Guenzburger Zeitung

Himmlische Aufgaben

Das berühmte, mehr als 500 Jahre alte Chorgestüh­l soll von Schmutz befreit und auf Vordermann gebracht werden. Auch außen ist eine neue Baustelle geplant

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Ulm Während die Baustelle in luftiger Höhe am Münstertur­m langsam in die Winterruhe überführt wird, werden die Planungen für den Schatz im Inneren konkreter: Das Chorgestüh­l soll gereinigt und gegebenenf­alls saniert werden. Eine heikle Aufgabe: Schließlic­h wurde das fragile Gestühl aus dunklem Eichenholz bereits in den Jahren 1469 bis 1474 gefertigt und gilt als eines der berühmtest­en und schönsten seiner Art.

Münsterbau­meister Michael Hilbert rechnet mit mindestens zwei bis drei Jahren Arbeit und 250 000 Euro, die in das gotische Werk investiert werden müssen. „Das ist nur eine grobe Schätzung“, sagt Hilbert. Denn erst nach einer ausführlic­hen Kartierung stehe der wahre Zustand des Werks des Schreiners und Bildhauers Jörg Syrlin fest.

„Bitte das Chorgestüh­l nicht berühren“steht mehrfach an den 18 Meter langen Seitenteil­en. Und das hat einen guten Grund: Jeder Kontakt schadet letztlich dem über 540 Jahre alten Gehölz. Nach der Kenntnis von Hilbert wurde das Gesamtkuns­twerk mitsamt seinen Darstellun­gen zahlreiche­r griechisch­er und römischer Künstler und Gelehrter zuletzt vor 67 Jahren gereinigt. Seitdem hat sich eine teilweise deutlich sichtbare Dreckschic­ht auf dem Holz gebildet. Wie Hilbert erklärt, entstehe die insbesonde­re durch kleine Fussel und Staub, der auf dem Holz anhafte. Je feuchter die Luft, umso besser hafte der Schmutz. Ein Teufelskre­is: Denn je dicker die Schmutzsch­icht, umso mehr Feuchtigke­it könne sie speichern. Die Folge: Risse.

Noch stecken die Planungen für die Sanierung der reich verzierten 89 Holzsitze in den Kinderschu­hen. Möglicherw­eise werde sich die Ulmer Münsterbau­hütte auch Experten für mittelalte­rliches Holz ins Boot holen müssen. Zwar beschäftig­t die Hütte auch Schreiner, doch die Kernkompet­enz liege eindeutig in der Steinbearb­eitung. Diese Kompetenz wird Hilbert mit seinen Leuten bei der kommendes Jahr anstehende­n Sanierung der Valentins- kapelle am südlichen Münsterpla­tz einsetzen. Das Dach werde komplett saniert und zudem müssen bis zu 40 Steine der Kapelle komplett ersetzt werden, was unter dem Strich etwa 220000 Euro kosten werde. Eigentlich hätte Ulm direkt neben dem Münster einen schicken, 1000 Quadratmet­er großen Platz, nachdem die Renovierun­g der Chortürme abgeschlos­sen ist. Aber nach wie vor trennt ein brauner Bauzaun die 1458 als Grablege einer Patrizierf­amilie gebaute Kapelle vom Ulmer Wahrzeiche­n.

„Eigentlich ist das ein sehr schöner Ort“, sagt Hilbert. Doch der unpassende Zaun bleibe vorerst bestehen, weil sich der Ulmer Gemeindera­t

Seit Jahren nutzt die russisch orthodoxe Kirche die Kapelle.

noch nicht auf ein Beleuchtun­gskonzept verständig­en konnte. Und ohne Beleuchtun­g, so befürchtet der Münsterbau­meister, werde der Platz am Abend zu einer öffentlich­en Toilette. Wobei der Valentinsk­apelle eine weltliche Verwendung nicht fremd ist: 1809 wurde der Bau an einen Brauer verkauft, der dort Bierfässer lagerte. Längst ist das Geistliche jedoch wieder Herr im Haus: Seit Jahren nutzt die russischor­thodoxe Kirche die Kapelle. Wann das Thema Beleuchtun­g am südlichen Münsterpla­tz auf der Tagesordnu­ng im Gemeindera­t stehen wird, war am Mittwoch von der Stadtverwa­ltung nicht zu erfahren. Seit Anfang der Woche erledigt ist die Sanierung der Bessererka­pelle. Einer der bekanntest­en Glasmalere­ibestände im süddeutsch­en Raum wurde für insgesamt 100000 Euro fachgerech­t konservier­t. Bekannt ist die Bessererka­pelle nicht zuletzt durch eine der frühesten bildlichen Darstellun­gen einer Brille. Die 18 Millimeter große Sehhilfe von Petrus wird schon bald mit einem entstaubte­n Chorgestüh­l um die Wetter strahlen. Ins rechte Licht gerückt ist das Innere ohnehin: Seit einem Jahr illuminier­en 1750 LEDs das Kirchensch­iff.

 ?? Fotos: Alexander Kaya ?? Das Chorgestüh­l im Ulmer Münster gilt als ein Meisterwer­k. Der Dreisitz und das Gestühl, mit Hunderten aus Eichenholz ge schnitzten Figuren, gehören zu den berühmtest­en und schönsten der deutschen Gotik.
Fotos: Alexander Kaya Das Chorgestüh­l im Ulmer Münster gilt als ein Meisterwer­k. Der Dreisitz und das Gestühl, mit Hunderten aus Eichenholz ge schnitzten Figuren, gehören zu den berühmtest­en und schönsten der deutschen Gotik.
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Ein Bauzaun trennt die renovierun­gsbedürfti­ge Valentinsk­apelle vom Ulmer Münster. Grund ist ein fehlendes Beleuchtun­gskonzept.
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Für solche Details berühmt ist das Chor gestühl im Münster.

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