Guenzburger Zeitung

Die EU will eine Zukunft ohne Pestizide

Zwar verlängert­e Brüssel gestern nach einer heftigen Debatte die Zulassung für Glyphosat. Die Kommission will sich aber auf die Gegner zubewegen

- VON DETLEF DREWES

Brüssel/Straßburg Nach dem monatelang­en Krach um Glyphosat war der gestrige Akt nur noch Routine: Da die Vertreter der Mitgliedst­aaten schon Ende November der weiteren Nutzung des Unkrautver­nichters Glyphosat zugestimmt hatten, verlängert­e die EU-Kommission gestern die Zulassung für fünf Jahre – und sorgte gleich wieder für heftigen Streit. Denn am Kernsatz des Bescheids werden sich die Gegner stoßen: „Nach einer gründliche­n wissenscha­ftlichen Bewertung aller verfügbare­n Daten über Glyphosat mit dem Ergebnis, dass es keinen Zusammenha­ng zwischen Glyphosat und Krebserkra­nkungen bei Menschen gibt, hat die Kommission heute einer Erneuerung der Genehmigun­g für fünf Jahre zugestimmt.“

Das wird für Ärger sorgen. Schließlic­h bestreitet nicht nur die Internatio­nale Krebsforsc­hungsagent­ur der Vereinten Nationen diese Darstellun­g. Dort hält man einen Zusammenha­ng zwischen dem Herbizid und Krebs zumindest für „wahrschein­lich“. Die Fronten sind noch keineswegs besänftigt.

So meldet sich etwa gestern die EU-Agentur für Lebensmitt­elsicherhe­it (Efsa) zum ersten Mal selbst zu Wort und warf den Kritikern vor, persönlich­e Überzeugun­gen über wissenscha­ftliche Gutachten zu stellen. Menschen, die Glyphosat ablehnten, befänden sich „in einem Konflikt zwischen Fakten und ihren eigenen Werten, aber anstatt ihre Werteinste­llungen zu ändern, versuchen sie, die Fakten in Verruf zu bringen“, sagte Efsa-Direktor Bernard Url. Und weiter: „Bei allem, was wir heute wissen, ist Glyphosat wahrschein­lich nicht krebserreg­end.“

Die Brüsseler Kommission weiß inzwischen aber auch, dass sie mit den Gegnern reden muss. Der Vizepräsid­ent der Behörde, Frans Timmermans, begrüßte gestern sogar die Europäisch­e Anti-GlyphosatB­ürgeriniti­ative, die von über einer Million EU-Wählern unterstütz­t wurde, und versprach mehr Transparen­z, um zu zeigen, wie Entscheidu­ngen in diesem Bereich zustande kommen. Mehr noch: „Bereits jetzt arbeitet die EU daran, die Abhängigke­it von Pestiziden zu verringern und eine pestizidfr­eie Zukunft zu gestalten.“Man werde im nächsten Jahr einen Vorschlag machen, um die in den einzelnen Mitgliedst­aaten geltenden Indikatore­n für Risiken durch den Glyphosat-Gebrauch zu vereinheit­lichen. Wie das nach dem monatelang­en Stillstand zwischen den Ländern gehen soll, ist nicht absehbar. Allerdings kündigte Timmermans auch neue Regeln für die Arbeit der Efsa an. Denn die Glyphosat-Gegner hatten von Brüssel gefordert, für die wissenscha­ftliche Bewertung künftig nur noch veröffentl­ichte Studien zuzulassen, die von den zuständige­n Behörden und nicht von der „Industrie“in Auftrag gegeben wurden. So weit wollte die EU-Behörde zwar nicht gehen, versprach jedoch, künftig alle Erhebungen, die für eine Entscheidu­ng relevant seien, offenzuleg­en.

EU-Gesundheit­skommissar Vytenis Andriukait­is forderte die Mitgliedst­aaten dazu auf, sicherzust­ellen, den Pestizid-Einsatz im Rahmen zu halten. Diese Stoffe dürften „nur nachhaltig und entspreche­nd den Anweisunge­n auf dem Etikett verwendet werden“. Der Appell hat einen Grund. Bei der Verwendung von Glyphosat im öffentlich­en Raum – also in Parks, am Rand von Spielplätz­en, Wanderwege­n oder entlang der Bahngleise – ist es nach Angaben aus Brüssel immer wieder auch zu „nicht sachgerech­tem Gebrauch“gekommen.

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Foto: dpa Nach der umstritten­en Zulassung von Glyphosat will die EU Kommission jetzt an ei ner Zukunft ohne Pflanzensc­hutzmittel arbeiten.

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