Guenzburger Zeitung

Insolvenz ist Mist

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Wenn Opposition Mist ist, wie der frühere SPD-Chef Franz Münteferin­g einmal gesagt hat, ist Insolvenz Riesen-Mist. Unter einer Pleite leiden am meisten Beschäftig­te, die erfahren, dass sie im Gegensatz zu einem Teil ihrer Kollegen nicht weiterbesc­häftigt werden. Dann kommen bohrend-quälende Fragen auf: Warum behält der Kollege seinen Job und ich nicht? Bin ich schlechter als er? Wie bringe ich das meinem Partner und meinen Kindern bei?

Eine Insolvenz unterzieht die Psyche einem Härtetest. Nach der Pleite des Augsburger Versandhän­dlers Weltbild saßen Mitarbeite­r, die nicht Platz in der neuen Firma fanden, nach Bekanntgab­e der Nachricht wie ein Häufchen Elend vor dem Firmensitz. Aus Frust tranken manche Alkohol. Eine Frau sagte: „Ich muss doch meine Kinder versorgen.“Und bis heute haben sich erniedrige­nde Szenen bei Augsburger­n ins Gedächtnis eingebrann­t, nachdem der Druckmasch­inenherste­ller Manroland pleite war. Sie mussten in eine Halle gehen, um – einer nach dem anderen – zu erfahren, ob er noch gebraucht wird oder gehen kann. Viele fühlten sich zu Recht wie Vieh behandelt.

So grausam kann Wirtschaft sein. Insolvenz macht traurig. Das versteht jeder, der Fotos von wütenden und frustriert­en Air-Berlin-Beschäftig­ten sieht, welche nicht zu den Auserwählt­en gehören, die bei der Lufthansa Aufnahme finden. Tausende müssen darum bangen, zumindest in einer Auffangges­ellschaft für neue Job-Chancen trainieren zu können. Das ist entwürdige­nd, denn auf der anderen Seite soll der erst im Februar von Lufthansa gekommene Air-Berlin-Chef Winkelmann bis zu 4,5 Millionen einstreich­en. Insolvenz ist nicht nur Mist, sondern auch ungerecht.

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