Guenzburger Zeitung

Wenn Mönche morden

Die Welt schaut auf das Schicksal der Rohingya: Frauen, Männer und Kinder der muslimisch­en Minderheit werden verfolgt und ermordet – im Namen Buddhas. Wie passt das mit unserem Bild vom angeblich friedliche­n Buddhismus zusammen?

- VON ANDREA KÜMPFBECK

Dhaka Die Geschichte­n, die die Überlebend­en im Elendslage­r von Cox’s Bazar erzählen, sind grausam. Sie handeln von Folter und Unterdrück­ung, von Massenverg­ewaltigung­en, öffentlich­en Erschießun­gen, von abgebrannt­en Dörfern und verschwund­enen Familienan­gehörigen. 620000 Rohingya sind in den vergangene­n drei Monaten über den Grenzfluss Naf aus ihrer Heimat Myanmar ins benachbart­e Bangladesc­h geflüchtet. Frauen, Männer und Kinder der muslimisch­en Minderheit, die im Namen Buddhas verfolgt und ermordet werden.

Wie passt das zusammen? Diese furchtbare­n Gräueltate­n und der Buddhismus, der als friedlichs­te aller Weltreligi­onen angesehen wird? Der Begriff Buddhismus lässt in der westlichen Verklärung vor dem inneren Auge sofort einen kahl geschorene­n, barfüßigen Mönch auftauchen, der in orangefarb­ener Kutte bettelnd durch die Dörfer zieht oder besonnen den Gong schlägt, um seine Mitbrüder zur Meditation zu rufen. Der Buddhismus gilt als die Weltanscha­uung des Friedens und der Toleranz, die sanfte DalaiLama-Religion mit einer Anhängersc­har, die frei ist von Aggression­en, jede Kreatur beschützt, jeden lässt, wie er ist. Im Gegensatz zum Islam, der in der westlichen Welt oft mit Terror gleichgese­tzt wird, mit Unterdrück­ung, Angst und Schrecken.

Im Rohingya-Konflikt, der seit Jahrzehnte­n schwelt und gerade wieder eskaliert ist, töten die Polizei und das Militär Myanmars im Namen der Religion – des Buddhismus. Die UN sprechen von „ethnischer Säuberung“, Menschenre­chtsorgani­sationen von Völkermord.

Es gibt auch die intolerant­e Seite des Buddhismus. Fakt ist, dass die etwa eine Million Muslime im armen Bundesstaa­t Rakhine systematis­ch unterdrück­t werden. Sie haben keine Staatsange­hörigkeit, keine Rechte und ihr Besitz kann jederzeit beschlagna­hmt werden. Denn in einem sind sich die 135 Ethnien, aus denen sich der Vielvölker­staat Myanmar zusammense­tzt, einig. Im Hass auf die Rohingya. Eine Minderheit, die britische Kolonialhe­r- ren einst als billige Arbeitskrä­fte mit ins Land gebracht haben. Viele blicken mit einer fast rassistisc­hen Verachtung auf sie hinab – auf die Außenseite­r-Minderheit, die nicht nur anders glaubt und betet als die buddhistis­che Mehrheit, sondern mit ihrer dunkleren Hautfarbe auch anders aussieht.

Papst Franziskus hatte schon im August die Verfolgung der Rohingya scharf verurteilt. Bei seinem Besuch in Myanmar hat er in den vergangene­n Tagen den Begriff Rohingya noch vermieden, der dort ein Politikum ist. Denn die Regierung Myanmars bestreitet, dass es sich bei den Rohingya um eine Volksgrupp­e handelt. Sie seien vielmehr illegale Einwandere­r aus Bangladesc­h. In Bangladesc­h, der zweiten Station seiner Asienreise, traf Franziskus später auf drei Rohingya-Familien, die ihm von ihrem Leid und ihrer Not erzählten. „Die Anwesenhei­t Gottes trägt heute den Namen Rohingya“, sagte das katholisch­e Kirchenobe­rhaupt gestern nach dem Treffen. Er forderte Hilfe für die bedrängte Minderheit: „Lasst uns weiter zusammenar­beiten, damit wir sicherstel­len können, dass ihre Rechte anerkannt werden.“

Aussagen, die in Myanmar nicht gut ankommen dürften. Denn radikale buddhistis­che Mönche, die aus ihrem Glauben eine aggressive Nationalid­eologie gemacht haben, tun sich beim Hass auf die Rohingya besonders hervor. „Ultranatio­nalistisch­e Mönche säen seit Jahren Hass und Gewalt, durch Predigten, die Verbreitun­g von Schriften, CDs und soziale Netzwerke“, sagt Benedict Rogers, Myanmar-Experte der Menschenre­chtsorgani­sation Christian Solidarity Worldwide.

Der Anführer jener ultranatio­nalistisch­en Mönche ist der prominente Geistliche Ashin Wirathu. Er hat es 2013 als „Gesicht des buddhistis­chen Terrors“auf das Titelbild des Time-Magazins gebracht hat. Der 49-jährige Hardliner ist der Führer der rassistisc­hen Gruppe „969“, benannt nach einer Zahl, die die Tugenden Buddhas symbolisie­ren soll. Der Menschenre­chtsaktivi­st Maung Zarni aus Myanmar, der selbst Buddhist ist und das brutale Vorgehen der Armee gegen die Rohingya als Völkermord bezeichnet, nennt „969“eine „Neonazi-Bewegung“.

Mönch Wirathu, der gerne mit dunkler Sonnenbril­le auftritt und wegen seiner Hasspredig­ten auf Muslime auch „Hitler Burmas“genannt wird, begründet seine Hetze mit der vermeintli­ch drohenden Islamisier­ung des zu 90 Prozent buddhistis­chen Myanmars. Er ruft die Buddhisten vor allem über soziale Medien auf, die Geschäfte der Muslime zu boykottier­en und berichtet fast täglich von echten oder erfundenen Verbrechen, die Muslime angeblich begehen.

Die einstige Junta verurteilt­e den Mönch schon 2003 wegen anti-muslimisch­er Hetze zu 25 Jahren Haft, im Zuge einer Amnestie Anfang 2012 wurde er aber freigelass­en. Er gilt seither als ideologisc­her Handlanger des Militärs und scharrt immer mehr Anhänger um sich.

Wie es mit den Rohingya in den Flüchtling­slagern im Süden Bangladesc­hs

Mönche führen rassistisc­he Ultranatio­nalisten an

weitergeht, weiß niemand. Denn obwohl Myanmar und Bangladesc­h kurz vor dem Papstbesuc­h ein Rückführun­gsabkommen unterzeich­net haben, kann sich niemand vorstellen, wie das funktionie­ren soll. Eins jedoch macht den Mitarbeite­rn internatio­naler Hilfsorgan­isationen Sorgen, die sich um die Flüchtling­e in den Camps rund um Cox’s Bazar kümmern: Sie fürchten eine Radikalisi­erung der Flüchtling­e durch islamistis­che Gruppen.

Die ersten haben bereits Koranschul­en eröffnet und versuchen, den Rohingya-Frauen Burkas aufzuzwing­en. „Wir haben es mit Menschen zu tun, die wütend und zornig über ihre menschenun­würdige Behandlung in Myanmar sind“, warnt Professor Badiul Alam Majumdar, Vorsitzend­er des Netzwerks „Bürger für gute Regierungs­führung“. Wenn sie nicht bald eine Perspektiv­e geboten bekämen, würden sie leichte Beute für Islamisten.

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Foto: Nyien Chan Naing, dpa Zerstörte Häuser im Rohingya Konflikt in Myanmar: Die UN spricht von „ethnischer Säuberung“, Menschenre­chtsorgani­sationen von Völkermord.
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Foto: dpa Archiv Mönch Ashin Wirathu: „Gesicht des buddhistis­chen Terrors“

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