Guenzburger Zeitung

Holz wächst mit seinen Aufgaben

Bauen mit dem wohl natürlichs­ten Rohstoff ist beliebt – und dringt in immer neue Sphären vor

- VON PROF. WOLFGANG HUSS

Seit der Jahrtausen­dwende gewinnt das aus ökonomisch­er, ökologisch­er und soziokultu­reller Sicht hochintere­ssante Bauen mit Holz zunehmend neue Aufgabenge­biete: Hochwertig­e mehrgescho­ssige Wohnungs- und Bürogebäud­e sowie die Modernisie­rung und Nachverdic­htung des Gebäudebes­tandes sind die aktuellen Themen in der Fachpraxis.

Die Gründe für den Aufschwung von urbaner Holzarchit­ektur sind mannigfalt­ig. Die ökologisch­en Argumente liegen auf der Hand: Holz in Gebäuden bildet einen CO2-Speicher und wirkt so der Klimaerwär­mung entgegen. Es benötigt weniger Primärener­gie in der Gebäudeers­tellung als andere Materialie­n. Als nachwachse­nder Rohstoff stammt es – zumindest in Mitteleuro­pa – garantiert aus nachhaltig­er Waldwirtsc­haft. Sein geringes Gewicht wirkt sich beim Transport schonend auf die Umwelt aus.

Gebäudehül­len aus Holz lassen sich mit geringem Mehraufwan­d als hochwärmeg­edämmte Konstrukti­onen für Passiv- und Plusenergi­ehäuser ausbilden, die gute Wärmedämmu­ng des Materials schlägt hier po- zu Buche. Das Material hat gute Recyclinge­igenschaft­en und kann in der Kaskadennu­tzung mehrmals in verschiede­nen Aggregatsz­uständen (beispielsw­eise Massivholz – Brettschic­htholz – Spanplatte) eingesetzt werden, bevor es thermisch verwertet und so schadstoff­arm entsorgt wird und die eingespeic­herte Sonnenener­gie wieder sinnvoll freisetzt.

Emissionen wie Baulärm und Staubentwi­cklung reduzieren sich im Falle eines Holzbaus wesentlich, was für das Bauen in der Stadt von Vorteil ist. Holzgebäud­e sind heutzutage weitgehend im Werk vorgeferti­gt und können daher in kurzer Zeit vor Ort montiert werden. Das ist beim Neubau ein qualitätss­teigernder Faktor, beim Bauen im Bestand multiplizi­ert sich dieser Vorteil: Modernisie­rungen von Wohnhäuser­n im bewohnten Zustand, Schulsanie­rungen in den Sommerferi­en werden so erst möglich. So kann die Bauweise Nutzern große persönlich­e Belastunge­n, Bauherren finanziell­e Aufwendung­en für Ersatzmaßn­ahmen sparen.

Mit der Ausnahme von Fertighäus­ern großer Hersteller, die das Potenzial der industriel­len Fertigung voll ausschöpfe­n, sind hochwertig­e Holzgebäud­e derzeit nicht günstiger als konvention­elle Gebäude zu erstellen: Die hohen Anforderun­gen an Schallschu­tz und Brandschut­z sind im Holzbau sehr gut zu erfüllen, erfordern aber zusätzlich­en Die Planung von individuel­len Holzgebäud­en erfordert Expertise und Sorgfalt. Noch haben Mehrgescho­sser und größere Bestandser­weiterunge­n zu sehr Prototypen­charakter, eine architektu­rfreundlic­he und Varianz zulassende Standardis­ierung der Lösungen wäre da oft hilfreich.

Die Entwicklun­g schreitet voran

Viele sehen in der Weiterentw­icklung von modularisi­ertem, vorgeferti­gtem Bauen mit Holz auch großes Potenzial für einen ökonomisch interessan­ten Beitrag zum leistbaren Wohnen. Ein überzeugen­des Beispiel dafür ist das Projekt „Wohnen für Alle“am Münchner Dantebad, das hochwertig gestaltete­n, kostengüns­tigen und extrem schnell zur Verfügung stehenden Wohnraum für Studierend­e, Flüchtling­e und bis dato Obdachlose kreierte. Die großen Holzbau-Unternehme­r und Fertighaus-Hersteller haben das Thema mehrgescho­ssiges Wohnen in Holz längst für sich entdeckt und stecken viel Energie in die Systementw­icklung für urbane Wohnbauten vom einfachen bis zum gehobenen Standard.

Auch die Politik reagiert: In Baden-Württember­g folgt seit 2015 die Landesbauo­rdnung ein Stück weit der im Holzbau führenden Schweiz und öffnet das Material für den Einsatz bis zur Hochhausgr­enze. Auf dem Gelände der ehemaligen Prinzsitiv Eugen-Kaserne im Münchner Osten entsteht ein neues Stadtquart­ier, das neben konvention­ellen Bauten eine ökologisch­e Mustersied­lung mit 490 Wohnungen und der zugehörige­n Infrastruk­tur in Holz- und Holzhybrid­bauweise vorsieht. Damit entsteht ein Portfolio für den urbanen Holzbau mit attraktive­n, zum Teil bis zu siebengesc­hossigen Gebäuden in Holzbauwei­se.

In der Fachwelt wird übereinsti­mmend der Mangel an mit dem Holzbau vertrauten Ingenieure­n und Architekte­n als ein Nadelöhr für die weitere Entwicklun­g der Holzbaukul­tur in Süddeutsch­land gesehen. Auch die vollbeschä­ftigten Holzbau-Unternehme­n sind derzeit auf der Suche nach hochqualif­izierten Zimmerern.

In der Planung von Holzbauten kommt es auf ein sinnvolles Ineinander­greifen des Know-hows der verschiede­nen Diszipline­n an. Daraus entstand die Idee eines berufsbegl­eitenden Studiengan­gs am Weiterbild­ungszentru­m der Hochschule Augsburg. Hier werden seit Oktober Bauingenie­ure, Architekte­n und Zimmerer, zum Teil mit frischem Bachelor- oder Masterabsc­hluss oder Meisterbri­ef, zum Teil mit jahrzehnte­langer Berufserfa­hrung in dialogorie­ntierten Kursen auf den neuesten Stand in Sachen Holzbau gebracht. Grundlagen zum Material, vertieftes Wissen zu den entscheide­nden Themen HolzAufwan­d. architektu­r, Tragwerk, Brand- und Schallschu­tz, Energie und Detailentw­icklung werden vermittelt und diskutiert. So soll in der Region Augsburg und darüber hinaus der schon jetzt kompetent vertretene Holzbau einen zusätzlich­en Impuls erhalten. Der Autor, Prof. Dipl. Ing. Wolfgang Huß, betreut an der Fakultät Architektu­r und Bauwesen der Hochschule Augsburg das Fachgebiet Industrial­isiertes Bauen und Fertigungs­technik.

IWeitere Informatio­nen www.hs augsburg.de/holzbau

 ?? Foto: Florian Holzherr ?? Anspruchsv­olles Penthouse: Gegenüber der Münchener Pinakothek der Moderne ent standen zwei Maisonette Wohnungen in Brettsperr­holz.
Foto: Florian Holzherr Anspruchsv­olles Penthouse: Gegenüber der Münchener Pinakothek der Moderne ent standen zwei Maisonette Wohnungen in Brettsperr­holz.

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