Her mit dem Pflaster
OHEIKE SCHREIBER h weh, das Geschrei im Obergeschoss ist groß. Die kleine Tochter hat sich mal wieder äußerst schwer verletzt. Sie hat sich einen so gewaltigen Kratzer an der Hand zugezogen, dass er zumindest für die Mama unsichtbar bleibt. Aber die Vierjährige besteht – wie immer – auf ein möglichst buntes Pflaster. Und da es an ihren klebrigen Fingerchen selten gut hält und sich meist nach zwei Sekunden ablöst, fordert sie kurze Zeit später ein neues. Der Pflasterverbrauch des Töchterleins ist enorm. Ihren Vorsatz, nur dann Pflaster auszugeben, wenn ein Blutstropfen zu sehen ist, hat die Mama schon längst über Bord geschmissen. Weil das Prozedere eigentlich stets das gleiche, mit großem Tamtam und Tränen und bei Nichterreichen des Ziels mit Zirkus verbunden ist, spricht die große Schwester nur noch von der „Pflaster-Lisl“.
Der ist just vor dem Schlafengehen ein schreckliches Malheur passiert. Sie hat ein geheimnisvolles Aua, irgendwo zwischen Backe und Mund. Erstaunlicherweise klebt das Pflaster auch am nächsten Morgen noch mitten im Gesicht. Die Kleine verzichtet sogar auf das Frühstück, um ja nicht die Lippen bewegen zu müssen. Es soll ja nichts verrutschen. Eigentlich könnte die Tochter ruhig öfter an diese zentrale Stelle Pflaster kleben, am besten quer über den Mund. Dann wäre wenigstens mal kurze Zeit eine wunderbare Stille.