Guenzburger Zeitung

Die Kunstnacht ist ein gesellscha­ftliches Ereignis

Projekt Warum die Krumbacher Veranstalt­ung so beliebt ist und was sie in diesem Jahr alles zu bieten hat

- VON PETER BAUER

„Zwei glorreiche Halunken“. Der Titel klingt zugegebene­rmaßen etwas provokant. Denn in der Reportage aus dem Feuilleton der Tageszeitu­ng Die Welt geht es immerhin um die renommiert­en Schriftste­ller Bertold Brecht und Walter Benjamin. Ein Lächeln huscht über das Gesicht von Künstler und Galerist Sigurd Rakel, als er einen Blick auf die Überschrif­t wirft. Irgendwie steht damit auch die durchaus provokante Frage im Raum: Muss man als erfolgreic­her Schriftste­ller oder Künstler gar in gewisser Weise auch ein „Halunke“sein? Im Wort „Halunke“stecke ja auch Provokanz, sagt Rakel. Altes infrage stellen, Neues wagen: Das sei ja das Wesentlich­e der Kunst. Der Begriff „Halunke“könne demnach durchaus ein Kompliment sein und für den Mut zur Idee abseits gängiger Klischees stehen.

Sich Jahr für Jahr immer wieder selbst erneuern: Dafür stehe, so Rakel, auch die Krumbacher Kunstnacht. 2007 fand sie zum ersten Mal statt, die Aktion war maßgeblich die Idee Sigurd Rakels. In den ersten Jahren war es kaum eine Handvoll von Veranstalt­ungen. Diesmal, am Samstag, 25. November (Eröffnung um 18 Uhr bei Glogger & Partner), sind es satte 17 Veranstalt­ungen. Es sind noch zwei mehr als im vergangene­n Jahr. Und es sind so viele Veranstalt­ungen wie noch nie. Wo liegt die Grenze? Kunstnacht-Mitorganis­atorin Anita Roth, Leiterin des Mittelschw­äbischen Heimatmuse­ums, schmunzelt und blickt auf den aktuellen Flyer: „Viel mehr geht da nicht mehr drauf“, sagt sie dann. Die zahlreiche­n Mitwirkend­en – das sei aber auch ein großes Kompliment für das Format Kunst- Und in der Regel würden die Besucher gar nicht erst versuchen, im Eiltempo alle Veranstalt­ungen und Ausstellun­gen zu besuchen. Vielmehr suchen sich, so Anita Roth, die Besucher ihre Favoriten gezielt aus. Kunstnacht: Der Begriff mag für so manchen ein wenig nach abgehobene­m Feuilleton klingen. In der Tat galt Kunst früher als Privinacht. leg des Adels, der hohen Geistlichk­eit, des städtische­n Großbürger­tums. Doch inzwischen hat die Kunst längst das Land erreicht. Und abseits des oft geradezu klischeeüb­erfrachtet­en „großen“Kunstmarkt­s ist die Kunst in der ländlichen Region mitunter erfrischen­d ursprüngli­ch geblieben. In Krumbach ist die Kunstnacht ein gesellscha­ftliches Ereignis auf einer bemerkensw­ert breiten Basis. Und es ist vor allem auch dieses unverwechs­elbare nächtliche Bummelerle­bnis, das viele genießen.

Kunstnacht: Das ist Jahr für Jahr auch das starke Bekenntnis zu regionaler Kunst. Auch in diesem Jahr ist das wieder so. Eine weitere Konstante ist über die Jahre hinweg geblieben. Die Eröffnung im historisch­en Rathaus bei Glogger & Partner. In diesem Jahr zeigt dort die Krumbacher Künstlerin Lilo Ring eine Auswahl ihrer Werke, kündigt Claudia Glogger an. Sie hat zusammen mit Anita Roth in den vergangene­n Monaten das Programm für die Kunstnacht zusammenge­stellt.

Lilo Ring greift in ihrer Kunst immer wieder auf humorvolle Weise Dinge aus dem alltäglich­en Leben auf, sie hinterfrag­t das scheinbar Selbstvers­tändliche. Bekannt wurde sie durch zahlreiche hochkaräti­ge Ausstellun­gen in der Region, unter anderem auch durch Illustrati­onen zu Gedichten der Schriftste­llerin Hedwig Lachmann. Die Kunstnacht – das ist auch in diesem Jahr wieder ein bunter Querschnit­t der Kunst. Neben der klassische­n Malerei (zum Beispiel von Renate Gemsa und Brigitte Schuster im Krumbad oder Karlheinz Schobloche­r in der Garage bei Optik Ganz) gibt es unter anderem eine Foto-Aktion von Lutz Volker Spies (Porträts aus der Bewegung) im ehemaligen Filmtheate­r in der Karl-Mantel-Straße, Skulpturen und Objekte von Rudi Schumertl (neues Tui-Reisecente­r), Fotografie (Barbara Lindner, Bürgerhaus) und eine Aktion „Schafe zur Adventszei­t“im Krumbacher Stadtgarte­n. Farblich gestaltete Schafe, dazu eine „bayerische Persiflage“, verspricht Sigurd Rakel. Er arbeitet bei dieser Aktion mit Wanderhirt­e Stefan Hämmerle, Schäfer Robert Huber und Max Bögel (Panflöte) zusammen. Das deutet an, dass es bei der Kunstnacht auch zahlreiche musikalisc­he Höhepunkte wie etwa die „Geistliche Abendmusik“in der Kirche St. Michael gibt. Die Kunstnacht angesichts der Fülle von Veranstalt­ungen gar zu einem Kunstwoche­nende ausweiten? Darüber haben die Organisato­ren mehrfach nachgedach­t. Es blieb bei der Kunstnacht. Und es ist ja auch die zugespitzt­e Form dieser Aktion, gewisserma­ßen der nächtliche Kunstbumme­l, die die Kunstnacht für viele offenbar so attraktiv macht. Die Ausstellun­gen und Veranstalt­ungen sind kostenlos zugänglich.

Genaue Zählungen der Besucher gibt es keine, aber es dürften Jahr für Jahr „einige Hundert“sein, wie Anita Roth und Sigurd Rakel erklären. Während der Kunstnacht seien es allein im Heimatmuse­um rund 300 Besucher. Für Rakel selbst ist es eine ganz besondere Kunstnacht, denn der 74-Jährige präsentier­t eine Jubiläumsa­usstellung zu „40 Jahre Galerie Rakel“mit Bildern von Doris Schilffart­h (sie greift Motive aus Ballett und Theater auf), Werken von Bildhauer Kurt Armbruster und Malerei von Rakel selbst. Er prägt die Kunstszene der Region seit Jahrzehnte­n. Wohl auch deswegen, weil ihm mit seinen Ideen wie die Kunstnacht immer wieder die Erneuerung dieser Szene gelang.

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Foto: Peter Bauer

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