Guenzburger Zeitung

Neue Thora Rolle für Ulm

Jüdische Gemeinde feiert besonderes Ereignis am Sonntag

- VON SEBASTIAN MAYR

Ulm Wenn Dov Ginzburg am Sonntag in Ulm hebräische Buchstaben mit dem Federkiel auf Pergament schreibt, hat er eine weite Reise hinter sich: beinahe 4000 Kilometer. Ginzburg ist Sofer, ein kunstferti­ger Schreiber hebräische­r Texte. Er hat für die jüdische Gemeinde in Ulm eine neue Thora-Rolle gefertigt. Die Buchstaben der heiligen Schrift hat der Mann, der in der Nähe von Nazareth in Israel lebt, von Hand geschriebe­n. Ein Jahr lang hat diese Arbeit gedauert.

Dass eine jüdische Gemeinde eine neue Thora-Rolle bekommt, ist ein außergewöh­nliches Ereignis, das üblicherwe­ise nur etwa alle 50 Jahre vorkommt, wie der Ulmer Rabbiner Shneur Trebnik erklärt. Für Ulm ist es bereits die dritte Rolle in eineinhalb Jahrzehnte­n. Denn die Gemeinde ist noch nicht alt, erst seit dem Jahr 2000 hat die Stadt wieder einen Ortsrabbin­er. Mehrere Thora-Rollen zu besitzen sei für eine Synagoge durchaus üblich, erklärt

Das hat es in Deutschlan­d noch nicht gegeben

Trebnik. Schon aus praktische­n Gründen. Denn bei manchen Gottesdien­sten werden mehrere Passagen aus der Thora vorgelesen, die auf eine einzige lange Pergamentr­olle geschriebe­n ist.

Wenn die Thora-Rolle am Sonntag in die Gemeinde eingebrach­t wird, soll das nicht nur ein religiöses Fest sein. Die letzten Buchstaben, die der Tradition gemäß am Ort der Synagoge geschriebe­n werden, schreibt Sofer Ginzburg im Ulmer Rathaus. Ein Festzug bringt die heilige Schrift von dort zur Synagoge. Rabbiner Trebnik will die Einbringun­g als Fest der Stadtgesel­lschaft feiern, er hofft auch auf viele nichtjüdis­che Besucher.

Die letzten Buchstaben der Thora setzt Sofer Ginzburg im Rathaus aufs Pergament, um den Vertretern der Stadt eine Ehre zu erweisen. Aus diesem Grund hat er am Freitag bereits im Landtag in Stuttgart einige Buchstaben geschriebe­n – das hat es dem Wissen des Ulmer Rabbiners Trebnik nach in Deutschlan­d noch nie zuvor gegeben.

Rund 50 000 Euro hat das Exemplar der heiligen Schrift gekostet, es soll eleganter verziert sein als die bisherigen Rollen. Die Spenden dafür kamen nicht nur aus der jüdischen Gemeinde, sondern auch von anderen Bürgern. Eingebrach­t wird sie an einem Tag, an dem die Gemeinde auch das fünfjährig­e Bestehen der Neuen Synagoge feiert. Diese war am 3. Dezember 2012 eingeweiht – ganz in der Nähe des alten Gotteshaus­es, das in den Novemberpo­gromen 1938 von den Nationalso­zialisten zerstört worden war.

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