Kabarettistisches Gesamtkunstwerk
Michael Altinger beweist im Leipheimer Zehntstadel, warum er Träger des bayerischen Kabarettpreises 2017 ist
Leipheim „Das Helle sind immer die anderen“, zitiert Michael Altinger Jean Paul Sartre. Oder Franz Beckenbauer? Egal. Jedenfalls betitelt er so sein neues Programm „Helle“, was wohl mit einer Art „Lichtgestalt“in Zusammenhang zu bringen ist. Muss ja wohl. Denn als solche trat er jedenfalls in Erscheinung, in Grünwalds TV-Freitagscomedy, am vergangenen Donnerstag, als langmähnige Berufsblondine, („breitarschige Prinzessin“gemäß Grünwaldschem Sprachgebrauch) mit Handtäschchen und darstellerischem Lustpotenzial. Verkündend, dass er am nächsten Tag in Leipheim kabarettierend wiederum in Erscheinung treten werde.
Und es geschah, Altingers Michi war da. Im ausverkauften Leipheimer Zehntstadel. Ungeblondet und ohne schwenkbares Lock-Requisit, aber mit High-Speed-Sprech der „Schutzlosigkeit des Alltags“in ihre seelisch reine Unvollkommenheit leuchtend. Ausgesprochene Powernummern bietet der diesjährige Träger des Bayerischen Kabarettpreises nicht, mehr die Facetten eines kabarettistischen Gesamtkunstwerks. Und an Gott glaube er auch, versichert er, aber beim Einparken hätte der schon ein bisschen auf ihn schauen können. Denn da hat’s geschrammt. Gewaltig.
Eine Geschichte, die sich wie ein roter Faden durch das gesamte Zweistundenprogramm zieht. Altinger ist kein Freund brüllender Lachpointen, er erzählt Geschichten, absurd anmutende Geschichten, mit zu Herz und Gemüt gehender Expressivität, Atmosphäre satt und psychogründelnd aufpoliert. Geschichten über das Erfinden sinnloser Bedürfnisse fürs Müdesein etwa. Über Strebermamis und Standup-Paddler. Über Schiebetüren aus Glas vor dem Klo („Mein Gott, wie schön er vor der Schüssel sitzt, hoffentlich bieselt er bloß!“). Aber mit Happy End: Nimm ein Streichholz und verbrenne den Duft! Oder: Pinkle von innen so lange gegen die Scheibe, bis sie Milchglas wird!
Erstaunlich nicht nur seine multikultige Stimmimitations-Fähigkeit, sondern auch seine von der Hüfte aus einstudierte Beweglichkeit im Darstellen von stehender und liegender Acht, vor allem aber seine beflügelnde Spontanität sanglicher Einlagen mithilfe wummernder Abstraktionen aus dem Keyboard seines „Rhythmusknechtes“Martin Julis Faber („Sieht aus wie ein lakto- sefreies Müsli“). Und dem hat er häufig mitzuteilen: „Mir dünkt, ich brauch ein Liedelein.“Von der Untenrumrasur des Papas durch einen Untenrumfrisör singt er, mit ranzigerotisch aufgefrischtem Dahinschmelzeffekt, über Kants kategorischen Imperativ bis zum AperolSprizz-Tussi-Song öffnet er die Schleusentore sanglich fetttriefender Verhohnepipelung zeitgeistiger Lust- und Lebenspraktiken. „Ohne Beleidigung hört dir eh keiner mehr zu!“Natürlich ist er auch beim „Feminisieren“dabei – „seit sie die Büstenhalter verbrannten“– , wenn auch als Feindbild. Und natürlich reicht er einer Dame im Publikum, weil die Luft so trocken ist, ein Glas Wasser. Schließlich steht das M in seinem Vornamen Michael, für Mutter Theresa. So ist er eben, der Michi. „Das Verändern von Fakten macht uns göttlich“, sagt er. „Ma muss öfter mal a Gaudi ha’m“, sagt er auch, „denn a Gaudi macht uns froh!“
„Helle“ist, so teilt er am Schluss mit, Teil eins seiner Kabarett-Trilogie. Teil zwei werde baldigst in ausgewählten Opernhäusern des deutschen Sprachraumes aufgeführt, und der abschließende dritte Teil („Tiroler Gröstl“) folge in den 20er Jahren. Freuen wir uns darauf!