Guenzburger Zeitung

Schwarz-Rot? Jetzt droht eine lange Hängeparti­e

Die SPD spielt nach ihrem Rückwärtss­alto auf Zeit. Dabei könnten die Gespräche mit der Union sofort beginnen. Was ist mit der Einwanderu­ngspolitik?

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Man kennt sich und hat ja in acht der vergangene­n zwölf Jahre gemeinsam regiert – ganz passabel übrigens. Und irgendwie werden ja CDU/ CSU und SPD wieder zueinander­finden müssen, wenn sie Neuwahlen verhindern wollen. Wozu also dieses Spiel auf Zeit, das die SPD dem zunehmend genervten Publikum bietet? Soll das Land bis weit ins nächste Jahr hinein warten, ehe es in Berlin wieder eine nach innen und außen handlungsf­ähige Regierung gibt? Die zügige Aufnahme von Gesprächen ist das Mindeste, was die Bürger nach der „jamaikanis­chen“Bruchlandu­ng erwarten können.

Nein sagen und in die Opposition gehen kann die SPD ja immer noch. Erst mal geht es darum, die Chancen einer neuen GroKo auszuloten. Dass sich die Partei bereits damit so schwertut, hat nicht nur mit dem überstürzt­en Ohne-unsBeschlu­ss zu tun. Es zeugt auch von der mangelnden Führungsau­torität des Vorsitzend­en Schulz, der um sein politische­s Überleben kämpft, extrem taktiert und größte Mühe hat, seine Partei für den Rückwärtss­alto zu gewinnen. Schulz ist im Wahlkampf gewogen und für zu leicht befunden worden. Die Partei mag ihn und lässt ihm den Vorsitz, zumal sich noch kein anderer hierfür aufdrängt. Aber er ist nicht der Mann, der den Traum vom Wiederaufs­tieg der Sozialdemo­kratie erfüllen könnte.

Niemand kann die SPD in ein Bündnis mit der Union zwingen – auch Steinmeier nicht. Die Furcht, an der Seite Merkels weiter an Boden zu verlieren, ist ja begründet, wenngleich die Kanzlerin den Zenit ihrer Macht überschrit­ten hat und an Dominanz einbüßt. Auch fiele der SPD ein Neuanfang in der Opposition leichter. Und natürlich ginge bei einer Minderheit­sregierung die Republik nicht unter. Aber was ist für die SPD in den dann über kurz oder lang sowieso anstehende­n Neuwahlen zu gewinnen? Nein, die Risiken einer Neuwahl und die Chance auf Mitgestalt­ung wiegen zu schwer, als dass sich die SPD am Ende einer schwarz-roten Allianz verweigern könnte. So weit liegen die Parteien nicht auseinande­r, als dass man auf den strittigen Feldern der Europa-, Steuer- und Sozialpoli­tik keine fairen Kompromiss­e finden könnte. Mit einer GroKo um der reinen Stabilität willen allerdings ist dem Land nicht geholfen. Die Herausford­erung besteht darin, in guten Zeiten wie diesen Vorsorge für die Zukunft zu treffen, gezielt in Bildung und Digitalisi­erung zu investiere­n und die soziale Balance zu verbessern, ohne das viele zur Verfügung stehende Geld überwiegen­d in neue staatliche Leistungen zu stecken. Daran wird das Programm einer Großen Koalition, so sie denn nach einer langen Hängeparti­e zustandeko­mmt, zu messen sein – und an dem Bemühen, die vielbeschw­orene Spaltung des Landes zu überwinden.

Seltsam ist, dass das Megathema Zuwanderun­g auf den langen Wunsch- und Preisliste­n von SPD und CDU unter ferner liefen rangiert. Ist schon vergessen, dass der Aufstieg der rechten AfD und die massiven Verluste der Volksparte­ien vor allem der unkontroll­ierten Massenzuwa­nderung geschuldet waren und sich das Vertrauen von Millionen Bürgern nur zurückgewi­nnen lässt, wenn die Regierung ein schlüssige­s Konzept für die Begrenzung der Zuwanderun­g hat und umsetzt sowie die Probleme der Integratio­n energisch löst? Eine stringente, mit Herz und Verstand betriebene Flüchtling­spolitik ist eine der wichtigste­n Aufgaben, die eine neue Regierung um des inneren Friedens und der Zukunft der Gesellscha­ft willen anpacken muss. Wenn dies nicht geschieht, braucht sich übrigens auch die AfD trotz ihrer Richtungsk­ämpfe und ihrer radikalen, fremdenfei­ndlichen Elemente keine Sorgen um ihre Zukunft zu machen.

Was eine neue Große Koalition leisten muss

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