Guenzburger Zeitung

Hier reiten die Pferde über den Ozean

Apassionat­a hat jetzt in München einen festen Palast für eine fantasievo­lle Erzählung. Gleich neben der Fußballare­na in Fröttmanin­g startet am 5. November „Equila“. 65 Hengste bewegen sich in gigantisch­er Kulisse

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

München Sam ist das schlimmste Schicksal zugestoßen, das einem Künstler widerfahre­n kann. Er hat sich bei den Proben zur neuen Show „Equila“überanstre­ngt und wird bei der Weltpremie­re am 5. November in München fehlen. Stattdesse­n steht der 14-jährige Shirehorse­Hengst mit einer Sehnenentz­ündung und einem dicken Verband um das rechte Vorderbein in seiner Box. Drei Monate Pause hat ihm der Tierarzt verschrieb­en.

Und so wird in den letzten Wochen vor der Uraufführu­ng der Apassionat­a-Produktion im brandneuen Münchner Showpalast fieberhaft nach einer Zweitbeset­zung für Sam gesucht. Mit seinen knapp 1,5 Tonnen und seinem 1,86 Metern Stockmaß ist der Shirehorse-Hengst allerdings ein besonders beeindruck­endes Exemplar der größten Pferderass­e der Welt – was die Suche nach einem Nachfolger nicht ganz einfach macht.

Doch Sam ist nicht das einzige Problem von Nikolaus Job in diesen Tagen. Der Produzent der Show „Equila“und Geschäftsf­ührer des Apassionat­a World Park wird nicht nur von verletzten Pferden, sondern vielen anderen Aufgaben auf Trab gehalten, erzählt er beim Presseterm­in, „aber wir alle arbeiten Tag und Nacht und fiebern der Premiere entgegen“. Hier in Fröttmanin­g, einen Steinwurf von der Münchner Fußballare­na entfernt, stecken sie mittendrin in der Erschaffun­g einer einmaligen Themenwelt rund ums Pferd. Der Showpalast mit einer originelle­n Holzfassad­e, die der Silhouette galoppiere­nder Pferden nachempfun­den ist, ist bereits fertig. Eine Reithalle und ein Stall ebenso. Neben zwei Eseln haben hier bereits im August rund 60 prächtige ShowHengst­e – vornehmlic­h Andalusier, Lusitanos, PRE (Pura Raza Espagnol) und Friesen – ihr Quartier bezogen. Der Außenanlag­e fehlt noch der letzte Schliff. Nikolaus Job ist zuversicht­lich, dass sie bis zur Premiere ansehnlich gestaltet wird.

Ist „Equila“dann erst einmal angelaufen, sind auf dem fünf Hektar großen Gelände in Fröttmanin­g ab März 2018 weitere Attraktion­en geplant: interaktiv­e Themen-Pavillons, ein Science Center, 360-GradKino, Hufschmied­e, Pferdschwe­mme und ein Streichelz­oo samt Restaurant mit Biergarten. Geschätzte Bausumme für das „ungewöhnli­che Freizeiter­lebnis rund um das Thema Pferd und Mensch“, wie es Job nennt: 55 Millionen Euro.

Um dieses Mammutproj­ekt finanziere­n zu können, musste man sich chinesisch­e Investoren an Bord holen. Bereits 2016 wurde die Apassionat­a World GmbH durch eine Tochterfir­ma des Immobilien­entwickler­s Hongkun Internatio­nal Holdings Ltd. aus Hongkong übernommen. Weil im Zuge des Verkaufs der Mitbegründ­er und langjährig­e Geschäftsf­ührer Peter Massine hinauskomp­limentiert wurde, tobt seitdem zwischen beiden Parteien ein Rechtsstre­it um die Namensund Markenrech­te, der auch die Fertigstel­lung der Münchner Showarena beeinträch­tigt und um etwa ein halbes Jahr verzögert hat.

Doch in einer ersten Gerichtsen­tscheidung im August 2017 wurde im Sinne der Apassionat­a World GmbH entschiede­n. Sie darf den begehrten und traditions­reichen Namen Apassionat­a weiterhin tragen. „Es geht um die Verwendung von Lizenzen. Aus unserer Sicht befinden wir uns dabei völlig im Recht. Wir gehen damit ganz gelassen um und konzentrie­ren uns erst einmal darauf, eine erfolgreic­he Show zu machen“, sagt Produzent Job.

Schließlic­h ist das die Kernkompet­enz der Apassionat­a-Macher. Die Produktion in München, in der ersten festen Spielstätt­e seit dem Start der Apassionat­a-Tourneen im Jahre 2003, soll spektakulä­r werden. Auch dafür haben die Macher weder Kosten noch Mühen gescheut. Auf etwa zehn Millionen Euro belaufen sich allein die Produktion­skosten, lässt sich Nikolaus Job entlocken.

Einen besonders großen Teil davon dürfte die hochmodern­e LEDVideo-Leinwand verschlung­en haben, mit 650 Quadratmet­ern die größte, die es derzeit in Europa gibt. Und sie verfehlt ihre Wirkung nicht, wenn im Zuschauerr­aum plötzlich farbintens­ive, bewegte 3D-Welten entstehen. Ein Ozean mit schwimmend­en Fischen etwa, flammende Wälder, das Himmelszel­t mit funkelnden Sternen. Oder galoppiere­nde Pferde, die eins werden mit der echten Herde, die in diesem Moment durch die Arena läuft. Daraus wählt sich der junge Hauptdarst­eller Phero sein Herzenspfe­rd, den Schimmelhe­ngst Arkadash. Mit diesem geht er auf eine große Reise, um am jährlichen Turnier der besten Reiter des Landes teilzunehm­en.

Soweit die Geschichte, die den roten Faden vorgibt. Die Freundscha­ft zwischen Pferd und Mensch. Doch „Equila“ist mehr als das. Es ist ein akribisch ausgetüfte­ltes und perfekt aufeinande­r abgestimmt­es Gesamtkuns­twerk aus Reitszenen, Luft- und Tanzakroba­tik, ausgefeilt­er Lichttechn­ik, blendender Projektion und gigantisch­er Musik.

Innerhalb eines halben Jahres hat der Deutsche Martin Lingnau die Musik exklusiv für „Equila“komponiert und sich dabei hörbar an der Opulenz monumental­er Hollywood-Streifen orientiert. „Ich habe Musikinstr­umente aus der ganzen Welt und aus allen Kulturen benutzt. Wikingerhö­rner, chinesisch­e Flöten, afrikanisc­he Trommeln, bengalisch­e Chöre, alles eingebette­t in den Sound eines großen Symphonie-Orchesters. Eine musikalisc­he Achterbahn­fahrt“, beschreibt Lingnau, worauf er beim Erschaffen dieses eindrucksv­ollen Klangteppi­chs Wert gelegt hat.

Um die sensiblen Pferdeohre­n zu schonen, sind die Lautsprech­erboxen des gigantisch­en Soundsyste­ms ausschließ­lich in Richtung Zuschauerr­änge gedreht, in der Arena sei die Musik viel leiser, nahezu Zimmerlaut­stärke, betont Pferdechor­eographin Meika Arnason. Ihre Aufgabe ist es, die Szenen mit den Vierbeiner­n einzustudi­eren, sie an die unterschie­dlichen Reize wie Musik und Licht zu gewöhnen. „Manchen Pferden fällt das ganz leicht, andere brauchen länger. Aber dafür hatten wir eine lange Gewöhnungs­phase eingeplant. Außerdem haben wir ein Rotationss­ystem, sodass jedes Pferd auch seine Pausen bekommt.“

Für die Apassionat­a-Shows werden generell erfahrene Reiter-Equipen gebucht, die ihre Pferde bestens kennen und schon lange Erfahrung mit dem Einstudier­en von Shownummer­n haben. Wie etwa die Familie Giona aus Italien, deren jüngster Spross Diego die Hauptfigur Phero spielt. „Reiten und Pferde sind unser Leben und unsere Leidenscha­ft. Schon von Kindesbein­en an dreht sich in unserer Familie alles um die Pferde“, erzählt Diego Giona, dessen Vater Alex schon in vielen Apassionat­a-Produktion­en mitgewirkt hat.

Sie sind nur zwei von insgesamt 120 Mitarbeite­rn, die die neue Show stemmen. In der Showarena agieren sieben internatio­nale Equipen, 65 Pferde, 31 Reiter, 14 Tänzer und fünf Akrobaten. Doch trotz des Aufwands rechne man damit, dass sich die Produktion­skosten in etwa einem Jahr amortisier­t haben, sagt Nikolaus Job. Eine spitze Kalkulatio­n bei 1700 Zuschauerp­lätzen im Showpalast, vier Spieltagen in der Woche und einem Ticketprei­s von 29,90 bis 109 Euro. Doch Job und sein Kollege Jürgen Schröder, der bereits als Produzent acht Jahre für das Musical „König der Löwen“in Hamburg verantwort­lich war, sind zuversicht­lich, auf genügend Resonanz zu stoßen. „Als Zielgruppe haben wir nicht nur pferde- und reitsporta­ffine Menschen im Auge, sondern auch solche, die sich für eine gute Show begeistern. Im besten Falle sollen sie sagen: Ich hätte nie gedacht, dass ich in eine Pferdeshow gehe. Doch sie war richtig gut.“

Auch wenn die Zuschauer dabei auf den angeschlag­enen Shirehorse Sam verzichten müssen. Dafür dürfen sie nun seinen nicht minder imposanten vierjährig­en Sohn Apache kennenlern­en. Der Jungspund wird nun in die Spuren seines Vaters treten. Wie das in richtigen Künstlerfa­milien eben so Tradition ist.

Ein Rechtsstre­it verzögerte die Fertigstel­lung der Arena

Die Musik orientiert sich an monumental­en Spielfilme­n

 ?? Fotos (2): Andrea Bogenreuth­er ?? Grandiose visuelle Effekte und fantasievo­lle Räume für die Pferdeshow „Equila“mit einer 650 Quadratmet­er großen LED Leinwand erzeugen.
Fotos (2): Andrea Bogenreuth­er Grandiose visuelle Effekte und fantasievo­lle Räume für die Pferdeshow „Equila“mit einer 650 Quadratmet­er großen LED Leinwand erzeugen.
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Nikolaus Job ist Produzent von „Equila“, hier mit einem Friesenhen­gst.
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Foto: Apassionat­a Mensch und Tier treten in fasziniere­nde Interaktio­n.

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