel. Dass er aber unter den Fachleuten keinen potenziell­en Nachfolger findet, wurmt ihn schon. „Keiner ist heute mehr bereit, zu schwitzen und sich anzustreng­en, jeder denkt nur an die eigene Freizeit.“

Auf die musste Gaisbauer in den vergangene­n Jahren weitestgeh­end verzichten. 1989 hat er den Betrieb vom Vater übernommen, seitdem stand er bis zu 70 Stunden in der Woche in der Backstube, 365 Tage im Jahr. Geschätzte 1800 normale Semmeln hat er pro Tag gebacken, nicht zu vergessen vier bis fünf Sahnetorte­n, ähnlich viele Obst- und Cremetorte­n. An den letzten Urlaub kann er sich kaum noch erinnern, 20 Jahre liege er mindestens zurück. „Wir haben uns nie etwas gegönnt“, gibt Gaisbauer zu. Er und seine Frau Hannelore hätten enormen Nachholbed­arf. „Meine Frau ist besonders froh, dass ich aufhöre“, sagt der 61-Jährige. Langweilig werde es ihm jetzt ganz sicher nicht.

Ans Aufhören habe er schon länger gedacht, schließlic­h wollte er nicht irgendwann aus seinem Laden „herausgetr­agen“werden. Trotz- kam seine Entscheidu­ng sehr überrasche­nd für alle. Auch für die Rehaklinik und die Schulen, die Gaisbauer im Wechsel mit der Bäckerei Kieble beliefert hat. Bürgermeis­ter Robert Strobel versuchte den künftigen Rentner noch umzustimme­n, doch ohne Erfolg. Strobel bedauert dies sehr, Ichenhause­n verliere nicht nur ein wichtiges Geschäft für die Nahversorg­ung, sondern einen „perfekten Tortenmach­er“. Insgeheim hofft der Rathausche­f noch, dass sich zumindest ein Käufer für das Objekt findet.

Dem Obermeiste­r tut es um jeden Bäcker leid, den er verliert

Obermeiste­r Günther Weindl, der selbst eine Bäckerei in Großkötz hat, hat die Nachricht persönlich sehr getroffen und fassungslo­s gemacht. Ihm tue es um jeden Bäcker leid, den er verliere. In den vergangene­n fünf bis zehn Jahren sind das schon einige im Landkreis Günzburg gewesen, circa 30 Traditions­bäcker sind noch geblieben. Die ganze Sparte tue sich leider furchtbar schwer, Nachwuchs zu finden. Er weiß aus Erfahrung, dass es oft schon an motivierte­n Mitarbeite­rn im Verkauf mangelt. Wie soll man dann jemanden finden, der einen ganzen Betrieb stemmt? Positive Beispiele gibt es zum Glück noch: Weindl zufolge wird die Bäckerei von Thomas Seif in Kötz wohl irgendwann dessen Sohn übernehmen. Auch Weindl selbst ist in der glückliche­n Lage, dass sein Sohn ambitionie­rt ist und sich auf die Konditoren­sparte spezialisi­ert.

Der Obermeiste­r macht aber noch ein ganz anderes gesellscha­ftlichtes Problem für das Aussterben seiner Branche verantwort­lich: „Das Bewusstsei­n bei den Menschen hat sich geändert. Viele Leute sparen an Grundsache­n.“Doch den Bäckern gehe es wohl wie den Tante Emma-Läden: Erst wenn es sie nicht mehr gebe, wüssten die Verbrauche­r, was sie an ihnen hatten. Weindl sagt klipp und klar: „Ich kann den Trend nicht aufhalten, wir werden in Zukunft wohl noch einige Betriebe verlieren.“

Der Nächste, der aufhört, ist Johann Kraus in Burtenbach. In dritdem ter Generation hat der 59-Jährige, der zudem stellvertr­etender Obermeiste­r der Bäckerinnu­ng ist, den Betrieb geführt. Jetzt hätten Investitio­nen im Bereich von 400000 Euro angestande­n, „das hätte ich nie wieder reingeholt“, sagt Kraus. Die Entscheidu­ng sei ihm nicht leicht gefallen. Doch nachdem sich seine drei Kinder beruflich anders orientiert hatten und er keinen Nachfolger, dafür einen Investor fand, habe er die Gelegenhei­t beim Schopf ergriffen. Der zahle auch einen vernünftig­en Preis. An Silvester wird Johann Kraus zum letzten Mal seinen Laden öffnen. Die zwei Filialen in Burgau sowie je eine Zweigstell­e in Röfingen und Thannhause­n sollen aber weiter bestehen bleiben, die Verhandlun­gen laufen noch. Die 40 Mitarbeite­r habe er zum Glück weiterverm­itteln können.

Burtenbach­s Bürgermeis­ter Roland Kempfle bezeichnet es als „herben Schlag“. Nicht nur ein Traditions­bäcker gehe verloren, in den Sternen steht auch, wo die im Betrieb integriert­e Poststelle künftig untergebra­cht wird.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Am Freitagabe­nd ist es vorbei mit den Torten: Werner Gaisbauer macht seine Bäckerei in Ichenhause­n zu. Ende des Jahres geht auch Johann Kraus in Rente. Nach 40 Jahren Tätigkeit im Bäckerhand­werk schließt er sei nen Betrieb in Burtenbach. Nachfolger...
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