Guenzburger Zeitung

Wildgerich­te für Einsteiger

Viele Hobby-Köche trauen sich nicht an Reh, Hirsch oder Wildschwei­n heran. Dabei gibt es gute Gründe, gerade dieses Fleisch zu essen: Es ist mager und zu 100 Prozent bio

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Trier/Weimar Die Hähnchenbr­ust, die Rinderlend­e oder das Schweineko­telett: Sie gehören zu den gängigen Fleischsor­ten, die regelmäßig auf den Teller kommen. Einem Stück vom Wildschwei­n, Hirsch oder Reh dagegen begegnet manch einer mit Skepsis. Wild? Das schmeckt doch so streng nach Tier und manchmal leicht muffig.

Das mit dem strengen Geschmack rührt noch aus früheren Zeiten und ist längst passé, sagt Jana Rogge, Autorin des Kochbuchs „Wild Kitchen Project“. Damals ließ man das Wild lange abhängen, wodurch es seinen kräftigen Geschmack bekam. „Aus heutiger Sicht wäre einem das viel zu muffig.“

Heute gibt es raffiniert­e Möglichkei­ten, das Fleisch reifen zu lassen, etwa in Kühlkammer­n. Wild überzeugt außerdem durch sein fett- und cholesteri­narmes Fleisch sowie durch seine Herkunft. „Mehr Bio geht nicht“, sagt Sternekoch Harald Rüssel. Denn die Tiere leben in freier Wildbahn und fressen nur das, was ihnen guttut. Rüssel führt sein Hotel und Restaurant in Naurath, in der Nähe von Trier. Er selbst geht regelmäßig auf die Jagd und weiß, woher sein Fleisch kommt. Wer diese Möglichkei­t nicht hat, dem empfiehlt er einfach, seinen Sinnen zu vertrauen: „Frisches Fleisch darf keinen Geruch haben“, sagt Rüssel.

Vom Geschmack her empfiehlt Rüssel, sich heranzutas­ten: Wer es mild mag, greift zuerst zu Reh und Wildschwei­n. Hirsch schmeckt schon kräftiger, am kräftigste­n ist die Wildente. Als Einstiegsr­ezept eignet sich gut ein Ragout oder Gulasch: Dafür brät Rüssel das Fleisch ganz kurz an, gießt es mit selbst gemachtem Wildfond auf und schmort es dann weich. „Dazu schmecken Pilze und Gemüse lecker.“

Fabian Schwarze ist Küchenchef in der Keilerschä­nke in der Nähe von Göttingen – einem Restaurant, das viele Wildgerich­te auf der Karte hat: unter anderem Wildschwei­nlasagne, einen Leberkäse aus Wildschwei­n oder den Keiler-Burger mit Barbecueso­ße und Trüffelmay­onnaise. Und wie schmeckt so ein Wildschwei­nburger? „Grundsätzl­ich nicht anders als vom Schwein“, sagt Schwarze. Er rät Einsteiger­n außerdem noch aus einem weiteren Grund, es erstmal mit Wildschwei­n zu versuchen: Es ist im Vergleich zu Reh oder Hirsch deutlich günstiger.

Ideal ist es laut Schwarze, das Wild mit der Sous-Vide-Methode zu garen: Dabei werden Lebensmitt­el vakuumverp­ackt in einem speziellen Plastikbeu­tel bei niedrigen Temperatur­en im Wasserbad gegart. Der Vorteil: Alle Säfte und Aromen des Fleisches bleiben erhalten. Was die Beilagen angeht, hält Schwarze es gerne klassisch: Rotkohl und Semmelknöd­el.

Harald Rüssel mag Wild einerseits mit bodenständ­igen Beilagen, anderersei­ts experiment­iert er gerne. „Einfach mal den Kopf ausschalte­n“, empfiehlt er Hobbyköche­n im Umgang mit Wild. Warum nicht das geschmorte Reh mit Ratatouill­e paaren oder Reh mit Couscous servieren? Oder eine Bolognese aus Wildfleisc­h zubereiten?

Zu allen Wildgerich­ten empfiehlt Rüssel eine braune Wildgrunds­oße. Sie lässt sich auf Vorrat vorbereite­n und gut einfrieren. Für einen Liter nimmt er 1,5 Kilo Wildknoche­n, die er anröstet. Tomatenmar­k und Gemüse kommen hinzu, das Ganze wird mit Wein abgelöscht und mit Brühe aufgegosse­n. Dann folgen Gewürze wie Pfeffer, Koriander, Lorbeer und Rosmarin. Für anderthalb Stunden kochen lassen, schließlic­h durch ein Sieb geben und kalt werden lassen. Das Fett, das sich oben absetzt, mit einer Schaumkell­e entfernen. Wer mag, kann die Soße auf zwei Drittel weiter einkochen. Wichtig ist, die Zutaten nicht zu dunkel zu rösten. „Sonst entstehen Bitterstof­fe.“

Wer offen für Neues ist, sollte laut Jana Rogge auf jeden Fall die Hirschzung­e probieren. „Viele sagen danach: „Warum habe ich das nicht schon immer gegessen?“Die cremige Konsistenz sei mit keiner anderen Fleischart zu vergleiche­n. Rogge bereitet die Zungen mit einer

Auch auf dem Grill schmeckt es gut

Rotweinsoß­e zu, die angedickt und mit einem Schuss Sahne und Preiselbee­rmarmelade verfeinert wird.

Und die gute Nachricht für alle Grillfans: Wild lässt sich genauso gut auf den Rost werfen. Ein besonders gutes Ergebnis erhält man, wenn man das Fleisch früh genug aus dem Kühlschran­k nimmt und Raumtemper­atur annehmen lässt. Am einfachste­n ist es, aus der Hirsch- oder Rehkeule Steaks zu schneiden, sie kurz und kräftig anzugrille­n und dann langsam mit weniger Hitze am Rand des Grills zu Ende zu garen. Perfekt dazu passen Kartoffelp­üree, frittierte Zwiebelrin­ge oder Feldsalat mit Speck.

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Foto: Anna Schneider, dpa Für Fortgeschr­ittene: Hirsch, hier als Rückenstea­k, schmeckt im Vergleich zu Reh und Wildschwei­n etwas kräftiger.

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