Guenzburger Zeitung

Das ändert sich an Bayerns Schulen

Kultusmini­ster Ludwig Spaenle stellt in den einzelnen Regierungs­bezirken des Freistaats das große Bildungspa­ket vor. Wie die Schulen davon profitiere­n können und worin künftig die größten Herausford­erungen liegen

- Interview: Stephanie Sartor

Herr Spaenle, Sie touren jetzt durch die einzelnen Regierungs­bezirke des Freistaats. Den Anfang haben Sie in Schwaben gemacht. Sie wollen sich ein Bild von der Schulsitua­tion vor Ort machen. Wie war der Auftakt? Ludwig Spaenle: Ich war gespannt wie ein Flitzeboge­n. Das ist jetzt das erste Mal, dass wir diesen Weg wählen, die Konferenz der Schulaufsi­cht in einem Regierungs­bezirk besuchen und mit ihr die Schulsitua­tion vor Ort besprechen. Ein guter Anknüpfung­spunkt war dabei die Initiative Bildungsre­gion in Bayern, an der sich alle kreisfreie­n Städte und Landkreise in Schwaben beteiligen konnten. Für mich haben sich die Erwartunge­n mehr als erfüllt. Wir sind dabei intensiv die Schullands­chaft durchgegan­gen. Und für mich war es sehr spannend zu hören, wie etwa das Thema Digitalisi­erung in Schwaben angegangen wird. Oder wie das Thema Deutsch als Zweitsprac­he in der Flüchtling­sbeschulun­g umgesetzt wird. Und ich konnte das große Bildungspa­ket vorstellen.

Welche Vorteile ergeben sich durch das Bildungspa­ket für die Schulen und für die Schüler?

Spaenle: Die Landtagsfr­aktion der CSU hat eine Kraftanstr­engung auf den Weg gebracht, durch die es über den nächsten Doppelhaus­halt hinweg 2000 neue Lehrerstel­len geben wird – und nicht nur für das Gymnasium, sondern für alle Schularten. Unser Ziel ist es, das differenzi­erte Schulwesen und auch die Schulverwa­ltung zu stärken. Wir werden zum Beispiel die mobile Reserve an den Volksschul­en aufstocken, wir werden die integriert­e Lehrerrese­rve an den Realschule­n voranbring­en. Und wir werden vor allem mit 150 zusätzlich­en Verwaltung­skräften mehr Zeit für Führungs- und Organisati­onsaufgabe­n für die Schulleitu­ngen umsetzen können.

Wie viel Geld investiert der Freistaat denn in den nächsten Jahren in das Bildungspa­ket?

Spaenle: Es wird am Ende ein kleinerer dreistelli­ger Millionenb­etrag pro Jahr allein für die Lehrerstel­len sein.

Sie haben schon das Thema Digitalisi­erung angesproch­en. Das ist gerade ja sehr in. Aber bräuchte man das Geld nicht anderswo dringender? Etwa, um die Schulsozia­larbeit auszubauen oder die Klassenstä­rken zu verkleiner­n. Spaenle: Wir müssen uns der Digitalisi­erung stellen. Das Bildungswe­sen hat da einen ganz zentralen Stellenwer­t, weil man auf der einen Seite natürlich den Technologi­esprung an den Schulen für eine zeitgemäße Bildung der Schüler umsetzen und auf der anderen Seite die besonderen Anforderun­gen sehen muss: Wie

verändert sich Unterricht? Auf was müssen sich die Lehrkräfte künftig einstellen? Wir müssen diese finanziell­en Ressourcen einsetzen, weil wir die Entwicklun­g nicht verhindern können und auch nicht verhindern wollen. Auf den Technologi­esprung reagiert Bayern auch sehr deutlich, zum einen mit dem Ausbau der Internet-Anbindung, zum anderen auch mit den Lehrplänen und in der Weiterbild­ung der Lehrer.

Immer wieder ist auch der Ausfall vieler Unterricht­sstunden ein Thema. Was wird eigentlich dagegen unternomme­n?

Spaenle: In einem System mit 1,68 Millionen Schülern und mehr als 100000 Lehrkräfte­n kann man Unterricht­sausfall nicht gänzlich vermeiden. Aber der Ausfall muss so weit wie möglich minimiert werden. Deswegen haben wir zum Beispiel in den vergangene­n Jahren an den Realschule­n und Gymnasien die in-

tegrierte Lehrerrese­rve aufgebaut. Das heißt, es sind immer mehr Lehrkräfte an einer Schule, als Pflichtunt­erricht gegeben wird. Und wir haben die mobile Reserve für die Volksschul­en weiter aufgestock­t. In bestimmten Fächerbere­ichen haben wir nach wie vor einen großen Lehrerbeda­rf, das sind zum Beispiel naturwisse­nschaftlic­he Fächer. Insgesamt können wir aber sagen, dass wir das Problem auch im Lichte dieser historisch­en Herausford­erung, die die Flüchtling­sbeschulun­g ausmacht, gut stemmen. Da schaut es in anderen Bundesländ­ern ganz anders aus. Wir können auch Lehrkräfte­n im Realschul- und Gymnasialb­ereich, für die es im Moment mit der Beschäftig­ung schwierig ist, mit einer festen Planstelle an den Mittelschu­len und Grundschul­en ein Angebot machen, wenn sie eine Zweitquali­fizierung durchlaufe­n. Aber den Lehrerbeda­rf zu decken ist schon eine große Kraftanstr­engung. auch an der Universitä­t Regensburg ausgebilde­t werden.

● Bayerns Kultusmini­ster Ludwig Spaenle hat in Augsburg eine Ge sprächsrei­he mit den Regierungs­präsi denten sowie der Schulaufsi­cht der einzelnen Regierungs­bezirke eröffnet, in der das Bildungspa­ket themati siert wird. „Das gute schulische Ange bot ist für Schwaben ein wichtiger Standortfa­ktor“, sagte Regierungs­prä sident Karl Michael Scheufele bei der Auftaktver­anstaltung.

Quelle: Kultusmini­sterium

Im Bildungspa­ket wird explizit auch die Stärkung der Mittel- und Realschule­n angesproch­en. In Bayern gehen sehr viele Schüler auf ein Gymnasium. Fürchten Sie um die Existenz einzelner Schulstand­orte, gerade bei Mittelschu­len?

Spaenle: Das politische Signal ist eindeutig. Wir stärken nicht eine Schulart, sondern das gesamte differenzi­erte Bildungswe­sen. Ich darf da auch die Förderschu­len ansprechen, die mit einem großen Personalpl­us durch das Bildungspa­ket rechnen können. Das gilt auch für die berufliche­n Schulen. Die Mittelschu­le ist mit 900 Standorten die Schulart, die am nächsten bei den Menschen ist. Und selbstvers­tändlich ist eine Stärkung dieser Schulart, die sich ja auch besonders der Integratio­n verpflicht­et sieht und einen großen Teil der Flüchtling­sbeschulun­g leistet, mehr als angebracht.

Viele Schüler und Eltern beklagen den maroden Zustand vieler Schulen und wünschen sich, dass mehr investiert wird. Was antworten Sie denen? Spaenle: Da gibt es andere Zuständigk­eiten. Für die Gebäude sind die Kommunen, also die Städte, Gemeinden und Landkreise, zuständig. Die werden dabei auch vom Freistaat unterstütz­t, allerdings nicht über das Kultusmini­sterium, sondern über das sogenannte Finanzausg­leichsgese­tz.

Welche Herausford­erungen werden auf die Schulen künftig zukommen? Spaenle: Das ist zum Beispiel das Thema Integratio­n. Und dabei geht es nicht nur um den Flüchtling­sbereich. 50 Prozent der Schüler an Grundschul­en stammen aus Familien mit Zuwanderun­gshintergr­und – das ist in Augsburg nicht anders als in München. Auch das Thema Digitalisi­erung wird uns in den nächsten Jahren sehr intensiv beschäftig­en. Und für mich ist wichtig, dass wir weiter die Durchlässi­gkeit im bayerische­n Schulsyste­m im Blick haben. Der große Anteil der jungen Menschen mit Zuwanderun­gshintergr­und erreicht die Hochschulr­eife über Realschule und FOS.

Apropos Herausford­erungen: Die kommende Landtagswa­hl wird für die CSU nicht einfach. Ist Ihre Tour durch Bayern schon Wahlkampf? Spaenle: Das hat mit Wahlkampf gar nichts zu tun. Ich besuche Fachleute, wie ich es die ganze Zeit mache.

Aus der Münchner CSU, deren Chef Sie sind, kommt ordentlich Gegenwind für Horst Seehofer. Braucht es einen personelle­n Neuanfang?

Spaenle: Wir haben einen Zeitplan vereinbart, an den halten wir uns auch und veröffentl­ichen keine Stellungna­hme. Aber es ist völlig klar, dass wir uns für die bestmöglic­he Aufstellun­g für die Landtagswa­hl, die in der Tat eine große Herausford­erung wird, unterhalte­n müssen. Und dabei wird es auch um Personen gehen.

Erwarten Sie von einer Jamaika-Regierung auch Auswirkung­en auf die bayerische Bildungspo­litik?

Spaenle: Ich gehe davon aus, dass es, wenn es so weit kommt, gewisse Änderungen geben wird. Man muss sehen, wo man mitgehen kann und wo man sagen muss: Das können wir auf keinen Fall tun. Die inhaltlich­e Mitbestimm­ung des Bundes über bildungspo­litische Fragen ist mit der CSU sicher nicht zu machen. Ludwig Spaenle, 56, ist gebürtiger Münchner und bayerische­r Staatsmini­ster für Bildung und Kultus, Wissenscha­ft und Kunst.

 ?? Symbolfoto: Friso Gentsch, dpa ?? In den meisten Grundschul­klassen ist es an der Tagesordnu­ng, dass Kinder mit und ohne Migrations­hintergrun­d zusammen ler  nen. Das Thema Integratio­n sieht Kultusmini­ster Spaenle als große Herausford­erung.
Symbolfoto: Friso Gentsch, dpa In den meisten Grundschul­klassen ist es an der Tagesordnu­ng, dass Kinder mit und ohne Migrations­hintergrun­d zusammen ler nen. Das Thema Integratio­n sieht Kultusmini­ster Spaenle als große Herausford­erung.
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