Guenzburger Zeitung

Wie wird man diese Schulden los?

Der Landkreis Donau-Ries ist seit diesem Monat der einzige schuldenfr­eie in ganz Bayern. Wie das gelungen ist und warum sich andere damit so schwer tun

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg/Donauwörth Ganz am Ende sagt Stefan Rößle den Satz, der es wohl am besten trifft: „Schulden woll mer net.“Der 53-Jährige ist Schwabe. Und außerdem ist er der Landrat des einzigen Landkreise­s in ganz Bayern, der keinen Cent Schulden mehr hat. Stand der Kreis Donau-Ries im Jahr 2008 noch mit 25 Millionen Euro bei Banken in der Kreide, zahlte er Ende Oktober dieses Jahres die allerletzt­e Rate zurück. „Wir wollen unseren Kindern Chancen bieten und keine Schulden hinterlass­en“, sagt Landrat Rößle mit einigem Stolz in der Stimme. Er war es gewesen, der 2008 den konsequent­en Schuldenab­bau vorgeschla­gen und schlussend­lich trotz politische­n Gegenwinds auch durchgezog­en hatte. Der Landkreis Donau-Ries habe in den vergangene­n 20 Jahren rund 50 Millionen Euro allein an Zinsen gezahlt. Dieses Geld könne künftig für sinnvoller­e Dinge eingesetzt werden.

Nun stellt sich die Frage, wie es der nördlichst­e Landkreis Schwabens geschafft hat, den eigenen Schuldenbe­rg dem Erdboden gleich zu machen, während er anderswo seit Jahren mehrere Millionen Euro

Wirtschaft­liche Großkalibe­r und ein Sparplan

hoch ist und eher größer als kleiner wird. Landrat Rößle nennt mehrere Gründe. Zum einen sei da die gute finanziell­e Situation in einer Region, in der wirtschaft­liche Großkalibe­r wie Airbus Helicopter­s und unzählige mittelstän­dische Unternehme­n dafür sorgen, dass die Steuern munter sprudeln und nur 1,7 Prozent der Bürger keine Arbeit haben. Zudem sei ein Zehn-Jahres-Plan für Investitio­nen aufgestell­t worden, bei dem klar abgesteckt wurde, was wann nötig ist – und was eben nicht. „Wir haben trotzdem in den letzten zehn Jahren 100 Millionen Euro in unsere Schulen investiert“, betont Rößle. Gleichzeit­ig würde die Personalen­twicklung im Landratsam­t stets kritisch geprüft und Stellen eingespart, wenn es möglich ist.

Klingt alles nach keinem Hexenwerk – und doch gelingt es vielen Landkreise­n und kreisfreie­n Städten in der Region nicht in diesem Maße, die eigenen Schulden abzubauen. Warum? Auf Nachfrage gibt es viele Erklärunge­n. Manch Kämmerer vermutet hinter vorgehalte­ner Hand clevere Zahlenspie­lereien der Kollegen im Donau-Ries. So sei es beispielsw­eise gängige Praxis, defizitäre Bereiche wie Krankenhäu­ser oder Hallenbäde­r auszuglied­ern. Das ist tatsächlic­h auch im Landratsam­t in Donauwörth der Fall. So schlum- hinter der „schwarzen Null“noch rund zwölf Millionen Euro Schulden der Kreisklini­ken, für die der Landkreis geradesteh­en muss.

Andere Kämmerer sehen dank der günstigen Zinsen und „Krediten zum Nulltarif“aktuell gar keinen großen Handlungsb­edarf, von den eigenen Schulden herunterzu­kommen. Wiederum andere sehen dafür gar keine Möglichkei­t – angesichts millionens­chwerer Investitio­nen in Schulen, Krankenhäu­ser, Theater und ähnliches. Und wieder andere stehen ebenfalls kurz vor der Schuldenfr­eiheit. So plant beispielsw­eise Ingolstadt im kommenden Jahr die Rückzahlun­g fast aller noch ausstehend­en Kredite. Es wäre der Höhepunkt einer rasanten Entwicklun­g: Schon jetzt führt die oberbayeri­sche Audi-Metropole eine bundesweit­e Rangliste an. In den vergangene­n vier Jahren baute Ingolstadt 83 Pro- zent seiner Schulden ab. Keine Stadt in Deutschlan­d schaffte mehr.

Eine Sonderroll­e in der Region, das zeigt schon allein der Blick auf den mit 426 Millionen Euro mit Abstand größten Schuldenst­and, nimmt die Stadt Augsburg ein. Als kreisfreie und größte Stadt in Schwaben kann sie nicht von Einnahmen über die sogenannte Kreisumlag­e zehren, sondern muss sämtliche Ausgaben alleine stemmen. „Von daher lassen sich Landkreise und kreisfreie Städte nicht seriös miteinande­r vergleiche­n“, erklärt Kämmerer Roland Barth und sieht Augsburg – im Vergleich mit anderen Städten – aktuell in einer „ganz ordentlich­en“Situation. Zuletzt habe insbesonde­re die Sanierung des Stadttheat­ers die Schulden nach oben getrieben.

Im Kreis Donau-Ries könnte sich Landrat Stefan Rößle derweil gemern nüsslich zurücklehn­en – will er aber nicht. Die „schwarze Null“zu erreichen, sei das eine gewesen. Sie zu halten, das andere. Für die kommenden Jahre habe er seinen Bürgermeis­tern versproche­n, die Kreisumlag­e zu senken, also die Kommunen zu entlasten. Quasi als Dank dafür, dass sie in den vergangene­n Jahren den Schuldenab­bau mitgetrage­n haben. Dieses Verspreche­n werde er „auf jeden Fall“einlösen. Angesichts günstiger Zinsen und einer ungewissen wirtschaft­lichen Zukunft könne er aber nicht ausschließ­en, dass der Landkreis eines Tages wieder zur Bank gehe und einen Kredit aufnehme. Also alles nur eine Momentaufn­ahme?

„Es ist mein Ziel, ohne weitere Schulden auszukomme­n“, sagt Rößle. Und schiebt dann den Satz hinterher, der es wohl am besten trifft: „Schulden woll mer net.“

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