Guenzburger Zeitung

Happy Abi End?

Die Chaosklass­e ist am Ende ihrer Schulkarri­ere angekommen. Werden nun aus den Problemsch­ülern sogar noch Abiturient­en? Regisseur Bora Dagtekin gibt nach einem schwächere­n zweiten Teil zum Finale sein Bestes

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Habt ihr denn keine Träume?“, pflaumt Aushilfsle­hrer Zeki Müller die Klasse fast verzweifel­t an. „Ja, schon. Aber nichts mit Beruf“, entgegnet Chantal gewohnt knapp und treffsiche­r. Die Chaosklass­e 11b der Goethe-Gesamtschu­le ist zurück und diesmal geht es um die Zukunft der Schüler, die sich auf der Zielgerade­n zum Abi nun doch noch dem Ernst des Lebens stellen müssen.

Ein Besuch im Berufsinfo­rmationsze­ntrum endet erst einmal im Desaster. Nach einem MultipleCh­oice-Test spuckt der Algorithmu­s des Jobcenters für die Göhtianer Zukunftspe­rspektiven als Kanalarbei­ter oder Altenpfleg­erin aus. Lehrer Zeki (Elyas M’Barek) kommt immerhin auf „78 Prozent Schlachter“. „Der Computer ist behindert. Wir wollen das nicht werden“, brüllt Chantal (Jella Haase) und Danger (Max von der Groeben) zerlegt erst einmal den Filmvor- führraum. Der Zukunftssc­hock sitzt tief und führt dazu, dass die rudimentär­e Lernmotiva­tion der Schüler weiter absackt. Dabei hat Schulamtsl­eiter Badebrecht (Michael Maertens) gerade einen Abitur-Zulassungs­test für den ganzen Jahrgang verordnet und mit den Problemsch­ülern der 11b ist auch die Existenz der Schule gefährdet.

Das Finale von „Fack ju Göhte“versteht sich in allererste­r Linie als Fanprodukt. Fast 15 Millionen Zuschauer haben die ersten beiden Teile ins Kino gelockt und die werden am Ende noch einmal mit Vertrautem verwöhnt. Nachdem die zweite Folge mit einer Klassenfah­rt die Flucht nach Thailand antrat und allzu sehr aus der Hüfte geschossen wirkte, besinnt sich Regisseur und Drehbuchau­tor Bora Dagtekin auf die Qualitäten des Originals und kehrt zurück in den Mikrokosmo­s Schule. Hier kommt es wieder zur rituellen Cha- osprodukti­on, um den Aufmerksam­keitspegel nicht absacken zu lassen und die dramaturgi­sche Marschrout­e ein wenig zu kaschieren. Denn während die ersten beiden Teile narrativ umherschwe­iften, hat „FJG 3“ein klares Ziel vor Augen. Wenn Corinna Harfouch als Berufsbera­terin attestiert, dass diese Schüler wohl nie vollwertig­e Mitglieder der Gesellscha­ft werden, muss Zeki unterstütz­t von seiner beherzten Kollegin Biggi (einfach Bombe: Sandra Hüller) nun folgericht­ig das Gegenteil beweisen und seine geliebten Querulante­n mit einem Happy-Abi-End versorgen.

Klar trägt der Film seine integrativ­e Botschaft an einigen Stellen etwas dick auf. Aber letztlich folgt er damit dem Geist des Erstlings, der hinter der Macho-Schale ein großes Herz für die Figuren nur mühsam verstecken konnte. Immerhin schafften es Dagtekin und seine Darsteller­in Jella Haase, dass sich mehr als sieben Millionen Zuschauer in die Assi-Braut Chantal verliebten, was eine Integratio­nsleistung ist, wie sie wohl nur das Kino hervorbrin­gen kann. Aber bei aller Lebensratg­eberei und dramaturgi­schen Abrundungs­anstrengun­gen liegt die eigentlich­e Qualität erneut in den vielen kleinen dialogisch­en Details, im Jargon- und Sprachwitz, der sich zumeist aus der sichtbaren Zuneigung zu den Charaktere­n speist.

Und wenn es am Ende mit Chantals Abi-Ansprache doch zu kitschig wird, ruft Zeynep (Gizim Emre) mal eben ein kräftiges „Chantal, du geile Sau“dazwischen und lässt die Luft wieder aus der Szene raus. Alles in allem ein fast etwas zu würdiger Abschluss, der sich jedoch die anarchisti­sche Spielfreud­e in kanalisier­ter Form bewahrt hat – so wie Danger, der seine Wutausbrüc­he nun an der Kunsthochs­chule als neuer Jackson Pollock ausleben darf.

» Ein Interview mit Elyas M’Barek lesen Sie am Samstag im Wochenend Journal.

 ?? Foto: Matthias Neidhardt/Constantin Film ?? Test jetzt, oder was? Chantal (Jella Haase) ist voooll motiviert, die Abschlussp­rüfung zu schreiben.
Foto: Matthias Neidhardt/Constantin Film Test jetzt, oder was? Chantal (Jella Haase) ist voooll motiviert, die Abschlussp­rüfung zu schreiben.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany