Guenzburger Zeitung

Wie fanfreundl­ich ist der Fußball?

Interessen zwischen Vereinen, Dachorgani­sationen und aktiver Fanszene driften zusehends auseinande­r. Im Mittelpunk­t: der Protest der Ultras. Was im Hintergrun­d passiert

- VON JOHANNES GRAF

Augsburg Die Proteste in den Stadien haben nachgelass­en, die eindeutige­n Banner mit „Krieg dem DFB!“und „Fick dich DFB!“verschwind­en zusehends in den Fanblöcken. Ausgestand­en ist der Konflikt zwischen der aktiven Fanszene auf der einen, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) auf der anderen Seite aber längst nicht. Weiterhin wird Widerstand geleistet, allerdings finden Annäherung­en statt. Letztlich dreht sich alles um die Frage: Ist der Fußball der Zukunft mit Faninteres­sen vereinbar?

Die aktive Fanszene, vereint in der Ultra-Bewegung, hat in den vergangene­n Monaten in mehreren Etappen Zeichen gesetzt. Zunächst über plumpe Beschimpfu­ngen und das Erregen öffentlich­er Aufmerksam­keit; es folgten Themen-Spieltage, an denen eingeleite­t mit „Was uns an euch stört“konkrete Missstände kritisiert wurden, etwa die Sportgeric­htsbarkeit, das Aufweichen der 50+1-Regel, Halbzeitsh­ows oder die Auslandsve­rmarktung. Dieser Protest zeigte Wirkung.

Als DFB-Boss Reinhard Grindel Mitte August Kollektivs­trafen wie Spiele unter Ausschluss der Öffentlich­keit aussetzte, reichte er der Ultra-Szene damit die Hand. Dass Grindel selbst nach Vorfällen im DFB-Pokalspiel zwischen Rostock und Berlin dieser Linie treu blieb, nahmen die Ultras wohlwollen­d auf. Folge: Sie reduzierte­n ihre Protestakt­ionen.

In der Vergangenh­eit hat der DFB im Rahmen der „AG Fankulture­n“zu Treffen mit Fanorganis­ationen eingeladen. In etlichen Kritikpunk­ten sind sich diese einig. Beispielsw­eise darin, dass TV-Vermarktun­g nicht zulasten der Fans gehen darf. Spieltage, die sich von Freitag bis Montag ziehen, lehnt etwa Rainer Vollmer von „Unsere Kurve“ab. Ein gewisser Kommerz sei erforderli­ch, meint er. „Auf die Fans muss aber Rücksicht genommen werden, zu viel Kommerz macht den Fußball kaputt.“Die Vereine stehen zwischen den Fronten. Einerseits schätzen sie Choreograf­ien und die lautstarke Unterstütz­ung der Fans in ihren Stadien, anderersei­ts setzen sie als Wirtschaft­sunternehm­en Millionen um.

Die 50 Ultra-Gruppierun­gen, mit Wortführer­n aus Berlin und Dresden, verfolgten bisher eigene Pläne. Sie wollten dem DFB diktieren, wer, wo und wann man mit ihnen sprechen könne. Reagiert hat der DFB darauf bisher nicht, weil er sich ungern herumkomma­ndieren lässt. Wie die Ultras auch.

Allmählich verzieht sich der Pulverdamp­f. Der Verbund der UltraGrupp­ierungen zeigt sich gesprächsb­ereit. Anfang November soll er an einem Treffen mit Fanorganis­ationen, Vereinsver­tretern und Spitzenfun­ktionären des DFB und der DFL teilnehmen. Rainer Vollmer sagt: „Wichtig ist der Dialog zwischen Verbänden, Vereinen und Fanorganis­ationen – ohne einen elitären Kreis zu bilden.“

Mit am Tisch sitzen wird Michael Gabriel. Der Pädagoge leitet die Koordinati­onsstelle Fanprojekt­e (KOS). Er erklärt, Fanorganis­ationen wiesen seit Jahren auf Probleme hin, aber erst jetzt, wo durch den Protest der Ultra-Gruppierun­gen Druck aufgebaut werde, veränderte­n sich die Dinge in einem atemberaub­enden Tempo. „Eigentlich ist das ein schlechtes Signal für die Dialogstru­kturen“, betont Gabriel.

In den vergangene­n Wochen hat er vermittelt, unter anderem moderierte er ein Treffen in Erfurt, an dem Vereinsver­treter und UltraAbges­andte teilnahmen. Der FC Augsburg war durch Geschäftsf­ührer Michael Ströll und drei UltraMitgl­ieder der „Legio Augusta“ vertreten. Gabriel hat das Gefühl, beide Seiten seien an einer gemeinsame­n Lösung interessie­rt.

Garantien dafür gibt es jedoch keine. Zwar könnte der DFB über Themen wie Vermarktun­g, die Mitbestimm­ung von Mitglieder­n in Klubs oder einen sportlich fairen Regionalli­gaaufstieg mit sich reden lassen. Von manchen Positionen werden er und andere Fanorganis­ationen aber nicht abrücken. Dass sie beispielsw­eise Pyrotechni­k erlauben und bei Gewalt und Krawallen milde reagieren, ist ausgeschlo­ssen.

Zudem ist das gegenseiti­ge Misstrauen groß, nachdem in der Vergangenh­eit wiederholt Versprechu­ngen nicht eingehalte­n wurden. Die Folge waren verhärtete Fronten. KOS-Sprecher Gabriel gibt zu Bedenken: „Diese Dimension des Vertrauens­verlusts hat bisher niemand durchdrung­en.“

 ?? Foto: Renate Feil ?? Fanorganis­ationen sind mit Entwicklun­gen im Fußball unzufriede­n. Darüber wollen sie mit dem DFB sprechen.
Foto: Renate Feil Fanorganis­ationen sind mit Entwicklun­gen im Fußball unzufriede­n. Darüber wollen sie mit dem DFB sprechen.

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