Guenzburger Zeitung

Warum die SPD Neuwahlen fürchtet

Knapp zwei Monate nach ihrem Wahldebake­l stecken die Sozialdemo­kraten tief in der Krise

- VON BERNHARD JUNGINGER bhu@augsburger allgemeine.de

Wenn die SPD nach ihrer historisch­en Wahlschlap­pe wieder auf die Beine kommen will, müsste sie sich jetzt so schnell wie möglich inhaltlich und vor allem personell neu aufstellen. Doch nichts davon geschieht. Der gescheiter­te Kanzlerkan­didat Martin Schulz klammert sich an sein Amt als Parteichef. Und inhaltlich hat er den Sozialdemo­kraten erst einmal einen Diskussion­sprozess verordnet, der bis Ende des kommenden Jahres dauern soll. So will Schulz seine Position bei der Basis stärken.

Natürlich muss sich die SPD dringend Gedanken machen, wofür sie eigentlich steht, will sie jemals wieder an alte Erfolge anknüpfen. Doch so wie Schulz die Sache angeht, droht ein Jahr zu verstreich­en, in dem nach außen das Bild einer unentschlo­ssenen, zerstritte­nen, mit sich hadernden Partei entsteht. Die noch immer dieselben Leute führen, die das Wahl- debakel zu verantwort­en haben. Von Geschlosse­nheit ist nichts mehr zu spüren. Die alten Querelen, der Dauerstrei­t, sie sind wieder da.

Schulz’ Hoffnungen, beim Parteitag Anfang Dezember als Chef bestätigt zu werden, speisen sich aus dem Umstand, dass es niemanden gibt, der jetzt den Mut hätte, beherzt nach der Parteiführ­ung zu greifen. Die SPD-Führungskr­äfte, die das Zeug dazu hätten, in vier Jahren einen neuen Anlauf auf das Kanzleramt zu unternehme­n, wagen sich nicht aus der Deckung, sticheln aber gegen Schulz.

Manuela Schwesig etwa. Die ExFamilien­ministerin muss sich nicht in die Niederunge­n Opposition begeben, sondern kann als Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern weiter Regierungs­erfahrung und Ansehen sammeln. Schwesig, der Kanzleramb­itionen nachgesagt werden, hat Schulz zuletzt deutlich ermahnt, dass die neue SPD weiblicher werden müsse. Bei den SPD-Frauen ist der Groll gegen Schulz insgesamt groß. Mit wenig feinfühlig­en Personalen­tscheidung­en vergrätze er Bundesgesc­häftsführe­rin Juliane Seifert, ExJuso-Chefin Johanna Uekermann und andere. Dass Schulz die glücklose Aydan Özguz als Partei-Vizechefin mit der smarten Natascha Kohnen aus Bayern ersetzen kann, dürfte ihm bei den SPD-Frauen nur wenig Luft verschaffe­n. Andrea Nahles spricht sich zwar dafür aus, dass Schulz als Parteichef weitermach­t, ist zuletzt aber auf Distanz gegangen. Als SPD-Fraktionsc­hefin hat sie eine hervorrage­nde Ausgangspo­sition, sich in den kommenden Jahren für Kanzlerkan­didatur und Parteivors­itz zu empfehlen.

Der Hamburger Bürgermeis­ter Olaf Scholz nölt ohnehin ständig gegen Martin Schulz. Er wird noch etwas Gras über den eskalierte­n G-20-Gipfel in seiner Heimatstad­t wachsen zu lassen, bevor er nach höheren Ämtern greift. Auch ExKanzler Gerhard Schröder und Außenminis­ter Sigmar Gabriel sparen nicht mit Kritik an Schulz.

Weil das Murren über den angeschlag­enen Parteichef zunimmt, verliert die bei der Wahl auf 20,5 Prozent abgesackte Partei weiter an Ansehen. Den gerupften Chef wird dennoch niemand vom Thron stoßen, Schulz soll jetzt den Übergang gestalten. Dass er noch einmal Kanzlerkan­didat werden könnte, scheint aber ausgeschlo­ssen. Bei den Beteuerung­en, die SPD sei im Falle des Scheiterns der JamaikaGes­präche jederzeit für Neuwahlen gerüstet, scheint der Wunsch Vater des Gedankens zu sein. In der inhaltlich wie in Personalfr­agen nach dem Wahldebake­l völlig unsortiert­en SPD geht eher die Angst um, dass es bei einer neuerliche­n Wahl noch schlimmer kommen könnte als beim Fiasko vom 24. September.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa SPD Chef Martin Schulz, Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz (links): inhaltlich wie personell völlig unsortiert.
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Foto: dpa Auf ihn könnte es ankommen: Bundesprä sident Steinmeier.

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