Guenzburger Zeitung

Ein schöner Baum, du glaubst es kaum

Eine prachtvoll geschmückt­e Tanne ist der Stolz ihres Besitzers. Dafür erwartet er auch Lob. Und das bekommt er traditione­ll in Schwaben zwischen Christfest und Dreikönig – wenn er ein Stamperle ausgibt

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In der Weihnachts­zeit leben wieder einige schöne Bräuche auf, die in unseren Städten und Dörfern gepflegt werden. Ein paar davon, heute das Christbaum­loben, stellen wir in den nächsten Wochen auf der Freizeit-Seite vor. Ehrensache bei den fürs Loben aufgehübsc­hten Tannen. Der Verein Kulturvers­trickung hängt gehäkelte Lappen „aus aller Frauen Länder“an seinen Baum. Es gibt gestrickte Kugeln, jedes Jahr in anderen Farben. Richard Wiblishaus­er hat in seinen Fahrradbau­m allerlei Teile vom Drahtesel montiert. Jugendlich­e schmücken den „Wiederhole­r“, ein Baum vom letzten Jahr mit gekürzten Ästen und er schaut gar nicht traurig aus. Und Vereinsvor­stand Bretzel durfte den wertvollen, alten Christbaum­schmuck einer eingesesse­nen Memmingeri­n hängen.

Bei der Familie Winklhofer in Oberelchin­gen (Kreis Neu-Ulm) wird daraus rasch eine „Hockete“, also ein Beisammens­ein, wo musiziert und gesungen wird. Traditione­ll lädt Sepp Winklhofer schon am 23. Dezember Freunde und Bekannte zum Heimgarten ein. „Wir freuen uns das ganze Jahr darauf“, sagt er. Einer der Freunde schreibt jedes Jahr neue G’schichtle. Dank seiner Wohnung unterm Dach hat er Platz für einen riesigen Christbaum („meist über drei Meter hoch“), den er im orientalis­chen Stil schmückt. Bei diesem Prachtexem­plar fällt das Loben nicht schwer. Größe, Fülle, Form („g’rad oder krumm“) und Eigenheite­n (hat er zwei Spitzen?) zählen für die Lober. Ein bisschen

Sepp Winklhofer kennt noch das alte Sprüchle

schummeln ist erlaubt. „Die Kunst des Redners ist es, aus jedem Baum einen wunderschö­nen Baum zu machen.“Bei den Winklhofer­s kennt man alte Sprüchle fürs Loben: „Des glaubsch kaum, des glaubsch kaum / des isch a scheaner Weihnachts­baum. / Der isch net krumm, der isch koi Schtorra / des isch a echter Chrischtba­um wora. / Der schtadt jetzt dau, so wie sich’s g’härt, / der isch ja glatt a Schtamperl­e wert.“

Ein, zwei Stamperl für die Christbaum­lober sind immer drin. Solange die Spirituose­n nicht die Hauptsache werden. Sepp Winklhofer hat seine Vorbehalte gegen die übereifrig­en Lober, die von Haus zu Haus ziehen und eine ganze Liste abarbeiten. Bei ihm sei früher („als ich noch aktiv gespielt habe“) der ganze Fußballver­ein vorbeigeko­mmen. Heute sagt der Oberelchin­ger: „Es geht doch ums Zusammense­in. Viele Leute sagen: Erst wenn wir bei euch waren, ist der Schalter umgelegt und Weihnachte­n hat angefangen.“

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Foto: Zinkevych, Fotolia Auf einen prächtigen Christbaum stößt man in Schwaben nach überschwän­glichem Loben gern an.

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