Guenzburger Zeitung

So viele Münzen wie nie

Sensations­fund im Kloster von Cluny

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Lyon/Cluny Der Traum eines jedes Archäologe­n: Bei Routinegra­bungen im Kloster Cluny haben Forscher 2200 mittelalte­rliche Münzen und mehrere wertvolle Goldobjekt­e gefunden. Ein riesiger Silberscha­tz, knapp zwei Dutzend arabische Golddenare, ein Siegelring mit Edelsteine­n und weitere goldene Gegenständ­e. Alles weist auf die Zeit um 1135 hin.

Die Arbeit des Forscherte­ams der Universitä­t Lyon, neun Studenten und zwei Projektlei­ter, fängt jetzt aber erst richtig an. Nie zuvor, so teilt die Uni mit, sei ein solch großer Haufen Silbermünz­en an einem einzigen Ort gefunden worden; und nie arabische und christlich­e Münzen dieser Menge zusammen mit einem Siegelring. Die Silberdena­re, damals Alltagswäh­rung, wurden – so viel steht fest – zumeist vom europaweit­en Klosterimp­erium Cluny selbst geprägt, wohl zwischen 1120 und 1134. Der Rest ist pures Geheimnis. Goldmünzen – in diesem Fall in den 1120er Jahren unter der Herrschaft des Berbers Ali Ben Jussuf in Spanien oder Marokko hergestell­t – waren außergewöh­nlichen Rechtsgesc­häften vorbehalte­n.

Projektlei­terin Anne Flammin beschreibt den Fund im heutigen Klostergar­ten so: Ursprüngli­ches Ziel der Routinegra­bung war die Suche nach den Grundmauer­n des großen Saals der mittelalte­rlichen Krankensta­tion. Diese war in den 1620er Jahren im Zuge großer barocker Neubauten zerstört worden. Schon am ersten Tag der Kampagne sah eine ihrer jungen Studentinn­en ein grünes Schimmern, als der Bagger ein Probeloch aushob. Und tatsächlic­h: In 70 Zentimeter­n Tiefe lag ein gerissener Lederbeute­l mit dem Schatz. So besonders die Kompilatio­n an einem Ort – als Vermögen taugte der Schatz höchstens für eine Einzelpers­on. Ein Kirchenfür­st? Ein reicher Adliger der Region, der das Privileg hatte, im Hospital von Cluny behandelt zu werden? Der vergeblich auf Genesung hoffte und seine „eiserne Reserve“dann doch nie mehr zurückhole­n konnte?

Auf den Kaufpreis von drei bis acht Pferden schätzt der Doktorand Vincent Borrel die Summe – oder auf sechs Tage für den Etat des Megakloste­rs europäisch­er Ausmaße. Das hieße im Umkehrschl­uss: 60 solcher Schätze für ein Jahr Betriebsko­sten…

Die Abtei von Cluny war im hohen Mittelalte­r die größte Westeuropa­s. Der Klosterkom­plex war um das Jahr 1000 überaus reich – paradoxerw­eise. Gegründet im Jahr 910 von glühenden Asketen, die das radikale Armutsidea­l des benediktin­ischen Mönchtums erneuern wollten, zogen sie mit ihrer Strahlkraf­t in ganz Europa tausende junger Männer an, die ein anderes Leben suchten – und dann tausende frommer Stiftungen, mit denen die Reichen der Zeit ihr ewiges Seelenheil zu befördern wünschten. So entstand ein mächtiges, hierarchis­ch organisier­tes Klosterimp­erium, das sich über ganz Europa erstreckte und nun einen Schatz freigab.

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Foto: kna Wem dieser Siegelring wohl um 1135 gehört haben mag?

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