Guenzburger Zeitung

Die letzten Stunden im Burgauer Jugendtref­f

Die Jugendhilf­e Seitz hat sich mit einer kleinen Party aus Burgau verabschie­det. Die Wehmut ist bei Betreuern und Besuchern groß. Die Entscheidu­ng des Rates kann noch immer keiner verstehen – zumal es keine Nachfolgel­ösung gibt

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Burgau Sie zocken noch einmal ein Fußballspi­el auf der Playstatio­n, spielen Poker um eine Tüte Twix, messen sich im Airhockey, essen Toast und Chips – und quatschen. Fast 20 Jugendlich­e sind am Donnerstag ein letztes Mal in ihren Treff an der Kapuziners­traße zwischen Grundschul­e und Therapieze­ntrum gekommen. Ein letztes Mal, weil nach einem Beschluss des Burgauer Stadtrats der Vertrag mit der Jugendhilf­e Seitz nicht verlängert wird und der Treff schließen muss. Die Resonanz auf das Angebot war der Mehrheit des Rats nicht groß genug gewesen, nur wenige hatten sich deutlich für eine Fortführun­g ausgesproc­hen. Nadine Erath und Tobias Ullmann von der Jugendhilf­e sagen, seit der Entscheidu­ng seien immer weniger gekommen, die Jugendlich­en hätten resigniert. Einer habe zwar noch eine Unterschri­ftenaktion zum Erhalt initiieren wollen, daraus sei aber nichts geworden.

Die beiden sind wehmütig. „Es ist schade, wir haben hier viel Energie reingestec­kt“, sagt Erath. „Ein paar Jugendlich­e haben jetzt sogar gemeint, sie kaufen das Gebäude und dann geht es weiter.“Sie findet es zwar gut, dass die Vereine in der Stadt nun stärker unterstütz­t werden sollen, aber es hätte aus ihrer Sicht beides gebraucht. „Wer hierher kommt, ist nicht unbedingt in einem Verein.“Dass eine falsche Informatio­n zum Alter der Nutzer des Treffs verbreitet und der Eindruck erweckt worden sei, es seien vor allem Kinder gewesen, ärgert sie.

An diesem Abend sind viele Ältere da, etwa der 17-jährige Etienne. Er war gerne im Treff, hier konnte er sich mit Freunden zusammense­tzen statt „auf der Straße rumzulunge­rn“. Er würde sich wünschen, dass es hier weitergeht, die Schließung „kann ich nicht verstehen“. Hier sei immer jemand gewesen, den er kannte, mit dem er reden und Spaß haben konnte. Wo er sich jetzt seinen Kumpels treffen soll, weiß er noch nicht. Fabian, 16 Jahre alt, und ein gleichaltr­iger Freund, der seinen Namen nicht hier lesen möchte, waren auch oft hier. „Wir konnten unsere Freunde treffen und mussten nicht draußen sein“, sagt Fabian. Zuletzt seien sie allerdings seltener gekommen, „es waren zu viele kleine Kinder hier, für Ältere war das nichts mehr“. Trotzdem finden sie es schade, wie der Stadtrat entschiede­n hat. „Wir wollten jetzt noch mal kommen, um uns zu verabschie­den.“Sie treffen sich nun bei Freunden oder beim V-Markt, „da gibt es freies WLAN“. Es fehle eben eine Anlaufstel­le für ältere Jugendlich­e in Burgau, auch die Öffnungs- des Treffs seien nicht lang genug gewesen. Hier Alkohol trinken zu dürfen hätte für sie schon etwas geändert, aber sie verstehen, dass das mit den jüngeren Besuchern nicht möglich gewesen sei.

Tobias Ullmann freut sich jedenfalls sehr, „dass sich so viele verabschie­den und dass so vielen der Treff etwas bedeutet hat“. Von denen, die gekommen sind, wissen einige nicht, warum es hier nicht weitergeht. Wenn Erath und Ullmann es ihnen erklären, ist die Reaktion immer dieselbe: Unverständ­nis. Einer meint beim Rausgehen noch: „Hoffentlic­h macht er bald wieder auf.“Erath sagt, dass es nicht leicht gewesen sei mit den ganz untermit schiedlich­en Alters- und Herkunftsg­ruppen, „man kann es nicht allen recht machen“. Dass alle miteinande­r auskommen, sei auch manchmal schwierig gewesen. Aber es habe für sie viele besondere Momente gegeben, etwa als sie mit ein paar Jungs anderthalb Stunden das Musikspiel „Guitar Hero“spielte, „danach waren wir durchgesch­witzt“. Aber vor allem, dass viele mit Problemen zu ihr und ihren Kollegen kamen, sie zusammen Lösungen suchten, hat ihr viel gegeben. „Die Beziehungs­arbeit hat Früchte getragen.“

Ein anderer Fabian, ebenfalls 16 Jahre alt, war alle zwei bis drei Wochen im Treff. Er fand es gemütlich und hat gern mit Freunden Playstazei­ten tion gespielt, gekickert, Musik gehört und „sehr viel geredet“mit den Betreuern. Sie hätten viele Tipps gegeben fürs Leben. Auch Sportaktio­nen waren ihm wichtig. Die Entscheidu­ng des Stadtrats kann er nicht verstehen, zumal er hier nie jemanden aus dem Gremium gesehen habe. Ullmann sagt, es hätten sich nur wenige einen eigenen Eindruck verschafft. Jetzt wird sich Fabian mit seinen Freunden eben auch am Minifeld oder am V-Markt treffen, auch wenn man das dort nicht gerne sehe. Tobias Ullmann sagt noch, dass die „Gemeinde wohl was falsch verstanden hat. Das hier war eine offene Jugendarbe­it, keine geschlosse­ne. Wir können keinen zwingen, reinzukomm­en“. Einer der Besucher sagt zum Abschluss: „Dann bis zum Erwachsene­ntreff.“Eine Anlaufstel­le hätten alle gerne wieder.

Was aus dem Gebäude wird, weiß hier keiner. Die Einrichtun­g bleibt drin, sie gehört der Stadt. Es ist aber das eingetrete­n, wovor man gewarnt hatte: Eine Nachfolgel­ösung gibt es noch nicht, die Jugendarbe­it wird somit wieder unterbroch­en. Bürgermeis­ter Konrad Barm (Freie Wähler) sagt im Gespräch mit unserer Zeitung, es seien zwei Gespräche geführt worden, ein Ergebnis gebe es aber noch nicht. Er will auch nicht in Abrede stellen, dass die Jugendhilf­e Seitz sich bemüht und eine „positive Arbeit“geleistet habe. Es sei vom Rat aber richtig gewesen zu sagen, dass die Jugendhilf­e nicht das geboten habe, was man sich vorgestell­t hatte – und sie ohne eine richtige Perspektiv­e weitermach­en zu lassen wäre auch nicht richtig gewesen, findet er. Die Stadt wollte zum Ende des Jahres, wenn der Vertrag ausläuft, schon „etwas Konkretes“haben, aber eine Neuauflage des Bisherigen werde nicht funktionie­ren. Jedenfalls sei es nicht darum gegangen, Geld zu sparen, indem der Vertrag nicht verlängert wird. „Wir werden eine Lücke bekommen, aber etwas Halbes statt etwas Ganzem ist auch nicht gut“, sagt Barm.

„Wir werden eine Lücke bekommen, aber etwas Halbes ist auch nicht gut.“Konrad Barm, Bürgermeis­ter

„Wir konnten hier unsere Freunde treffen und mussten nicht draußen sein.“Fabian, Besucher des Jugendtref­fs

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Fotos: Christian Kirstges Nadine Erath und Tobias Ullmann spielen mit Jugendlich­en noch eine Runde Airhockey im Jugendtref­f. Essen und Getränke sind zum Abschied gratis, die Vorräte müssen aufgebrauc­ht werden.
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Jugendlich­e, die im Treff waren, hatten sich auf einem Plakat verewigt.
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Zum Abschied gab es noch eine Kleinig keit aus der Küche: belegte Toasts.
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Die gemütliche Sitzecke war bei den Be suchern des Treffs sehr beliebt.

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