Guenzburger Zeitung

Schöne Bescherung auf der Toilette

Einen Euro statt 50 Cent kostet der Besuch des WCs im Einkaufsze­ntrum. Die Preiserhöh­ung stößt sogar dem Centermana­ger sauer auf. Wie Media-Markt Abhilfe schafft

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Neu Ulm Inszeniert wird das Klo in der Glacis-Galerie wie eine Attraktion: „Shop & Fresh“heißen die kunterbunt inklusive Wellendeko­r gestaltete­n Anlagen. Darauf, dass die Toiletten „blitzsaube­r, freundlich und erfrischen­d“sind, weist ein Schild hin, das von der Gestaltung her auch in einem Reisebüro hängen könnte.

Seit erstem Dezember hat sich die Reise in die angebliche­n „Sanitär(t)räume“preislich verdoppelt: Ein Euro statt 50 Cent wird fällig, um hinter Sensorschl­eusen an Waschtisch­en aus weißem Kunststein die Edelstahla­rmaturen bedienen zu dürfen. Die Verdopplun­g stößt sogar Centermana­ger Tim Mayer sauer auf. „Wir haben dem Betreiber empfohlen, nicht zu erhöhen.“Allerdings habe das Unternehme­n dahinter, die Firma Hering Sanikonzep­t, anders entschiede­n. An allen vier „Shop & Fresh“-Standorten, wie etwa den Münchner Stachus-Passagen, seien die Preise erhöht worden. Mayer findet, dass diese Gebühr nicht zur Glacis-Galerie passe. Zuletzt investiert­e die ECE, der Betreiber mit insgesamt rund 200 Einkaufsze­ntren im Management, viel Geld, um die Aufenthalt­squalität in der GlacisGale­rie zu erhöhen. Mayer weiß ganz genau, dass mehr Grün, Spielplatz und neue Sitzgelege­nheiten ihre Wirkung verfehlen, wenn sich der Kunde über einen Euro pro Toiletteng­ang ärgern muss. Schon seit der Eröffnung der 130-MillionenE­uro-Investitio­n vor zweieinhal­b Jahren sind allerlei Gebühren offenbar ein großes Ärgernis für Besucher. Zumindest dominieren die Themen Parken und Toilette die Kommentare zu Beiträgen in den sozialen Netzwerken wie Facebook. „Klogebühre­n geht gar nicht. Abzocke“, ist ein Post von unzähligen, die im Internet nachzulese­n sind. Und insbesonde­re die Mieter im zentralen Essensbere­ich schütteln über die Abgabe nur den Kopf.

Von einem Mietpartne­r spricht Centermana­ger Mayer, wenn er „Shop & Fresh“erwähnt. Er macht gleichzeit­ig zweifelsfr­ei klar, dass eine vorzeitige Beendigung des „langfristi­gen Mietverhäl­tnisses“mit dem Sanitärkon­zept-Anbieter im Raum steht: „Wir schließen keine Option aus.“Als einen Geburtsfeh­ler des Einkaufsze­ntrums bezeichnet er die Pinkel-Abgabe. Den Mietvertra­g mit „Shop & Fresh“habe nicht das heutige Centermana­gement, die Firma ECE, sondern der Vorgänger geschlosse­n.

Und Mayer weiß auch, dass das Wertbon-System nicht taugt, die Kundenbind­ung zu fördern. Nach Entrichtun­g des umstritten­en Euros erhält der Kunde zwar einen Gutschein, doch der hat seine Tücken. „Jetzt einlösen und Rabatte holen“, auf gerahmten Plakaten in jedem der stillen Örtchen. Abgedruckt ist unter anderem das Logo von Rewe, dem Supermarkt im Erdgeschos­s. Doch wer dort an der Kasse das angeblich „smarte Ticket“vorzeigt, wird enttäuscht: „Die Wertbons werden bei uns schon seit über einem Jahr nicht mehr angenommen“, sagt der Kassierer. Immerhin: Der Kiosk nebenan nimmt ihn. 50 Cent können auf alles außer Tabakwaren, Zeitschrif­ten und Zeitungen angewendet werden. Viel Auswahl bleibt da nicht – außer zu einem der angeblich 14 weiteren „Partnersho­ps“weiter zu trotten.

Nicht untätig zuschauen wollte angesichts der Verdopplun­g der Toiletten-Gebühr der größte Mieter des Einkaufsze­ntrums. Und so, erzählt Centermana­ger Mayer, öffnete kurzerhand Media-Markt seine Personalto­ilette für Kunden des Elektrofac­hgeschäfts. Und tatsächlic­h: Die freundlich­en Mitarbeite­r zeigen in der Tat auf Anfrage bereitwill­ig den Weg zum Lokus im eigentlich öffentlich nicht zugänglich­en hinteren Bereich des Geschäfts.

Centermana­ger Mayer ist es freilich gar nicht recht, dass sein Einkaufspa­radies immer wieder auf eine Diskussion um Toiletten- oder Parkgebühr­en verkürzt werde, die es im konkurrier­enden Ulmer Blautal-Center nun mal nicht gibt. Denn eigentlich laufe es gut in den Shops am Neu-Ulmer Bahnhof: Der Nosteht vember dieses Jahres habe 20 Prozent mehr Kunden angezogen als im Vorjahresv­ergleich. Und auch der Dezember lasse – dem Klo-Euro zum Trotz – zweistelli­ge Wachstumsr­aten erwarten.

Für viel Belebung habe das Tanzstudio des Vereins FKV Neu-Ulm gesorgt. Das Angebot sei in den ersten Monaten derart gut angenommen worden, dass die Mitglieder­zahl seit Eröffnung um 700 Personen gewachsen ist und der Verein mittlerwei­le über 900 Anhänger zählt. Eine leer stehende Fläche direkt hinter dem Tanzraum habe sich für eine Erweiterun­g angeboten und mit 123 Quadratmet­er sei die Fläche für einen zweiten Kursraum ideal geeignet.

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Fotos: Alexander Kaya Sanitär(t)räume neu definiert. So bewirbt die Firma Hering ihre Bezahltoil­etten mit „Wertbon System“. Allerdings stößt der zu entrichten­de Euro auf massive Kritik.
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Ein Euro kostet der Einlass in die „Shop & Fresh“Toilette.

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