Mit dem Smartphone gegen Tinnitus
Wie eine App von Ulmer Forschern hilft
Ulm Als Stressquelle und Suchtmittel haben Smartphones unter Medizinern einen zweifelhaften Ruf. Doch Mobiltelefone können als Gesundheitshelfer wertvolle Dienste leisten. Sie werden eingesetzt, um medizinisch verwertbare Daten zu sammeln. Wissenschaftler der Uni Ulm arbeiten seit Jahren an der Entwicklung von Technologien für Apps, die das Datensammeln für Studien praktikabler und komfortabler machen sollen. Gemeinsam mit anderen Forschern haben der Informatik-Professor Manfred Reichert und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Rüdiger Pryss bereits Apps entwickelt, mit denen sich beispielsweise die Stressbelastung in der Schwangerschaft erfassen lässt. In einem anderen früheren Projekt ging es um Kindersoldaten in Afrika, die zu Traumaerfahrungen und Gewalterlebnissen befragt wurden. Das App-Projekt widmet sich einem Phänomen, das medizinisch weitaus weniger gravierend ist, dafür aber umso stärker verbreitet: Tinnitus. Die Ulmer Forscher haben mit Kooperationspartnern die „Track-Your-Tinnitus“-App entwickelt. Mit der Anwendung können Nutzer nicht nur die gefühlte Lautstärke und die Belastung durch den Tinnitus erfassen, sondern auch Angaben zu Stress und Gefühlen machen. Umweltgeräusche und Angaben zu Zeit und Ort können automatisch ermittelt werden.
Weltweit mehr als 500 000 Datensätze
Aus den weltweit mehr als 500000 Datensätzen von Betroffenen ist es mittlerweile gelungen, klare Effekte aufzudecken. Die Wissenschaftler fanden beispielsweise heraus, dass Stress, Stimmung und Tageszeit die wahrgenommene Lautstärke des Tinnitus-Tones und die damit einhergehende Belastung beeinflussen. „Vor allem während der stillen Nachtstunden fühlen sich die Betroffenen vom Tinnitus stark gestört“, beschreibt Pryss. Von der Forschung profitieren nicht nur die Initiatoren medizinischer Studien, sondern auch einzelne SmartphoneNutzer. Die über das Handy gewonnenen Daten können Patienten dabei helfen, die eigene Krankheitssituation besser einzuschätzen und herauszufinden, welche Faktoren darauf Einfluss nehmen. Letztlich könnten solche technischen Hilfen vielleicht sogar helfen, Gesundheitskosten zu senken.