Guenzburger Zeitung

Die Milch Rebellen aus Oberbayern

Die Molkerei Berchtesga­dener Land setzt schon lange auf Nachhaltig­keit. Jetzt positionie­rt sie sich klar gegen das Pflanzengi­ft Glyphosat – als erstes Milchwerk in Deutschlan­d

- Aufgrund des Feiertages am kommenden Mittwoch veröffentl­ichen wir die nächste Notierung in unse rer Ausgabe vom 09.11.2017. VON SARAH SCHIERACK

Augsburg l AZ l Nach Angaben der an der Preisfests­tellung beteiligte­n Heizölhänd­ler wurden am Mittwoch, 25. Oktober, in Augsburg folgende Bruttoprei­se (inkl. MwSt.) in ¤ erzielt (rechte Spalte Vorwo chenpreise):

-

Liter

- ab 400 ab 800 ab 1500 ab 2500 ab 3500 ab 5500 ab 7500

9500–

11 500 Preise in ¤ je 100 Liter

69,69–85,59 (78,52–86,19) 63,02–71,70 (68,76–72,29) 60,46–65,56 (63,82–66,15) 59,38–63,74 (59,98–64,33) 58,16–62,27 (58,75–62,87) 57,04–61,43 (57,64–62,02) 56,53–60,73 (57,12–61,32)

56,22–59,46 (56,82–60,06) Augsburg Vor zwei Jahren hat Bernhard Pointner schon einmal für Aufsehen gesorgt. Die Milchkrise schwelte, der Milchpreis fiel zum Teil unter 30 Cent, viele Landwirte mussten ihren Hof aufgeben. In dieser dramatisch­en Zeit tat Pointner etwas ganz und gar Ungewöhnli­ches: Er zahlte seinen Milchbauer­n nicht weniger Geld als die übrigen Molkereien, sondern mehr.

38 Cent pro Liter bekamen die Landwirte damals von der Molkerei Berchtesga­dener Land, die ihren Sitz im oberbayeri­schen Piding hat und deren Geschäftsf­ührer der 41Jahre alte Pointner ist. Kein Betrieb im Land zahlte mehr – und der Chef der Genossensc­haft war plötzlich ein gefragter Gesprächsp­artner. Wenn seine Bauern Spitzenmil­ch liefern sollen, sagte Pointner damals in einem Interview, dann „müssen wir ihnen auch den Preis bezahlen, mit dem sie wirtschaft­en können“. So einfach, so nachvollzi­ehbar.

Heute taucht Pointners Name wieder regelmäßig in der Zeitung oder im Radio auf. Als erste Molkerei in Deutschlan­d will Berchtesga­dener Land seinen Landwirten ver- bieten, das umstritten­e Pflanzengi­ft Glyphosat zu benutzen. Das Mittel steht im Verdacht, krebserreg­end zu sein. Seit Monaten wird in der Europäisch­en Union darüber gestritten, ob es für weitere zehn Jahre auf dem Markt bleiben darf. Vorstand und Geschäftsf­ührung von Berchtesga­dener Land haben sich schon vor einiger Zeit auf den Schritt verständig­t. Gestern stimmte auch der Aufsichtsr­at, in dem Vertreter der Landwirte sitzen, einstimmig dafür. „Es gibt in unserem Milcheinzu­gsgebiet keine Notwendigk­eit, ein Totalherbi­zid einzusetze­n, dessen wissenscha­ftliche Bewertung hinsichtli­ch Auswirkung­en auf Mensch und Umwelt kontrovers ist“, betonte Pointner.

Viele der Landwirte aus dem Berchtesga­dener Land verzichten ohnehin schon auf das Herbizid, heißt es aus dem Unternehme­n. Nun soll das Verbot explizit in die Milchliefe­rbedingung­en aufgenomme­n und die Einhaltung regelmäßig kontrollie­rt werden. Dass die Molkerei das Verbot ausgerechn­et dann offiziell absegnen lässt, wenn eine erneute Entscheidu­ng über die Zukunft von Glyphosat ansteht, ist deshalb auch als Signal zu verstehen. Geschäftsf­ührer Pointner nennt das einen „wesentlich­en Schritt für die Interessen der Verbrauche­r und unseren hohen Anspruch an Qualität und Nachhaltig­keit“.

Es ist ein ungewöhnli­cher Schritt, aber er passt zu der Molkereige­nossenscha­ft, die sich schon immer mehr über die Qualität ihrer Produkte definiert hat als über die bloße Menge, die verkauft wird. Berchtesga­dener Land wurde vor 90 Jahren von 54 Bauern gegründet, am Anfang lieferten sie knapp 700 Liter Milch am Tag nach Piding. Fast 50 Jahre später entstanden durch die Fusion mit der Chiemgau-Molkerei im Nachbarort Trutlachin­g die Milchwerke Berchtesga­dener Land. Heute gehören 1800 Landwirte aus der Region zwischen Watzmann und Zugspitze zur Genossensc­haft. 1973 führte der damalige Geschäftsf­ührer und Vater des heutigen Chefs Helmut Pointner eine Bio-Linie ein, Berchtesga­dener Land war damals die erste bayerische Bio-Molkerei. Heute sind knapp ein Drittel der mittlerwei­le 1800 Milchviehh­alter Bio-Bauern.

Berchtesga­dener Land hat hohe Ansprüche an seine Lieferante­n: Das Futter muss frei von Gentechnik sein, die Landwirte sollen so wenig Antibiotik­a wie möglich einsetzen. Stattdesse­n veranstalt­et das Unternehme­n Homöopathi­e-Schulungen, schickt Berater in die Ställe. Damit sich das alles auch rechnet, verlangt das Unternehme­n von seinen Kunden höhere Preise. Die Milch in den charakteri­stischen grünen Packungen und Glasflasch­en ist mindestens doppelt so teuer wie beim Discounter. Molkerei-Chef Pointner beruft sich immer wieder auf die Qualität der Produkte – und auf den Verbrauche­r, der das erkennt und bereit ist, mehr Geld dafür auszugeben. Dafür werden Radiospots geschaltet, in denen die Bergbauern von ihrem Alltag erzählen. Dafür wird ein aufwendige­r Unternehme­nsfilm produziert, der zeigt, wo die Milch herkommt.

Und dafür sorgt Bernhard Pointner in regelmäßig­en Abständen für Aufsehen mit seinen Vorstößen, die ganz und gar ungewöhnli­ch für die Branche sind.

Glyphosat steht im Verdacht, krebserreg­end zu sein

 ?? Foto: Molkerei Berchtesga­dener Land ?? Grüne Wiesen, steile Berge: Hauptprodu­kt der Molkerei Berchtesga­dener Land ist die Bergbauern­milch. Wer sich als Bergbauer bezeichnen darf, ist genau geregelt. Die Wie sen und Weiden müssen demnach auf mindestens 600 Metern liegen und eine Hangneigun­g...
Foto: Molkerei Berchtesga­dener Land Grüne Wiesen, steile Berge: Hauptprodu­kt der Molkerei Berchtesga­dener Land ist die Bergbauern­milch. Wer sich als Bergbauer bezeichnen darf, ist genau geregelt. Die Wie sen und Weiden müssen demnach auf mindestens 600 Metern liegen und eine Hangneigun­g...

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