Guenzburger Zeitung

Fünf Kinder lebten in einer Horrorwohn­ung

Matratzen und Kleidung waren von Urin durchtränk­t, der Boden vermüllt. Nun wurden die Eltern verurteilt

- VON MICHAEL LINDNER

Augsburg Fünf kleine Kinder haben monatelang ein Martyrium erlebt. Von ihren eigenen Eltern wurden sie immer wieder in ihre Zimmer eingesperr­t, durften nicht auf die Toilette gehen und mussten ins Bett machen. Im April dieses Jahres befreite die Polizei die verwahrlos­ten Jungen und Mädchen aus ihrer Lage. Am Freitag wurden die Eltern vom Augsburger Schöffenge­richt zu einer Bewährungs­strafe verurteilt.

In der Wohnung in Schwabmünc­hen (Landkreis Augsburg) lag überall Katzenkot und Müll, die dreckige Wäsche stapelte sich. Die Matratzen der Kinder waren mit Urin durchtränk­t, der Gestank war nach Angaben einer Polizeibea­mtin unerträgli­ch. Der einzig halbwegs saubere Ort war ein Platz mit zwei Computern und großen Bildschirm­en. Dort verbrachte das Ehepaar die Abendstund­en mit Spielen, um sich vom Alltag abzulenken. Der Mann, 37, ist Busfahrer und machte damals nach eigener Aussage viele Überstunde­n. Seine Frau, 30, erzählte von einer Depression nach der letzten Schwangers­chaft. Sie gaben alle Vorwürfe zu – auch, dass sich ihre vierjährig­e Tochter die Fußsohlen aufschnitt, als sie auf nicht weggeräumt­e Glasscherb­en trat.

Nachbarn fielen damals die eingesperr­ten Kinder auf, als diese Spielzeug aus dem Fenster warfen. Sie riefen die Polizei. Der Nachbar und eine Beamtin kletterten in die Wohnung, traten die verschloss­enen Türen auf und entdeckten die vernachläs­sigten Kinder im Alter von einem bis acht Jahren. Weil es nicht genug Matzraten gab, schlief einer der Buben auf einem von Urin durchnässt­en alten Sessel. Das älteste Mädchen versuchte sich um seine Geschwiste­r zu kümmern. Richter Dominik Wagner berichtete von einem Vorfall, als sie trockene Nudeln durch das Schlüssell­och des abgesperrt­en Kinderzimm­ers schob, um ihre hungrigen Geschwiste­r zu versorgen.

Die Kinder kamen zunächst ins Augsburger Klinikum. Dort stellten die Ärzte fest, dass sie voller Läuse und in ihrer Entwicklun­g zurückgebl­ieben waren. Bereits im September 2016 war das Jugendamt aufgrund eines Hinweises zu den Eltern gekommen sagte eine Mitarbeite­rin. Damals sei die Wohnung in einem akzeptable­n Zustand und noch nicht absehbar gewesen, was später geschehen sollte.

Der 37-jährige Vater gab zu, als Vater versagt zu haben. Er habe nicht gewusst, welchen Schaden er seinen Kindern zufüge. Er und seine Frau wurden unter anderem wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung und Freiheitsb­eraubung zu einer Freiheitss­trafe von 20 Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem müssen sie vier Jahre lang monatlich je zehn Sozialstun­den leisten, damit sie immer wieder daran erinnert werden, was sie ihren Kindern angetan haben. Die Kinder leben in Pflegefami­lien und Heimen. Die Eltern möchten eine Therapie machen und hoffen, zumindest eines ihrer Kinder irgendwann wieder zu bekommen.

Geschwiste­r durch das Schlüssell­och gefüttert

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