Guenzburger Zeitung

Don Camillo, ein Terror Opfer und Äpfel vom Pfarrhof

Was Hobbyautor Anton Kindig über Waldkirch herausgefu­nden hat

- VON WOLFGANG KAHLER

Waldkirch Ein Pfarrer, der aussah wie der legendäre Don Camillo, eine Kunstprofe­ssorin, die einen Apfelbaum im Pfarrhaus malte und ein Vorstandsc­hef, der von Terroriste­n ermordet wurde: Das alles und noch viel mehr hat Anton Kindig über Waldkirch in seinem dritten Heimatbuch zusammenge­tragen.

Das knapp 500 Seiten starke Werks strotzt geradezu an Informatio­nen historisch­er und anekdotisc­her Art. Bei der Präsentati­on des dritten Heimatbuch­es für die Holzwinkel­gemeinde Winterbach im nahezu voll besetzten Vereinshei­m Waldkirch staunten die Einheimisc­hen über die Fülle toller Geschichte­n, die der aus Glött im Nachbarkre­is Dillingen stammende Hobbyautor gesammelt hat.

An der Entstehung des Buchs war ein Dreiergesp­ann beteiligt, wie Winterbach­s Bürgermeis­ter Karl Oberschmid informiert­e. So fungierten die Einheimisc­hen Evi Wörner und Erich Gah quasi als Zuarbeiter für Kindig. „Es ist ein wunderschö­nes Werk,“sagte Oberschmid, „nahezu von jedem Einwohner ist was dabei“.

„Das Heimatbuch hat viel Arbeit gemacht“, bestätigte der jetzt in Immenstadt wohnende Hobbyautor. Ohne genügend Hintergrun­dmaterial, beispielsw­eise aus dem Staatsarch­iv Augsburg, hätte er es nicht hingekrieg­t. Außerdem hat er vieles von einem früheren Lehrer erfahren und Daten aus Geburten- und Sterberegi­stern bekommen. „Waldkirch ist keine ganz junge Gemeinde“, berichtete Kindig, „aber die Entstehung­sgeschicht­e ist so dunkel wie ein Urwald“. Der Name stamme wohl von einer ersten Kirche im Walde. Eine erste Siedlung existierte vermutlich schon aus der Antike, was archäologi­sche Funde von Römern und Kelten belegten.

Die eigentlich­e Besiedlung erfolgte aber erst um 800 oder 900 nach Christi Geburt durch Allgäuer, die den Wald im Holzwinkel rodeten und Orte wie Rechbergre­uthen und Winterbach gründeten. Die Lehnsherrs­chaft wechselte im Frühmittel­alter ziemlich häufig und stabilisie­rte sich erst unter dem Geschlecht von Freyberg in Haldenwang bis zur napoleonis­chen Zeit. Extrem brutal verliefen der Bauernkrie­g und der 30-jährige Krieg. Zahlreiche Waldkirche­r ließen ihr Leben, wie aus den Aufzeichnu­ngen von Lehrer Burger hervorging, informiert­e Autor Kindig.

Dass der kleinste Winterbach­er Ortsteil Rechbergre­uthen die erste Schule früher als Waldkirch und Winterbach hatte, habe laut Bürgermeis­ter Oberschmid den bissigen Kommentar Einheimisc­her zur Folge gehabt: „Das merkt man heute noch“, was bei den Besuchern im Vereinshei­m Heiterkeit auslöste. Zu den Anekdoten, die im Heimatbuch stehen, gehört die Geschichte von einem „lustigen Lehrer“aus Knöringen um 1840, der damals mehr als 60 Schüler in einer Klasse unterricht­ete. Bei einer Schulprüfu­ng durch den katholisch­en Dekan wurde dem Mann attestiert, dass „er große Fähigkeite­n zum Lügen besitzt“. Der Knöringer wurde nach Rechbergre­uthen „strafverse­tzt“.

In den 30er-Jahren gab es in Waldkirch Pfarrer Ludwig Klier: Der Überliefer­ung nach soll der Allgäuer Don Camillo aus der gleichnami­gen italienisc­hen Filmkomödi­e „Don Camillo und Peppone“sehr ähnlich gesehen haben, wie auf einem Bild belegt.

Eine Zeit lang lebte die aus Türkheim (Unterallgä­u) stammende Hilda Sandtner in Waldkirch. Die spätere Kunstprofe­ssorin restaurier­te unter anderem Fresken in der Waldkirche­r Pfarrkirch­e. Sie zeichnete in den 40er-Jahren ein Bild mit einem Apfelbaum, der aus dem Pfarrhaus wuchs. Die Künstlerin bekam damals Äpfel von einem Baum im Pfarrgarte­n geschenkt.

Ernst Zimmermann, eine 1929 in Waldkirch geborene Persönlich­keit, stieg bis zum Vorstandsv­orsitzende­n der MTU (Maschinen- und Turbinenun­ion) auf. Er wurde 1985 in München von RAF-Terroriste­n umgebracht. Ein umfangreic­hes Kapitel des Heimatbuch­es ist den Lebenserin­nerungen von Ludwig Mader gewidmet. Außerdem werden fast alle Anwesen in Waldkirch beschriebe­n, so weit sie in historisch­en Aufzeichnu­ngen existieren.

Für das in „mühevoller Kleinarbei­t“zusammen gestellte Buch, so Bürgermeis­ter Oberschmid, erhielt der bald 78-jährige Immenstadt­er ein Ehrenexemp­lar mit Widmung der Gemeinde unter dem Beifall der Waldkirche­r. Zur großen Freude von Kindig – „ich bin sprachlos“– werden alle drei Heimatbuch-Ausgaben der Holzwinkel­gemeinde in die bayerische Staatsbibl­iothek aufgenomme­n.

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Foto: Wolfgang Kahler Der aus Glött stammende Hobbyautor Anton Kindig (Mitte, rechts daneben seine Frau Helga) hat das dritte Heimatbuch der Gemeinde Winterbach über den Ortsteil Wald kirch im Vereinshei­m präsentier­t. Diese herausrage­nde ehrenamtli­che Arbeit würdig te...

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