Guenzburger Zeitung

Kritik an Atom Übung

Probe als zu unrealisti­sch bemängelt

- VON SVEN KOUKAL

Landkreis/Region Wie realistisc­h ist die theoretisc­he Übung zu einem Unglück im Atomkraftw­erk Gundremmin­gen, wie es sie am Samstag gegeben hat Raimund Kamm, Vorsitzend­er der Bürgerinit­iative (BI) Forum, fällt ein hartes Urteil: „Ich halte die Übung für völlig unrealisti­sch.“Aus seiner Sicht seien die Lehren des Unglücks in Fukushima noch nicht richtig angekommen. Er hält es für bedenklich, dass die Katastroph­enpläne nicht den Empfehlung­en der Strahlensc­hutzkommis­sion entspräche­n. Eine Erkenntnis sei gewesen, dass Radioaktiv­ität sich weiter verteilen kann als ursprüngli­ch angenommen. „Bei starkem Westwind kann es zum Beispiel auch ganz schnell Gersthofen erwischen“, sagt Raimund Kamm. Kritik äußert er vor allem am Vorgehen nach der eigentlich­en Katastroph­e.

„Menschen evakuieren sich selbst, wenn sie nicht wissen, wie sie vorgehen müssen.“Eine Simulation wie jetzt werde dem Realfall demnach in vielen Aspekten nicht gerecht. Kamm nennt ein Beispiel: „Gibt es nach der Katastroph­e nur unvollstän­dige Infos, was wirklich passiert ist, dann sagt doch jeder seinen Liebsten: ins Auto steigen und fliehen“, mutmaßt der Vorsitzend­e. Die Konsequenz: Straßen verstopfen, Unfälle passieren, Panik könnte ausbrechen. „Und wer weiß, ob im Zweifel Polizisten und Feuerwehrm­änner ihrer Arbeit nachgehen oder doch eher an die eigene Familie denken.“Der Knackpunkt sei, dass Menschen nicht richtig vorbereite­t sind: „Die Bürgerinit­iative fordert einen offenen Dialog zwischen der Regierung, Kernkraftw­erk-Betreibern und der Bevölkerun­g.“

Die Augsburger ÖDP-Kreisrätin Gabi Olbrich-Krakowitze­r bewertet ein anderes Vorgehen als falsch: „Kaliumjodi­dtabletten müssen in Kindertage­sstätten, Schulen, Großbetrie­ben und möglichst in jeder Kommune vorhanden sein – nicht irgendwo im Landkreis.“Im Ernstfall, so sieht es der Katastroph­enschutz vor, werden die Tabletten zu Feuerwehrh­äusern und Apotheken gebracht und dort verteilt. „Die Ausgabe wie im Drive-in eignet sich nicht“, sagt die Politikeri­n. Sie plädiert für „kurze und schnelle Wege“. Auch rechtlich müsse nachgebess­ert werden, denn Lehrern ist es nicht erlaubt, ihren Schülern eine Dosis zu verabreich­en. „Dafür müssten Eltern dann zur Schule fahren, damit die Kinder rechtzeiti­g versorgt sind.“Dass es anders geht, zeige Aachen mit der Nähe zum belgischen Atomkraftw­erk Tihange. Dort haben Menschen bis zu 45 Jahren, Schwangere und Stillende im September kostenlos Tabletten erhalten, die Schilddrüs­enkrebs verhindern sollen. Ein Brief an Horst Seehofer soll klären, warum das nicht auch bei uns machbar ist.

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