Nach Drogengeschäften droht die Abschiebung
Ein Marokkaner und ein Russe waren über Jahre im nördlichen Landkreis sehr aktiv im Betäubungsmittelhandel
Memmingen/Günzburg Recht teilnahmslos saßen sie da, die beiden Männer auf der Anklagebank des Memminger Jugendschöffengerichts. Erst als klar wurde, dass einer mit einer Bewährungsstrafe davon kommt, umarmte der 22-Jährige seine Angehörigen in einer Verhandlungspause. Der jüngere Komplize aus Marokko muss vier Jahre und sechs Monate absitzen.
Die beiden Angeklagten waren laut Staatsanwaltschaft in den Jahren 2013 bis 2016 im nördlichen Landkreis Günzburg im Drogenhandel äußerst aktiv und organisierten Rauschgift im Kilobereich. Das wurde dann gewinnbringend weitervertickt. Das einträgliche Geschäft mit Haschisch und Marihuana flog überraschenderweise nicht durch einen Fahndungserfolg der Polizei auf, sondern weil der 21-jährige Marokkaner aussagte, als er in Neuburg an der Donau in Haft saß. Im Zuge der Ermittlungen folgte eine Wohnungsdurchsuchung bei dem russischen Komplizen, der bei seiner Mutter und seinem Stiefvater lebte. Trotz entsprechendem Hinweis entdeckten die Beamten in einem Kellerversteck keine Drogen. Beim zweiten Angeklagten wurde im Asylheim dagegen eine Schreckschusswaffe gefunden. Das verschärft den Tatbestand beträchtlich, weil es nun um bewaffneten Drogenhandel geht. Bei Erwachsenen beginnt die Strafandrohung dann nicht unter fünf Jahren Haft.
Bevor die Verhandlung mit einer halben Stunde Verzögerung begann, hatten die Anwälte des Marokkaners, Peter Schreiner, und des Russen, Michael Bogdahn, ein Rechtsgespräch mit dem Vorsitzenden Richter Markus Veit und der Staatsanwältin beantragt. Das Ergebnis: Die beiden Angeklagten ließen durch ihre Verteidiger einräumen, dass die vorgeworfenen
Delikte zutref- fen. So konnte das Verfahren deutlich abgekürzt werden. Als einziger Zeuge sagte ein ermittelnder Kripomann aus, weil Richter Veit „wissen wollte, wie Sie den Tätern drauf gekommen sind“. Bei der Vernehmung eines anderen Drogendealers, der in Untersuchungshaft sitzt, hatte der zunächst den jungen Russen verpfiffen. Eine Durchsuchung brachte den Fahndern zunächst keine eindeutigen Beweise. Eine Haarprobe bestätigte jedoch den Drogenkonsum. Der Marokkaner hatte mittlerweile gestanden, dass die Dealer zusammen mit weiteren Asylbewerbern mehrfach Drogen in Stuttgart organisiert hatten – unter anderem sogar im Auto der Mutter des Russen.
Der 22-Jährige war als Sechsjähriger mit seiner Mutter nach Deutschland gekommen. Die Hauptschule schaffte er mit Ach und Krach, in der Berufsförderung hatte er immer wieder Probleme mit den Lehrern. Eine Lehre scheiterte und auch bei der Bundeswehr war nach zwei Monaten Schluss. Vorübergehend arbeitete der 22-Jährige bei Zeitarbeitsfirmen, „aber auch mal nichts“, und geriet zunehmend in schlechte Gesellschaft. Ob er sich schon mal Gedanken gemacht habe, was er seiner Mutter antue, fragte Richter Veit. Wenn er nach dem Prozess auf freien Fuß komme, habe der 22-Jährige die letzte Chance, noch einmal von vorn anzufangen. Das Urteil für den jungen Mann lautete auf zwei Jahre Haft mit dreijähriger Bewährungszeit. Als Auflage kommen noch 150 soziale Arbeitsstunden und eine Geldbuße in Höhe von 6900 Euro dazu, weil beim Drogenhandel von einem Verdienst in ähnlicher Höhe ausgegangen wurde.
Wesentlich härter traf es den mitangeklagten Marokkaner. Seine Mutter, mit der er nach Deutschland kam, hatte schon früh Probleme mit ihm. Bereits in der Schule sorgte er immer wieder für Konflikte, weil er völlig überzogen und aggressiv reagierte. Das wurde bei Pflegeeltern nicht besser. Schon früh kam der 21-Jährige mit dem Gesetz in Konflikt. Es folgten Delikte quer durch das Strafgesetzbuch wie Beleidigung, Bedrohung, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Erpressung, Raub und Widerstand gegen die Polizei. Selbst ein Antiaggressionstraining und ein Dauerarrest änderten den jungen Mann nicht. Vergangenes Jahr bekam er dann die erste richtige Packung: eine dreijährige Jugendstrafe unter anderem wegen Bedrohung, Körperverletzung und Raubes.
Eine deutliche Reifeverzögerung und weitere schädliche Neigungen konstatierte Hannes Klampfl von der Jugendgerichtshilfe. Da half das Geständnis als Milderungsgrund wenig: Der 22-Jährige muss für vier Jahre und sechs Monate in den Jugendknast. Laut dem Vorsitzenden Richter ist die Abschiebung des Marokkaners in sein Heimatland nach Verbüßung von mehr als der Hälfte der Strafe sehr wahrscheinlich.