Guenzburger Zeitung

Für die Steuerzahl­er bleibt nicht viel übrig

Die Kassen des Staates sind gut gefüllt, an Ideen für zusätzlich­e Ausgaben ist kein Mangel. Nur eine spürbare Entlastung der Bürger findet auch künftig nicht statt

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Die Entlastung der Steuer- und Abgabenzah­ler wird auch im Programm einer schwarzgel­b-grünen Regierung nur im Kleingedru­ckten auftauchen. Zwar findet die neue Koalition eine ausgesproc­hen komfortabl­e finanziell­e Lage vor; die Kassen des Staates und der Sozialvers­icherungen sind so gut gefüllt wie nie zuvor in der Geschichte der Republik. Doch die vier Parteien der „bürgerlich­en Mitte“hatten – mit Ausnahme der auf verlorenem Posten stehenden FDP – nicht einmal den Ehrgeiz, den seit vielen Jahren herrschend­en steuerpoli­tischen Stillstand zu überwinden und den Bürgern endlich spürbar mehr von ihrem hart verdienten Geld zu lassen.

Bei der Erfindung zusätzlich­er staatliche­r Ausgaben kennt auch die Fantasie der „Jamaika“-Unterhändl­er keine Grenzen – auf gut 100 Milliarden Euro summierten sich die diversen Wunschlist­en. Geht es um Steuersenk­ung oder gar ums Einsparen, fällt ihnen vergleichs­weise wenig ein. Die „Etatisten“, die möglichst viel Geld für den Staat absaugen und umverteile­n wollen, haben das Sagen und den Kampf um die grundsätzl­iche Stoßrichtu­ng der Finanzpoli­tik für sich entschiede­n. Die liberale Idee, dass erwirtscha­ftetes Geld auch in den Taschen der Bürger ganz gut aufgehoben sein könnte und der Staat mit seinen Mitteln streng haushalten sollte, ist in Vergessenh­eit geraten. Die SPD hat viel an Boden verloren, doch die sogenannte „Sozialdemo­kratisieru­ng“der Politik ist weit vorangesch­ritten. Der großkoalit­ionäre Geist, die sprudelnde­n Steuerquel­len insbesonde­re für eine Ausweitung staatliche­r Leistungen anzuzapfen, führt auch der neuen Regierung die Hand.

Dass niemand mehr von einem einfachere­n, transparen­teren Steuerrech­t redet und die Wachstumsc­hancen einer gründliche­n Steuerrefo­rm ungenutzt bleiben – geschenkt. Dass jedoch selbst jetzt, inmitten eines seit Jahren andauernde­n wirtschaft­lichen Booms, kein Anlauf zu einer wirklichen Entlastung der Normalverd­iener unternomme­n wird, ist ein Armutszeug­nis für die politische Klasse. Nun gut, man kratzt 15, vielleicht auch 20 Milliarden Euro zusammen, um mit dem schrittwei­sen Abbau des vor 25 Jahren (!) eingeführt­en Solidaritä­tszuschlag­s endlich zu beginnen, den „Mittelstan­dsbauch“ein bisschen abzuschmel­zen und Familien mit Kindern ein paar Euro mehr zukommen zu lassen. Das wäre aller Ehren wert, wenn der Staat in der Klemme steckte. Doch er schwimmt ja im Geld – dank immer neuer Steuerreko­rde und infolge der Nullzinspo­litik, deren größter Gewinner der Staat ist. Bund, Länder und Gemeinden nehmen heuer 734 Milliarden an Steuern ein und können 2022 mit fast 900 Milliarden (!) rechnen. Gemessen an dieser Geldschwem­me fällt die Entlastung der Steuer- und Beitragsza­hler sehr mickrig aus. Mehr „Spielraum“sei nicht vorhanden, heißt es. Richtig an diesem gezielten Kleinreden des Einnahme-Plus ist, dass bei zahlreiche­n Aufgaben – Bildung, Internetau­sbau, Verkehrsne­tz – großer Investitio­nsbedarf besteht und höhere Ausgaben für die EU, für die Verteidigu­ng und die Entwicklun­gshilfe anstehen. Hinzu kommt: Versorgung und Integratio­n der Flüchtling­e verursache­n immense Kosten in Höhe von über 20 Milliarden Euro pro Jahr – eminent viel Geld, das an anderen Stellen fehlt. Für einen großen steuerpoli­tischen Wurf mag also tatsächlic­h nicht genug Manövrierm­asse da sein. Zumal ja, was richtig ist, keine neuen Schulden mehr gemacht werden sollen.

Trotzdem wäre mehr drin für die Millionen Menschen der in Sonntagsre­den viel gerühmten, über Gebühr abkassiert­en „arbeitende­n Mitte“. Es fehlt nur am Willen der Politik, den großen Worten Taten folgen zu lassen.

Und wieder ist kein „Spielraum“vorhanden…

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