Die Kunstnacht ist ein gesellschaftliches Ereignis
Projekt Warum die Krumbacher Veranstaltung so beliebt ist und was sie in diesem Jahr alles zu bieten hat
„Zwei glorreiche Halunken“. Der Titel klingt zugegebenermaßen etwas provokant. Denn in der Reportage aus dem Feuilleton der Tageszeitung Die Welt geht es immerhin um die renommierten Schriftsteller Bertold Brecht und Walter Benjamin. Ein Lächeln huscht über das Gesicht von Künstler und Galerist Sigurd Rakel, als er einen Blick auf die Überschrift wirft. Irgendwie steht damit auch die durchaus provokante Frage im Raum: Muss man als erfolgreicher Schriftsteller oder Künstler gar in gewisser Weise auch ein „Halunke“sein? Im Wort „Halunke“stecke ja auch Provokanz, sagt Rakel. Altes infrage stellen, Neues wagen: Das sei ja das Wesentliche der Kunst. Der Begriff „Halunke“könne demnach durchaus ein Kompliment sein und für den Mut zur Idee abseits gängiger Klischees stehen.
Sich Jahr für Jahr immer wieder selbst erneuern: Dafür stehe, so Rakel, auch die Krumbacher Kunstnacht. 2007 fand sie zum ersten Mal statt, die Aktion war maßgeblich die Idee Sigurd Rakels. In den ersten Jahren war es kaum eine Handvoll von Veranstaltungen. Diesmal, am Samstag, 25. November (Eröffnung um 18 Uhr bei Glogger & Partner), sind es satte 17 Veranstaltungen. Es sind noch zwei mehr als im vergangenen Jahr. Und es sind so viele Veranstaltungen wie noch nie. Wo liegt die Grenze? Kunstnacht-Mitorganisatorin Anita Roth, Leiterin des Mittelschwäbischen Heimatmuseums, schmunzelt und blickt auf den aktuellen Flyer: „Viel mehr geht da nicht mehr drauf“, sagt sie dann. Die zahlreichen Mitwirkenden – das sei aber auch ein großes Kompliment für das Format Kunst- Und in der Regel würden die Besucher gar nicht erst versuchen, im Eiltempo alle Veranstaltungen und Ausstellungen zu besuchen. Vielmehr suchen sich, so Anita Roth, die Besucher ihre Favoriten gezielt aus. Kunstnacht: Der Begriff mag für so manchen ein wenig nach abgehobenem Feuilleton klingen. In der Tat galt Kunst früher als Privinacht. leg des Adels, der hohen Geistlichkeit, des städtischen Großbürgertums. Doch inzwischen hat die Kunst längst das Land erreicht. Und abseits des oft geradezu klischeeüberfrachteten „großen“Kunstmarkts ist die Kunst in der ländlichen Region mitunter erfrischend ursprünglich geblieben. In Krumbach ist die Kunstnacht ein gesellschaftliches Ereignis auf einer bemerkenswert breiten Basis. Und es ist vor allem auch dieses unverwechselbare nächtliche Bummelerlebnis, das viele genießen.
Kunstnacht: Das ist Jahr für Jahr auch das starke Bekenntnis zu regionaler Kunst. Auch in diesem Jahr ist das wieder so. Eine weitere Konstante ist über die Jahre hinweg geblieben. Die Eröffnung im historischen Rathaus bei Glogger & Partner. In diesem Jahr zeigt dort die Krumbacher Künstlerin Lilo Ring eine Auswahl ihrer Werke, kündigt Claudia Glogger an. Sie hat zusammen mit Anita Roth in den vergangenen Monaten das Programm für die Kunstnacht zusammengestellt.
Lilo Ring greift in ihrer Kunst immer wieder auf humorvolle Weise Dinge aus dem alltäglichen Leben auf, sie hinterfragt das scheinbar Selbstverständliche. Bekannt wurde sie durch zahlreiche hochkarätige Ausstellungen in der Region, unter anderem auch durch Illustrationen zu Gedichten der Schriftstellerin Hedwig Lachmann. Die Kunstnacht – das ist auch in diesem Jahr wieder ein bunter Querschnitt der Kunst. Neben der klassischen Malerei (zum Beispiel von Renate Gemsa und Brigitte Schuster im Krumbad oder Karlheinz Schoblocher in der Garage bei Optik Ganz) gibt es unter anderem eine Foto-Aktion von Lutz Volker Spies (Porträts aus der Bewegung) im ehemaligen Filmtheater in der Karl-Mantel-Straße, Skulpturen und Objekte von Rudi Schumertl (neues Tui-Reisecenter), Fotografie (Barbara Lindner, Bürgerhaus) und eine Aktion „Schafe zur Adventszeit“im Krumbacher Stadtgarten. Farblich gestaltete Schafe, dazu eine „bayerische Persiflage“, verspricht Sigurd Rakel. Er arbeitet bei dieser Aktion mit Wanderhirte Stefan Hämmerle, Schäfer Robert Huber und Max Bögel (Panflöte) zusammen. Das deutet an, dass es bei der Kunstnacht auch zahlreiche musikalische Höhepunkte wie etwa die „Geistliche Abendmusik“in der Kirche St. Michael gibt. Die Kunstnacht angesichts der Fülle von Veranstaltungen gar zu einem Kunstwochenende ausweiten? Darüber haben die Organisatoren mehrfach nachgedacht. Es blieb bei der Kunstnacht. Und es ist ja auch die zugespitzte Form dieser Aktion, gewissermaßen der nächtliche Kunstbummel, die die Kunstnacht für viele offenbar so attraktiv macht. Die Ausstellungen und Veranstaltungen sind kostenlos zugänglich.
Genaue Zählungen der Besucher gibt es keine, aber es dürften Jahr für Jahr „einige Hundert“sein, wie Anita Roth und Sigurd Rakel erklären. Während der Kunstnacht seien es allein im Heimatmuseum rund 300 Besucher. Für Rakel selbst ist es eine ganz besondere Kunstnacht, denn der 74-Jährige präsentiert eine Jubiläumsausstellung zu „40 Jahre Galerie Rakel“mit Bildern von Doris Schilffarth (sie greift Motive aus Ballett und Theater auf), Werken von Bildhauer Kurt Armbruster und Malerei von Rakel selbst. Er prägt die Kunstszene der Region seit Jahrzehnten. Wohl auch deswegen, weil ihm mit seinen Ideen wie die Kunstnacht immer wieder die Erneuerung dieser Szene gelang.