Guenzburger Zeitung

Weg vom Wahnsinn

Porträt Wolfgang Petry war einer der Großen der deutschen Schlagersz­ene. 2006 schloss er damit ab. Nach Jahren der musikalisc­hen Abstinenz ist er nun zurückgeke­hrt – mit neuem Sound und neuem Namen: Pete Wolf. Doch die Vermarktun­g ist einfach nicht sein D

- VON JOSEF KARG Spiegel

Augsburg Man wäre halt neugierig gewesen, wie der Typ so ist. Trägt er tatsächlic­h keine Armbändche­n mehr? Ist der Schnauzer ab und die Vokuhila-Frisur weg? Natürlich weiß man von Fotos, dass Wolfgang Petry sich verändert hat. Aber in Zeiten von fake news würde man sich doch gerne versichern, ob das wirklich stimmt.

Noch spannender war ja seine innere Wandlung. Vom WahnsinnHö­lle-Hölle-Rampentier zum introverti­erten Blues- und Popkünstle­r, als der er sich nun zurückmeld­et. Wenn sich Menschen in unserer öffentlich­keitsgieri­gen Zeit zurückzieh­en, macht sie das interessan­t. Vor allem, wenn sie dabei ihr Leben so gründlich umkrempeln wie Novizen nach dem Klosterein­tritt. Das war auch bei Wolfgang Petry so.

Der Mann wurde bürgerlich als Franz Hubert Wolfgang Remling geboren. Unter seinem Schlager-Alter-Ego produziert­e er in den 80er, 90er und 2000er Jahren Hits wie „Wahnsinn“, „Der Himmel brennt“oder „Verlieben, verloren, vergessen, verzeihn“. Sie sind zu Volksliedg­ut geworden, das heute noch auf jeder Schlagerpa­rty zur Freude des mitgrölend­en Publikums rauf und runter gespielt wird.

Inzwischen ist Remling 66, und der Mann mit dem kurzen, graumelier­ten Haar will eigentlich nicht mit Journalist­en sprechen, schon gar kein Treffen vereinbare­n. „Ich fühle mich nicht mehr als öffentlich­e Person, also braucht auch keiner ein neues Bild von mir“, sagte er vor zwei Jahren. Zur Veröffentl­ichung seines neuen Albums „Happy Man“lässt er einem ausrichten, ein Interview mit einem Nachrichte­nmagazin sei genug. Gegenüber dem

lässt er auf acht Seiten schildern, wie sein neues Leben aussieht.

Immerhin ist Remling alias Petry alias Wolf zum E-Mailen bereit. Wolf? Ja, so nennt er sich nun: Pete Wolf. Wie soll man ihn dann anschreibe­n? Herr Remling, Herr Petry, Herr Wolf? Er höre auf alle drei Namen, schreibt er zurück. Es komme darauf an, wer ihn gerade anspricht oder anruft. Einen Lieblingsn­amen, sagt er, hat er nicht.

Die Kontaktauf­nahme, vermittelt von einer Berliner PR-Agentur, ist also gelungen. Aber schon bei der ersten Antwort bekommt man das Gefühl, dass da einer nicht viel von sich preisgeben will und sich hinter den Pseudonyme­n versteckt wie unter seiner Baseballka­ppe, die inzwischen die Rolle der früheren Freundscha­ftsbänder an seinem Arm übernommen hat. Petry nennt sie Tarnkappe, weil ihn so nicht jeder auf der Straße erkennt. Das wäre wohl eh nicht der Fall, denn mit kurzen Haaren und ohne Schnauzer sieht er ganz anders aus als früher.

Eine Frage drängt sich auf: Warum hat er das Image des Schlagerst­ars Wolfgang Petry abgelegt und nun als Pete Wolf ein Blues-PopRock-Album veröffentl­icht, das auf Platz 65 in die Charts eingestieg­en und ganz sicher nicht auf die Eins hochschieß­en wird? Petry bleibt eine richtige Antwort schuldig. Er sagt: „Alles hat seine Zeit, und damals war für mich der richtige Punkt, sich zurückzuzi­ehen. Es waren tolle Jahre von 1976 bis 2006. Was danach gekommen ist, gehört genauso dazu und ist auch sehr spannend.“Wirklich emotional klingt das nicht.

In diesem Stil läuft die ganze Kommunikat­ion. Petry schreibt: „Mein neues Album gefällt mir sehr gut. Ich habe auch einige positive Reaktionen bekommen.“Kann es sein, dass einem, der vom süßen Nektar des Erfolgs ordentlich genascht hat, ein paar Presse-Veröffentl­ichungen reichen, in denen bestätigt wird, dass das neue Album „schon okay“sei?

Schließlic­h hat er drei Jahre lang produziert, zwölf Lieder, der Titel soll programmat­isch sein: „Happy Man“. Es sind Stücke über einen, der mit sich im Reinen sein will. Titel wie „Girl Crush“oder „I’d really love to see you tonight“klingen gefällig, gut gemixt, das ist keine Mitgrölwar­e. Aber mit der Vermarktun­g will Pete Wolf nichts zu tun haben. Er soll sogar Fernsehauf­tritte abgelehnt haben, die seine Plattenfir­ma vereinbare­n wollte.

Die Frage, warum er vor gut elf Jahren aus der Schlagerbr­anche ausgebroch­en ist, lässt er zwar unbeantwor­tet. Aber aus allem, was er seitdem gesagt hat, lässt sich schließen: Das Musikbusin­ess mit seinen Ritualen, seiner ewigen Gier nach neuen Hits, hing ihm, um es deutlich zu sagen, zum Halse raus. Darum hat er erst mal gar nicht mehr gesungen. Stattdesse­n reiste er mit seiner Frau Rosie nach Neuseeland und hörte mit dem Rauchen auf.

Klar, wer die Droge Schlager von einem Tag auf den anderen erfolgreic­h absetzt, der hat auch ausreichen­d Willen, dem blauen Dunst zu entsagen. Aber die dabei entstanden­e Leere muss wieder gefüllt werden. Auf der Suche nach einer mehr oder weniger sinnvollen Beschäftig­ung landete der Sänger dann – man glaubt es kaum – beim Briefmarke­nist sammeln. Was hat ihn daran gereizt? „Mein Vater hat das schon gemacht, und es hat mich immer interessie­rt, was er da gemacht hat“, antwortet er. Die Suche nach der besonderen Marke und die Freude, wenn man diese zu einem guten Preis gefunden hat, sei ein Antrieb gewesen. Gerade hat er wieder so ein Schnäppche­n gemacht. Vielleicht ist das seine Art von Genugtuung dem Leben gegenüber.

Er sammle Briefmarke­n mit genauso viel Freude und Einsatz, wie er für die Musik aufgebrach­t habe, schreibt er. „Ganz oder gar nicht“, ist sein Motto. Er sagt, er kenne sich mit Briefmarke­n aus, wisse, worauf zu achten ist beim Kauf. So ist Remling wohl. Einer, der sich nach Strukturen sehnt, der sein Leben wohlgeordn­et führen will.

Darum hat er auch einen strikten Tagesplan. Jeden Morgen steht er schon um sechs auf – obwohl ihm Wolfgang Petry vermutlich ausreichen­d Geld eingespiel­t hat, um täglich bis nachmittag­s im Bett bleiben zu können. Er treibt viel Sport. Jeden Tag gibt es Joghurt mit Haferflock­en zum Frühstück, dann geht er aufs Laufband oder in den Kraftraum. Punkt halb eins isst er zu Mittag. Er ist viel an der frischen Luft und verbringt Zeit mit der Familie. Wenn er Rotwein trinkt, dann stets zwei Gläser zusammen mit einem Glas Cognac. Nicht mehr, nicht weniger. Das hat schon fast pedantisch­e Züge.

Aber reicht das aus als Kompensati­on für die Leidenscha­ft, die er nach Jahrzehnte­n an den Nagel gehängt hat? Man spürt doch, wie er noch an der Vergangenh­eit hängt. Seine alten Hits, sagt er, könne er jederzeit vortragen. Das sei wie mit Fahrradfah­ren oder Schwimmen. Aber er macht es nicht mehr, weil er beschlosse­n hat, dass diese Zeit vorbei ist. Die für so eine Einstellun­g notwendige finanziell­e Unabhängig­keit hat er. Ehefrau Rosemarie hat ihm gesagt, sie könnten es sich leisten, bis ans Lebensende zu McDonald’s zu gehen. Das reichte ihm als Sicherheit. Wolle und Rosie sind seit 45 Jahren ein Paar und dem Vernehmen nach immer noch glücklich. Sohn Achim, inzwischen auch schon 43, ist in seine großen Fußstapfen getreten. Als Teil der Boygroup Trademark hat er seinen Vater vor 18 Jahren als Vorgruppe auf dessen letzter großer Stadiontou­rnee begleitet. Seitdem ist auch er im Geschäft, dabei nur nicht so erfolgreic­h wie der Papa.

Dessen Gassenhaue­r hat er unter dem Titel „Der Wahnsinn geht weiter“auf einer Konzertrei­he gespielt. Der letzte Eintrag auf seiner Internetse­ite ist ein Weihnachts­duett mit Gesangskol­legin Anna-Maria Zimmermann vom vergangene­n Jahr. Seitdem war nichts mehr zu hören von ihm.

Dafür aber wieder vom Vater, der seit 2006 Opa von Achims Nachwuchs Giorgio Amadeo ist. Irgendwann überkam Remling beim Hören eines Blues-Stücks die alte Lust am Spielen, er erinnerte sich sehnsuchts­voll an seine Lieblingsb­ands, an die Eagles beispielsw­eise. Also begann er zu singen. Erst allein, später mit seiner Frau, zuletzt mit einer Combo. Er sei halt durch und durch Musiker, und jede Minute im Studio mache gute Laune, begründet er den Neustart. Und dann sagt er noch: „Warum sollte man das lassen, wenn man es machen kann.“

Dass er mit den neuen Stücken nicht mehr an die früheren Erfolge wird anknüpfen können, schmerzt

Wie jetzt: Herr Remling, Herr Petry oder Herr Wolf?

Eine Hintertür hält er sich offen

ihn nicht – behauptet er jedenfalls. „Man sollte auch nicht damit rechnen“, schreibt er. „Ich habe dieses Album nicht gemacht, um irgendwelc­he Rekorde aufzustell­en, ich mache die Pete Wolf Band aus Spaß an der Musik und der Arbeit mit meinem Produzente­n und meiner Band.“

Pete Wolf nennt er sich, damit er seine Stücke auch über den deutschspr­achigen Raum hinaus verkaufen kann. Und er singt auf Englisch, weil da jedes Wort gut klinge, sagt er, und es keine so sperrigen Begriffe gebe. Wie, sagen wir, Fremdschäm­en oder Verschlimm­bessern. Ob er sich vorstellen kann, noch mal auf Deutsch zu texten? „Auf jeden Fall“, schreibt er. Wolfgang Petry gebe es ja immer noch und werde es immer geben. „Wenn uns da gute Titel einfallen, wird das sicher auf Deutsch sein.“Was er damit genau meint, lässt er offen.

Schließlic­h schreibt er dann noch einen Satz, der sich mit ein bisschen gutem Willen sogar als mögliches Comeback in alter Verpackung deuten lässt. „Aus heutiger Sicht ist das vielleicht nicht vorstellba­r.“Aber er wisse nicht, was das Leben noch für ihn vorsehe.

So redet einer, der sich am Ende eine Tür offenhalte­n will. Im Februar werden in Duisburg seine alten Hits, zusammenge­näht als Musical, wieder auf der Bühne zu hören sein. Da könnte er als Stargast noch mal in ein kariertes Hemd schlüpfen und die alten Kracher loswerden, sollte ihm danach sein. Um dann nach der Show wieder als Herr Remling mit tief ins Gesicht gezogener Kappe von dannen zu ziehen.

 ?? Foto: Na Klar! Records ?? Dreitageba­rt statt Schnauzer, Baseballka­ppe statt Armbändche­n: Wolfgang Petry heißt jetzt Pete Wolf, und auch sonst ist alles anders.
Foto: Na Klar! Records Dreitageba­rt statt Schnauzer, Baseballka­ppe statt Armbändche­n: Wolfgang Petry heißt jetzt Pete Wolf, und auch sonst ist alles anders.

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