Hier reiten die Pferde über den Ozean
Apassionata hat jetzt in München einen festen Palast für eine fantasievolle Erzählung. Gleich neben der Fußballarena in Fröttmaning startet am 5. November „Equila“. 65 Hengste bewegen sich in gigantischer Kulisse
München Sam ist das schlimmste Schicksal zugestoßen, das einem Künstler widerfahren kann. Er hat sich bei den Proben zur neuen Show „Equila“überanstrengt und wird bei der Weltpremiere am 5. November in München fehlen. Stattdessen steht der 14-jährige ShirehorseHengst mit einer Sehnenentzündung und einem dicken Verband um das rechte Vorderbein in seiner Box. Drei Monate Pause hat ihm der Tierarzt verschrieben.
Und so wird in den letzten Wochen vor der Uraufführung der Apassionata-Produktion im brandneuen Münchner Showpalast fieberhaft nach einer Zweitbesetzung für Sam gesucht. Mit seinen knapp 1,5 Tonnen und seinem 1,86 Metern Stockmaß ist der Shirehorse-Hengst allerdings ein besonders beeindruckendes Exemplar der größten Pferderasse der Welt – was die Suche nach einem Nachfolger nicht ganz einfach macht.
Doch Sam ist nicht das einzige Problem von Nikolaus Job in diesen Tagen. Der Produzent der Show „Equila“und Geschäftsführer des Apassionata World Park wird nicht nur von verletzten Pferden, sondern vielen anderen Aufgaben auf Trab gehalten, erzählt er beim Pressetermin, „aber wir alle arbeiten Tag und Nacht und fiebern der Premiere entgegen“. Hier in Fröttmaning, einen Steinwurf von der Münchner Fußballarena entfernt, stecken sie mittendrin in der Erschaffung einer einmaligen Themenwelt rund ums Pferd. Der Showpalast mit einer originellen Holzfassade, die der Silhouette galoppierender Pferden nachempfunden ist, ist bereits fertig. Eine Reithalle und ein Stall ebenso. Neben zwei Eseln haben hier bereits im August rund 60 prächtige ShowHengste – vornehmlich Andalusier, Lusitanos, PRE (Pura Raza Espagnol) und Friesen – ihr Quartier bezogen. Der Außenanlage fehlt noch der letzte Schliff. Nikolaus Job ist zuversichtlich, dass sie bis zur Premiere ansehnlich gestaltet wird.
Ist „Equila“dann erst einmal angelaufen, sind auf dem fünf Hektar großen Gelände in Fröttmaning ab März 2018 weitere Attraktionen geplant: interaktive Themen-Pavillons, ein Science Center, 360-GradKino, Hufschmiede, Pferdschwemme und ein Streichelzoo samt Restaurant mit Biergarten. Geschätzte Bausumme für das „ungewöhnliche Freizeiterlebnis rund um das Thema Pferd und Mensch“, wie es Job nennt: 55 Millionen Euro.
Um dieses Mammutprojekt finanzieren zu können, musste man sich chinesische Investoren an Bord holen. Bereits 2016 wurde die Apassionata World GmbH durch eine Tochterfirma des Immobilienentwicklers Hongkun International Holdings Ltd. aus Hongkong übernommen. Weil im Zuge des Verkaufs der Mitbegründer und langjährige Geschäftsführer Peter Massine hinauskomplimentiert wurde, tobt seitdem zwischen beiden Parteien ein Rechtsstreit um die Namensund Markenrechte, der auch die Fertigstellung der Münchner Showarena beeinträchtigt und um etwa ein halbes Jahr verzögert hat.
Doch in einer ersten Gerichtsentscheidung im August 2017 wurde im Sinne der Apassionata World GmbH entschieden. Sie darf den begehrten und traditionsreichen Namen Apassionata weiterhin tragen. „Es geht um die Verwendung von Lizenzen. Aus unserer Sicht befinden wir uns dabei völlig im Recht. Wir gehen damit ganz gelassen um und konzentrieren uns erst einmal darauf, eine erfolgreiche Show zu machen“, sagt Produzent Job.
Schließlich ist das die Kernkompetenz der Apassionata-Macher. Die Produktion in München, in der ersten festen Spielstätte seit dem Start der Apassionata-Tourneen im Jahre 2003, soll spektakulär werden. Auch dafür haben die Macher weder Kosten noch Mühen gescheut. Auf etwa zehn Millionen Euro belaufen sich allein die Produktionskosten, lässt sich Nikolaus Job entlocken.
Einen besonders großen Teil davon dürfte die hochmoderne LEDVideo-Leinwand verschlungen haben, mit 650 Quadratmetern die größte, die es derzeit in Europa gibt. Und sie verfehlt ihre Wirkung nicht, wenn im Zuschauerraum plötzlich farbintensive, bewegte 3D-Welten entstehen. Ein Ozean mit schwimmenden Fischen etwa, flammende Wälder, das Himmelszelt mit funkelnden Sternen. Oder galoppierende Pferde, die eins werden mit der echten Herde, die in diesem Moment durch die Arena läuft. Daraus wählt sich der junge Hauptdarsteller Phero sein Herzenspferd, den Schimmelhengst Arkadash. Mit diesem geht er auf eine große Reise, um am jährlichen Turnier der besten Reiter des Landes teilzunehmen.
Soweit die Geschichte, die den roten Faden vorgibt. Die Freundschaft zwischen Pferd und Mensch. Doch „Equila“ist mehr als das. Es ist ein akribisch ausgetüfteltes und perfekt aufeinander abgestimmtes Gesamtkunstwerk aus Reitszenen, Luft- und Tanzakrobatik, ausgefeilter Lichttechnik, blendender Projektion und gigantischer Musik.
Innerhalb eines halben Jahres hat der Deutsche Martin Lingnau die Musik exklusiv für „Equila“komponiert und sich dabei hörbar an der Opulenz monumentaler Hollywood-Streifen orientiert. „Ich habe Musikinstrumente aus der ganzen Welt und aus allen Kulturen benutzt. Wikingerhörner, chinesische Flöten, afrikanische Trommeln, bengalische Chöre, alles eingebettet in den Sound eines großen Symphonie-Orchesters. Eine musikalische Achterbahnfahrt“, beschreibt Lingnau, worauf er beim Erschaffen dieses eindrucksvollen Klangteppichs Wert gelegt hat.
Um die sensiblen Pferdeohren zu schonen, sind die Lautsprecherboxen des gigantischen Soundsystems ausschließlich in Richtung Zuschauerränge gedreht, in der Arena sei die Musik viel leiser, nahezu Zimmerlautstärke, betont Pferdechoreographin Meika Arnason. Ihre Aufgabe ist es, die Szenen mit den Vierbeinern einzustudieren, sie an die unterschiedlichen Reize wie Musik und Licht zu gewöhnen. „Manchen Pferden fällt das ganz leicht, andere brauchen länger. Aber dafür hatten wir eine lange Gewöhnungsphase eingeplant. Außerdem haben wir ein Rotationssystem, sodass jedes Pferd auch seine Pausen bekommt.“
Für die Apassionata-Shows werden generell erfahrene Reiter-Equipen gebucht, die ihre Pferde bestens kennen und schon lange Erfahrung mit dem Einstudieren von Shownummern haben. Wie etwa die Familie Giona aus Italien, deren jüngster Spross Diego die Hauptfigur Phero spielt. „Reiten und Pferde sind unser Leben und unsere Leidenschaft. Schon von Kindesbeinen an dreht sich in unserer Familie alles um die Pferde“, erzählt Diego Giona, dessen Vater Alex schon in vielen Apassionata-Produktionen mitgewirkt hat.
Sie sind nur zwei von insgesamt 120 Mitarbeitern, die die neue Show stemmen. In der Showarena agieren sieben internationale Equipen, 65 Pferde, 31 Reiter, 14 Tänzer und fünf Akrobaten. Doch trotz des Aufwands rechne man damit, dass sich die Produktionskosten in etwa einem Jahr amortisiert haben, sagt Nikolaus Job. Eine spitze Kalkulation bei 1700 Zuschauerplätzen im Showpalast, vier Spieltagen in der Woche und einem Ticketpreis von 29,90 bis 109 Euro. Doch Job und sein Kollege Jürgen Schröder, der bereits als Produzent acht Jahre für das Musical „König der Löwen“in Hamburg verantwortlich war, sind zuversichtlich, auf genügend Resonanz zu stoßen. „Als Zielgruppe haben wir nicht nur pferde- und reitsportaffine Menschen im Auge, sondern auch solche, die sich für eine gute Show begeistern. Im besten Falle sollen sie sagen: Ich hätte nie gedacht, dass ich in eine Pferdeshow gehe. Doch sie war richtig gut.“
Auch wenn die Zuschauer dabei auf den angeschlagenen Shirehorse Sam verzichten müssen. Dafür dürfen sie nun seinen nicht minder imposanten vierjährigen Sohn Apache kennenlernen. Der Jungspund wird nun in die Spuren seines Vaters treten. Wie das in richtigen Künstlerfamilien eben so Tradition ist.
Ein Rechtsstreit verzögerte die Fertigstellung der Arena
Die Musik orientiert sich an monumentalen Spielfilmen