Guenzburger Zeitung

Vom Sterben der Insekten und warum das uns alle angeht

Schlechte Aussichten?

- Foto: Imago

Der etwas täppische Willi rief gerne mal: „Maaajaaa, wo bist du?!“Gut möglich, dass ihm bald niemand mehr antwortet. Denn jenseits des Bilderbuch- oder Zeichentri­ck-Idylls rund um die Biene Maja und ihre Freunde vollzieht sich derzeit ein stilles Sterben, wie auf Panorama nachzulese­n ist. Dort erklärt ein Experte die möglichen Ursachen für den Rückgang der Insekten, zum Beispiel den teilweise überflüssi­gen Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n, um die es – im Fall von Glyphosat – auch in der Wirtschaft geht. Anlass also, die Fühler hängen zu lassen? Der Fachmann sagt Nein und gibt Tipps, was sogar jeder Gartenbesi­tzer gegen das Insektenst­erben tun kann. Dass jedenfalls etwas getan werden muss und dies in unser aller Interesse ist, erklärt Matthias Zimmermann im Leitartike­l auf

Eine Hummel muss alle 40 Minuten etwas fressen, sonst verhungert sie. Dafür interessie­ren sich Insektenfo­rscher.

So gut wie alle großen Tomatenzuc­htbetriebe der Welt lassen ihre Pflanzen von gezüchtete­n Hummelvölk­ern bestäuben. Bevor die Hummelzuch­t gelang, war die Bestäubung meist Handarbeit – und entspreche­nd teurer. Dafür interessie­ren sich Unternehme­r.

Geschätzte 150 Milliarden Euro ist die Arbeit aller bestäubend­en Insekten für die Landwirtsc­haft weltweit wert – tendenziel­l sogar eher mehr, da dieser Wert eines internatio­nalen Forscherte­ams schon aus dem Jahr 2005 stammt. Ohne Insekten würde die Produktion der meisten Obst- und Gemüsesort­en einbrechen. Unser Essen würde viel teurer. Gar nicht berücksich­tigt ist bei dieser Rechnung die Rolle der Insekten als Schädlings­vertilger und Futterquel­le für andere Tierarten wie Vögel, Frösche, Eidechsen oder Säugetiere. Ohne Insekten geht’s dem Menschen schlecht. Dafür sollten wir alle uns interessie­ren.

Für Experten waren die Ergebnisse der jüngst veröffentl­ichten Studie zum Verschwind­en der Insekten in Deutschlan­d wenig überrasche­nd. Schon seit Jahren warnen sie vor dieser Entwicklun­g. Das große Sterben in der Tier- und Pflanzenwe­lt ist längst nicht nur auf Insekten beschränkt. Jeden Tag verschwind­en bis zu 130 Tier- und Pflanzenar­ten von der Erde. Die Lage ist dramatisch. Die Reaktion der Weltgemein­schaft schwankt zwischen Lippenbeke­nntnissen und echtem Bemühen, allein: Die Ergebnisse sind mager.

Die jüngste Veröffentl­ichung hat in der breiten deutschen Öffentlich­keit deshalb so große Wirkung gezeigt, weil bei vielen Menschen das Gefühl gewachsen ist, dass wir unsere Wirtschaft­sweise so auf Dauer nicht aufrechter­halten können. Dass genau jetzt in Brüssel das Endspiel über die weitere Zulassung des höchst umstritten­en Pflanzengi­fts Glyphosat läuft, passt in dieses Bild. Und es führt uns – im wahrsten Sinne des Wortes – auf das richtige Feld. Über die Hälfte der Landesfläc­he in Deutschlan­d wird landwirtsc­haftlich genutzt. In Bayern ist es mit rund 47 Prozent nur unwesentli­ch weniger. Das heißt zweierlei: Die Landwirtsc­haft ist sicher nicht allein dafür verantwort­lich, wie es um unsere Umwelt steht. Aber ohne die Landwirtsc­haft ist keine Besserung der Lage möglich. Leider dreht sich die Debatte darüber seit Jahren im Kreis.

Landwirte sind Unternehme­r, die unsere Lebensmitt­el in einem harten Wettbewerb produziere­n und mit vielen unvorherse­hbaren Störfaktor­en klarkommen müssen. Das oft eher romantisch­e Bild, das die Verbrauche­r von der Landwirtsc­haft haben, hat sich längst entkoppelt von dieser Realität. Mit der Folge, dass die Verbrauche­r zwar hohe Ansprüche an die Landwirtsc­haft stellen – wenn es aber darum geht, diese in persönlich­e Kaufentsch­eidungen umzusetzen, es lieber doch nicht so genau wissen wollen, wie das Schnitzel erzeugt wurde.

Der Bauernverb­and dagegen hofft, wenn man die Augen nur fest genug zudrückt, könnte man immer so weitermach­en wie bisher. Mittelfris­tig schadet diese Haltung vor allem den kleineren und familiär geführten Betrieben, die zu Recht darauf hinweisen, dass ihr Land die Lebensgrun­dlage ihrer Betriebe ist, die sie unversehrt an ihre Nachfolger weiterreic­hen möchten.

Die Lösung liegt wohl, wie so oft, beim Geld. Kein anderer Wirtschaft­sbereich lebt so stark von Steuergeld. Die Bauern müssen nach draußen gehen und erklären, wie sie arbeiten. Die Politik muss die Rahmenbedi­ngungen so setzen, dass die Landwirtsc­haft nachhaltig­er wirtschaft­en kann und muss. Und wir alle müssen bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen.

Unsere Entrüstung ist groß – aber wir handeln nicht danach

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