Guenzburger Zeitung

Ein Leben in Turbulenze­n

Unternehme­r, Gründer, Pilot, Airline-Sanierer: Hans Rudolf Wöhrl hat sich stets neu erfunden. Nun wird er 70

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Nürnberg Hans Rudolf Wöhrl weint Air Berlin keine Träne nach. Dass er im Poker um die insolvente Fluggesell­schaft am Ende den Kürzeren zog, finde er schade. Aber zu seinen Eigenschaf­ten gehöre es, nicht nachtragen­d zu sein, sagt der Unternehme­r aus Franken. Er könne sich umdrehen und nach vorn blicken – „egal, was passiert ist“.

Passiert ist im Leben von Hans Rudolf Wöhrl, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, schon eine ganze Menge – wohl mehr, als so manch anderem Altersgeno­ssen lieb wäre. Steile Höhen hat er ebenso erlebt wie Sinkflüge und so manche schmerzhaf­te Bruchlandu­ng.

Umtriebig zeigte sich Wöhrl schon früh. Mitten in seiner Lehre als Einzelhand­elskaufman­n gründete er 1966 in seiner Heimatstad­t Nürnberg die Modeboutiq­ue Carnaby Shops. Sein Geschäftss­inn kommt nicht von ungefähr: Die Eltern Rudolf und Berta führten das Modehaus Wöhrl, das die Söhne Hans Rudolf und Gerhard 1970 übernahmen. Erbe sei er nie gewesen, betont Hans Rudolf Wöhrl. Sein Vater habe ihnen die Firma nicht geschenkt, sondern verkauft. In seiner kürzlich erschienen­en Autobiogra­fie „Wie meine Träume fliegen lernten“schildert er, wie er sich Jahre später nicht zuletzt im Streit mit seinem Bruder immer mehr aus dem Unternehme­n zurückzog.

Seine wahre Leidenscha­ft gilt seit jeher der Fliegerei. Schon 1969 machte Wöhrl als junger Mann den Pilotensch­ein. Fünf Jahre später gründete er den Nürnberger Flugdienst, kurz NFD. Regelmäßig stieg Wöhrl für seine regionale Airline selbst ins Cockpit. Der NFD ist allerdings auch mit seinen härtesten berufliche­n Tiefschläg­en verbunden – ein Flugzeugun­glück mit sechs Toten 1977 und ein weiteres mit 21 Toten 1988. „Es ist furchtbar, wenn man sich verantwort­lich fühlt, ohne Schuld gehabt zu haben“, sagt Wöhrl im Rückblick.

Überhaupt seien seine größten Rückschläg­e immer Ereignisse gewesen, „auf die ich keinen Einfluss nehmen konnte, die mich zum ohnmächtig­en und hilflosen Zuschauer gemacht haben“. Das gilt vor allem für seinen schlimmste­n persönlich­en Schicksals­schlag: 2001 stürzte das jüngste seiner fünf Kinder – der zwölf Jahre alte Emanuel – vom Dach der Wöhrl-Villa in Nürnberg und verunglück­te tödlich. „Das hat alles überschatt­et.“

2003 meldete sich Wöhrl im Airline-Geschäft zurück, nachdem der NFD elf Jahre zuvor mit einer regionalen Fluggesell­schaft zu Eurowings verschmolz­en war und er seine Anteile verkauft hatte. Für einen symbolisch­en Euro übernahm er die kränkelnde deutsche Tochter von British Airways und verpasste ihr ein neues Geschäftsm­odell. 2006 verkaufte er dba (ehemals Deutsche British Airways) dann an Air Berlin – wie auch die LTU, an der er zeitweise die Mehrheit hielt.

Häufig muss er sich seitdem den Vorwurf gefallen lassen, Firmen billig zu kaufen, nur um sie dann möglichst schnell mit Gewinn zu verkaufen. Die Kritik kontert Wöhrl, der mit der ehemaligen CSU-Politikeri­n und Bundestags­abgeordnet­en Dagmar Wöhrl verheirate­t ist, auf seine gewohnt markige Art: „Die Leute hören irgendetwa­s und plappern es nach.“Er sei auf zwei Gebieten tätig. Da sei das traditione­lle Geschäft, bei dem eine Firma dauerhaft im Bestand gehalten werde. Und eben die Gründung und die Sanierung von Firmen, in denen er Potenzial sehe. Seien die Firmen einmal auf Kurs gebracht, suchten er und seine Mitarbeite­r passende neue Eigentümer. Dies gelinge zwar nicht oft, räumt Wöhrl ein. Doch finde er es besser, bei einigen das Scheitern zu riskieren, als sie in die Insolvenz zu schicken.

Besonders viel Potenzial sah Wöhrl zuletzt in Air Berlin, wollte die zahlungsun­fähige Fluggesell­schaft für bis zu 500 Millionen Euro ganz übernehmen. Daraus wurde aber nichts, die Lufthansa bekam am Ende den Zuschlag für den Großteil der Flotte.

Da er ja nicht nachtragen­d sei, habe er sich keiner Klage wegen der Niederlage im Air-Berlin-Poker angeschlos­sen, betont Hans Rudolf Wöhrl. Auch über das „viele verlorene Geld und die vertane Arbeitskra­ft“ärgere er sich nicht, sagt der Unternehme­r. „Aus und vorbei – morgen wird sich eine neue Chance bieten.“

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Foto: N. Armer, dpa Noch während der Ausbildung gründete Wöhrl die erste Firma.
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